zum Hauptinhalt
Über die neue Seidenstraße baut China unter anderem seine Handelsrouten weiter aus.

© imago images/VCG

Neue Seidenstraße: Wie China über Kredite seine Macht ausspielt

China finanziert weltweit den Bau von Häfen, Straßen und Brücken. Kreditunterlagen zeigen nun, welch großen Einfluss das Land damit nimmt.

Von Carla Neuhaus

Kraftwerke in Pakistan, Zugstrecken in Ungarn, ein Hafen in Namibia: Weltweit baut China seinen Einfluss über Infrastrukturprojekte aus. In 140 Ländern ist die Volksrepublik mit der „Belt-and-Road-Initiative“ bereits aktiv. Gerade Entwicklungsstaaten gibt China großzügige Kredite, ohne die sie Straßen, Brücken oder Häfen nicht bauen könnten. Wohl auch deshalb lassen sich die Länder auf Kreditverträge ein, die Peking einen enormen Ermessensspielraum einräumen. Wie groß der ist, zeigt jetzt erstmals eine Untersuchung internationaler Forscher. 142 Verträge konnten sie dafür zusammentragen und auswerten.

Allein das ist schon beachtlich. Denn auch das zeigt die Studie, an der unter anderem das Institut für Weltwirtschaft (IfW) in Kiel mitgearbeitet hat: Auf die Geheimhaltung legt China besonderen Wert. So fanden die Forscher in den Verträgen „ungewöhnlich weitreichende Vertraulichkeitsklauseln“. Zum Teil durften die Staaten nicht einmal die Existenz der Kreditverträge offenlegen. Über die Jahre sollen die Vorgaben immer restriktiver geworden sein.

Folgen hat das etwa für Steuerzahler, die im Zweifel für die Rückzahlung der Kredite aufkommen müssen – obwohl sie nicht einmal wissen, dass sie existieren. Auch für Kapitalgeber ist die strikte Geheimhaltung ein Problem: etwa wenn sie Staatsanleihen kaufen und einem Land damit ebenfalls Geld leihen. Ohne Informationen über die Kredite Chinas schätzen sie die Bonität des Landes womöglich falsch ein.

China verlangt hohe Sicherheiten

Zusammengetragen haben die Forscher die untersuchten Verträge in akribischer Detektivarbeit. Fündig geworden sind sie etwa auf Regierungswebseiten der Schuldnerländer, wobei die Verträge „offensichtlich nicht für die Öffentlichkeit bestimmt“ gewesen seien.

Berichte über das besonders restriktive Vorgehen Chinas im Zuge der Belt-and-Road-Initiative gibt es schon länger. So sorgte etwa ein Fall aus Sri Lanka für Aufsehen. Das Land hatte mit Geld aus China einen großen Containerhafen bauen lassen. Als die Regierung die Kredite nicht mehr bedienen konnte, musste sie China den Hafen verpachten – für 99 Jahre. Wie die Forscher nun aber herausfanden, ist das nur eine Möglichkeit, die Peking nutzt, um sich abzusichern.

Die Auswertung zeigt, dass China besonders hohe Sicherheiten verlangt. So mussten die Länder in einem Drittel der untersuchten Fälle etwa erhebliche Barguthaben auf Bank- oder Treuhandkonten vorhalten – im Fall eines Zahlungsausfalls kann Peking das Geld beschlagnahmen. Auf diese Weise sichert sich China für den Fall einer Staatspleite des Partnerlands ab: Die Volksrepublik muss dann nämlich vor allen anderen Gläubigern bedient werden.

Mit Geld aus China baut Sri Lanka in Colombo ein neues Stadtviertel, die Port City Colombo.
Mit Geld aus China baut Sri Lanka in Colombo ein neues Stadtviertel, die Port City Colombo.

© imago images/Xinhua

Dazu kommt, dass die Volksrepublik den Ländern eine Umstrukturierung der eigenen Schulden ohne ihre Zustimmung zum Teil untersagen soll. Das heißt: Nur wenn die Regierung in Peking ihr Okay gibt, kann sich das betroffenen Land auch mit anderen Gläubigern auf einen Schuldenerlass einigen. Gerade in der aktuellen Situation ist das ein Problem. „Chinas Praktiken erschweren es Ländern, die sich beispielsweise aufgrund der Corona-Pandemie in einer finanziellen Notlage befinden, ihre Schuldensituation in den Griff zu bekommen“, sagt IfW-Forscher Christoph Trebesch. „Die meisten chinesischen Kreditverträge enthalten Klauseln, die es den Schuldenregierungen untersagen, chinesische Kredite in Koordination mit anderen Gläubigern umzuschulden.“

Peking nimmt über die Kredite politisch Einfluss

Dabei hat allein die Tatsache, dass China die Kreditverträge so geheim hält, schon Folgewirkungen. „Einige Entwicklungsländer haben derzeit Schwierigkeiten, ihre ausländischen Schulden zu bedienen“, sagt Brad Parks vom US-Forschungslabor Aid Data. „Nicht-chinesische Kreditgeber sind aber zunehmend zögerlich, Rückzahlungsbedingungen neu zu verhandeln, solange sie nicht wissen, ob sie tatsächlich an der Spitze der Rückzahlungslinie stehen und wie Chinas Forderungen im Detail aussehen.“

Die Auswertung zeigt zudem, wie Peking seine politische Macht ausspielt. So kann China die Kredite schon dann kündigen oder eine frühere Rückzahlung fordern, wenn Peking „mit der Politik des Kreditnehmers nicht einverstanden ist“. Bricht ein Land zum Beispiel seine diplomatischen Beziehungen zu China ab, gilt das bereits als „Ausfallereignis“. Die Kredite müssten dann sofort zurückgezahlt werden.

Welchen Einfluss China über seine restriktiven Verträge vor Ort nimmt, zeigt auch das Beispiel Argentinien. Dort hat Peking unter anderem 4,7 Milliarden Dollar für den Bau zweier Staudämme am Río Santa Cruz in Patagonien bereitgestellt. Ein umstrittenes Projekt, das der damalige Präsident Mauricio Macri eigentlich einstellen wollte. Doch China hatte den Vertrag für den Bau der Staudämme an ein weiteres Infrastrukturprojekt gekoppelt: nämlich den Ausbau einer Eisenbahnstrecke, in den weitere zwei Milliarden Dollar aus Peking fließen sollten. Hätte Argentinien den Bau der Staudämme gestoppt, hätte es auch auf die Bahntrasse verzichten müssen. Am Ende ist Argentinien eingeknickt und hat beides gebaut.

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false