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Das Geschäft rollt wieder an. An diesem Donnerstag legt die Lufthansa ihren ersten Zwischenbericht für das laufende Jahr vor. Das Unternehmen fordert derweil von der Politik, einen verlässlichen Fahrplan für das Hochfahren des Flugverkehrs vorlegen.

© Christophe Gateau/dpa

Lufthansa-Vorständin im Interview: „Für private Reisen gibt es einen Nachholbedarf“

Auch im ersten Quartal macht die Lufthansa Milliarden Verluste. Christina Foerster über den Neustart des Flugverkehrs, digitale Impfnachweise und Klimaschutz.

Der staatlich gestützte Lufthansa-Konzern bleibt wegen der Corona-Krise tief in der Verlustzone. Das Unternehmen machte im ersten Quartal dieses Jahres bei einem um 60 Prozent reduzierten Umsatz einen Verlust von 1,05 Milliarden Euro, wie es am Donnerstag in Frankfurt berichtete. Der MDax-Konzern zeigte sich damit 2021 aber deutlich stabiler als zu Beginn der Corona-Krise im ersten Quartal des Vorjahres, das man mit einem doppelt so hohen Verlust von 2,12 Milliarden Euro abgeschlossen hatte.

Hier spricht die Lufthansa-Vorständin Christina Foerster über die aktuellen Herausforderungen der Airline. Sie ist seit Januar 2020 Mitglied des Vorstandes der Lufthansa. Als Chief Customer Officer verantwortet sie die Bereiche Customer, IT und Corporate Responsibility.

Frau Foerster, noch rollt die dritte Corona- Welle durch Europa, die Kanzlerin warnt vor Reisen. Sollten wir alle nicht noch warten mit dem Fliegen?
Nach über einem Jahr Pandemie ist ein solches Schwarz-Weiß-Denken der falsche Weg. Wir brauchen pragmatische Lösungen. Auf Reisen ganz zu verzichten, geht an der Realität vieler Menschen und der Wirtschaft vorbei. Der Schlüssel für sicheres Reisen in Corona-Zeiten ist eine konsequente Teststrategie. Seit dem letzten Sommer wissen wir, auch durch Zahlen des Robert-Koch-Instituts, dass Fliegen an sich kein Pandemietreiber ist. Es hängt stets vom individuellen Verhalten und den Umständen am Zielort ab. Deshalb plädiere ich für risikobasierte Ansätze.

Seit Anfang April sind Tests Pflicht bei Flugreisen nach Deutschland. Halten sich alle Passagiere daran?
Airlines und Fluggäste haben viel Flexibilität bewiesen, die Umstellung hat insgesamt gut funktioniert. Vor allem in Urlaubsregionen wie Mallorca, wo es viele Testmöglichkeiten gibt. Grundsätzlich aber macht uns die oft sehr kurzfristige Einführung neuer Reiseregeln das Leben schwer. Die Politik sollte einen verlässlichen Fahrplan für das Wiederanlaufen des Flugverkehrs vorlegen. Darauf warten wir ebenso wie unsere Kunden. In unseren Service-Centern ist jeder zehnte Anruf gerade eine Nachfrage zu den verwirrenden Reiseregeln. Pauschale Quarantänevorgaben sollten entfallen, Teststrategien etabliert und Reiserestriktionen für geimpfte Personen aufgehoben werden. Wir hoffen, dass die Impfgeschwindigkeit steigt.

Die EU arbeitet am grünen Impfpass, die Lufthansa testet auch Anwendungen wie den IATA Travel Pass, der negative Tests oder Impfungen digital erfasst. Wie viele Apps brauchen Passagiere künftig?
Die meisten Apps bieten die Möglichkeit, vertrauenswürdige Test- oder Impfnachweise zu hinterlegen. Getestet oder geimpft – ich kann anzeigen, dass ich Corona-negativ bin. Aktuell verlangen über 100 Staaten negative Testergebnisse vor Einreise, Ähnliches erwarten wir künftig für Impfnachweise. Momentan ist das Angebot noch sehr breit, viel wird ausprobiert. Das macht es für die Kunden unnötig kompliziert, insofern wünschen wir uns bald globale Standards. Als Erstes brauchen wir in Europa einheitliche Regeln, denn der Flickenteppich schwächt die EU im globalen Wettbewerb. Der grüne Impfpass sollte rasch einheitlich eingeführt werden. Damit wird das Reisen zumindest in Europa einfacher.

In Deutschland sind digitale Tools in der Pandemie eher die Ausnahme …
Wir sind froh, dass es das deutsche Einreisedokument inzwischen auch digital gibt, nachdem es lange ein Papierformular war. Lufthansa nutzt seit Langem digitale Prozesse, um Fliegen einfacher und komfortabel zu machen. In der Krise hat sich das noch verstärkt. Andererseits können viele Passagiere den Online-Check-in aktuell nicht nutzen, weil so viele Dokumente vor Abflug überprüft werden müssen. Wir bieten ihnen jetzt die Möglichkeit, kurz vor ihrem Flug die nötigen Dokumente hochzuladen.

Christina Foerster ist seit Januar 2020 Mitglied des Vorstandes der Lufthansa.
Christina Foerster ist seit Januar 2020 Mitglied des Vorstandes der Lufthansa.

© promo

Wenn auf lange Sicht alle geimpft sind …
… nicht erst auf lange Sicht, hoffe ich! Wir sehen in anderen Ländern, etwa in den USA, wo das Impfen schneller geht, dass die Menschen wieder reisen ...

… wie wird sich dann das Reisen durch die Pandemie dauerhaft geändert haben?
Das bewusste Reisen, auch die Frage, welche Geschäftsreise wirklich nötig ist, wird bleiben. Das werden viele Menschen genauer hinterfragen. Andererseits sind selbst Digital Natives inzwischen Zoom-müde. Der menschliche Austausch fehlt. Insofern wird es hier auch einen Nachholbedarf geben. Das gilt erst recht für private Reisen.

Und doch sind Geschäftsreisen vorbei, oder?
Nein. Die Krise hat uns gezeigt, dass Meetings auch remote machbar sind. Sie hat uns aber auch vor Augen geführt, wo die Grenzen liegen. Vieles passiert am Rande von Konferenzen, im persönlichen Gespräch. Nicht alles geht aus der Ferne.

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Wenn die Reisebeschränkungen fallen …
… fliegen die Menschen auch wieder.

Dann steigen auch die Emissionen. Die Lufthansa will den CO2-Ausstoß bis 2030 halbieren. Wie genau?
Wir setzen auf einen breiten Mix an Instrumenten. Wir erneuern unsere Flotte, das ist ein großer Hebel. Neue Flugzeuge sind im Schnitt 25 Prozent effizienter. Wir entwickeln Tools zum CO2-Ausgleich weiter und engagieren uns für nachhaltige Kraftstoffe. Hier steckt die Marktentwicklung noch in den Kinderschuhen. Die Preise für alternative Kraftstoffe sind bis zu zehnmal höher als die von herkömmlichem Kerosin. Deswegen braucht es für ihre Industrialisierung langfristige politische Impulse und einen fairen Wettbewerbsrahmen, damit hier mehr produziert werden kann. Nachhaltigkeit erreichen wir zum großen Teil mit technischen Lösungen, da sind wir stark, das ist Teil unserer DNA. Unser Verantwortungsgefühl bringen wir täglich in unseren Betrieb ein, etwa durch Plastikvermeidung oder Reinigungsverfahren von Triebwerken, die den Kerosinverbrauch senken. Auch mit solchen Ideen wollen wir es schaffen, bis 2050 klimaneutral zu wirtschaften. Am Boden haben wir uns das bis 2030 vorgenommen.

Mit klimafreundlichem Kraftstoffen zu fliegen ginge schon heute …
... aber nur begrenzt, da es weltweit schlicht nicht genügend nachhaltigen Kraftstoff gibt. Mit unserem Programm Compensaid können Kunden nicht nur klassisch kompensieren, sondern mit alternativen Kraftstoffen bereits heute CO2-neutral fliegen. Dafür interessieren sich auch viele Unternehmen, es hilft ihnen dabei, ihre Nachhaltigkeitsziele umzusetzen. Hier bieten wir maßgeschneiderte Lösungen an.

Und wie sieht es mit Privatreisenden aus?
Ihr Engagement ist enorm wichtig. Beim Klimaschutz teilen wir die Verantwortung mit der Politik und den Kunden. Wir haben Compensaid in unsere Buchungsprozesse und in die Miles-and-More-App integriert. Das macht die Nutzung einfacher. Bis alternative Kraftstoffe in der Breite verfügbar sind, spielt hochwertige Kompensation eine zentrale Rolle. Und das heißt mehr als Bäume pflanzen. Es gibt viele zertifizierte Klimaprojekte. Wir wollen unseren Fluggästen künftig noch greifbarer machen, was mit ihrem Geld tatsächlich passiert, mit welchen Projekten wir uns gemeinsam konkret für Umwelt und Zukunft engagieren.

Felix Wadewitz

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