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Das Neun-Euro-Ticket sorgte für volle Züge und Bahnhöfe.

© Foto: Sina Schuldt/dpa

Update

Noch vier Wochen: Das 9-Euro-Ticket ist bald Geschichte – kommt das 29-Euro-Ticket?

Das Neun-Euro-Ticket soll nur noch bis Ende August 2022 verkauft werden. Was ist ab September? Wir stellen die vielseitigen Ideen für eine Fortsetzung vor.

Das Neun-Euro-Ticket ist eine im Alltag greifbare und gleichzeitig beliebte Maßnahme der deutschen Politik. Als eine Komponente im Paket zur Entlastung der Bürger:innen von den massiv gestiegenen Energiekosten erwies sich das günstige All-you-can-drive-Ticket für den Nah- und Regionalverkehr als Hit:

Allein im Juni wurden in Deutschland etwa 21 Millionen Neun-Euro-Tickets verkauft. Hinzu kommen die zehn Millionen Abonnent:innen, die das Ticket automatisch erhalten haben. Umfragen untermauern die Beliebtheit des Angebots. In einer Befragung der Tagesspiegel-Leser:innen sagten 67 Prozent, dass das Neun-Euro-Ticket einen Nachfolger brauche. Verkehrsminister Volker Wissing bezeichnete das Ticket als „Riesenerfolg“.

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Der Reiz des Angebots liegt im unschlagbaren, staatlich mit 2,5 Milliarden Euro bezuschussten, Preis. Außerdem ist das Ticket bequem. Man kann einfach einsteigen und losfahren, in ganz Deutschland. Das Neun-Euro-Ticket schlägt eine Schneise durch den deutschen Tarifdschungel der regionalen Verkehrsverbünde.

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Es gibt auch Kritik am Ticket, das teilweise zu verstopften Regionalzügen geführt hat, was insbesondere für Berufspendler ein Ärgernis ist. Dennoch mehren sich die Forderungen, dass das Neun-Euro-Ticket in irgendeiner Form fortgeführt wird.

Da kann Finanzminister Christian Lindner noch so sehr ablehnen und auf die Schuldenbremse des Bundes pochen, die 2023 wieder eingehalten werden soll, während die Bahngewerkschaften auf die durch das Neun-Euro-Ticket gestiegene Arbeitsbelastung des Bahnpersonals verweisen.

Wir schauen uns nun an, welche Ideen im Raum stehen, den öffentlichen Nah- und Regionalverkehr in Deutschland auch künftig mit einem günstigen Monatsticket nutzbar zu machen.

1. Verlängerung des 9-Euro-Tickets bis Oktober

Der Verband Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV) schlägt vor, das Neun-Euro-Ticket als Übergangslösung einfach um zwei weitere Monate zu verlängern. Damit könnten Kund:innen auch im September und Oktober günstig mit Bus und Bahn fahren.

Der Übergang in den ungemütlichen Herbst würde damit gewiss erleichtert. Als Argument führt VDV-Geschäftsführer Oliver Wolff die Entlastung der Bürger:innen von den hohen Energiepreisen an. Ab Oktober wird Gas noch einmal deutlich teurer.

Perspektivisch spricht sich der VDV für ein bundesweit gültiges 69-Euro-Ticket aus.

2. Das 69-Euro-Ticket

Es kostet 60 Euro mehr, bietet aber dieselbe Leistung: Das bundesweit gültige 69-Euro-Ticket könnte nach Vorstellung des VDV ein Nachfolgemodell für das Neun-Euro-Ticket sein. Dieses Angebot wäre noch immer günstiger als eine klassische Monatskarte, die in Berlin für die Zonen AB mit 86 Euro im Regeltarif zu Buche schlägt.

VDV-Geschäftsführer Wolff sagte gegenüber der „Süddeutschen Zeitung“, dass er sich eine Reduzierung des Monatspreises von 69 auf 29 oder 39 Euro für Bedürftige vorstellen kann. Die Politik könne die Senkung als temporäre Maßnahme beschließen, zum Beispiel für die Dauer des Krieges in der Ukraine.

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Der Deutsche Städtetag, die Interessensvertretung der Kommunen, unterstützt den Vorschlag zur Einführung eines 69-Euro-Tickets. Städtetag-Präsident Markus Lewe sprach von einer „guten Idee“. Weiter zitiert ihn die dpa so: „Voraussetzung dafür ist allerdings, dass Bund und Länder die damit verbundene Zeit nutzen und sich auf eine Anschlusslösung einigen, die sie auch tragfähig finanzieren.“

Viel Betrieb im Juni am Berliner Hauptbahnhof.
Viel Betrieb im Juni am Berliner Hauptbahnhof.

© Foto: Christoph Soeder/dpa

3. Das 29-Euro-Ticket

Ein dauerhaft verfügbares, günstiges, bundesweit gültiges Monatsticket wäre eine Revolution im öffentlichen Nahverkehr Deutschlands – ob das Ticket nun 69 Euro kostet, oder sogar nur 29, wie es der Verbraucherzentrale Bundesverband (vzbv) fordert.

Vorsitzende Ramona Pop sagte den Zeitungen der Funke Mediengruppe: „Wir fordern eine Fortführung mit einem 29-Euro-Ticket ab September.“ Bei diesem Preis sei die klimafreundliche Mobilität für viele bezahlbar.

Pop, die Mitglied bei Bündnis 90/Die Grünen ist, sieht einen großen Vorteil in der Vereinfachung, die ein 29-Euro-Ticket mit sich bringen würde. Kund:innen müssen dann nicht erst das Tarifsystem verstehen, bevor sie in Bus und Bahn steigen. Allerdings müsse vor allem im ländlichen Raum das Verkehrsangebot ausgebaut werden. „Der Abbau von Bahnstrecken in den vergangenen Jahrzehnten war eine Fehlentscheidung.“

4. Das 365-Euro-Jahresticket

Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) spricht sich für ein bundesweit gültiges Ticket aus, das 365 Euro im Jahr kostet und direkt ab 1. September gilt. Es soll auch monatsweise gekauft werden können, aus dem Neun-Euro-Ticket würde damit ein ca. 30 Euro teures Angebot werden.

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Für Menschen mit niedrigem Einkommen sieht der BUND ein Ticket vor, das vergleichbar günstig ist wie das Neun-Euro-Ticket.

Zur Finanzierung verweist der BUND unter anderem auf den Abbau klimaschädlicher Subventionen im Verkehrsbereich, wodurch jährlich mehr als 30 Milliarden Euro Steuergeld eingespart werden könnten.

5. Das Kilometer-Modell: Der Handy-Tarif unter den Bus- und Bahn-Monatstickets

Bei vielen Handy-Tarifen ist pro Monat ein bestimmtes Volumen an Daten inkludiert, das ohne Aufpreis und Drosselung verbraucht werden kann. Der Verkehrswissenschaftler Klaus Bogenberger hat in der bayerischen TV-Sendung „Sonntags-Stammtisch“ ein ähnliches Modell für den öffentlichen Nahverkehr vorgeschlagen.

Kund:innen könnten dann zum Beispiel 200 Kilometer mit dem ÖPNV zu einem Preis von 20 Euro buchen. Die Abbuchung soll direkt übers Handy erfolgen, was technisch heute möglich sei. Gedruckte Tickets seien aber ebenfalls möglich.

6. Eine Nummer kleiner: Das Monatsticket auf Bundesland-Ebene

Klaus Bogenberger hat außerdem vorgeschlagen, günstige Monatskarten für den Bereich ganzer Bundesländer anzubieten. Sinnvoll sei demnach ein 70-Euro-Ticket nach dem Vorbild von Österreich, das dann zum Beispiel in ganz Bayern oder der Region Berlin-Brandenburg gilt.

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Dieses Angebot könne auch als 365-Euro-im-Jahr-Ticket gestaltet werden, womöglich auch nur für bestimmte Gruppen wie Schüler:innen, Studierende, Azubis und ältere Menschen. Zum Vergleich: Ein jährlich bezahltes BVG-Abo im Berliner Tarifbereich AB kostet derzeit 728 Euro.

Aus dem Verkehrsministerium Niedersachsen kommt die Idee, dass sich die norddeutschen Bundesländer zusammenschließen und ein günstiges Monatsticket für die ganze Region anbieten. Diese Maßnahme sei vorstellbar für das Szenario, in dem keine bundesweit gültige Anschlussregelung gefunden wird. Konkreter wurde die Idee bisher nicht dargelegt.

7. Eine Nummer größer: Der kostenlose ÖPNV

Noch einfacher für alle Kund:innen wäre es, den Zugang zum öffentlichen Personennahverkehr komplett kostenlos zu machen. Der radikale Vorschlag wird von der Partei Die Linke vertreten, die behauptet, dass sich diese Vision innerhalb von fünf Jahren umsetzen ließe. Finanziert werden soll das Projekt unter anderem durch den Abbau klimaschädlicher Subventionen für Flugverkehr und Dienstwagen.

Angesichts der aktuellen Mehrheiten im Bundestag, wo die Linke als kleinste Fraktion nur 39 Abgeordnete hat, ist eine baldige Umsetzung jedoch unwahrscheinlich.

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