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Enorme Herausforderung. Die Schäden der Hochwasserkatastrophe zu beheben, wird der Bahn viel abverlangen.

© Thomas Frey/dpa

Klimaretter als Flutopfer: Die Deutsche Bahn steht vor einem langen Wiederaufbau

Verkehrsminister Andreas Scheuer verspricht eine rasche Reparatur von Schienen und Straßen. Doch die Schäden an der Verkehrsinfrastruktur sind enorm.

Berlin - In dem Stellwerk ist ein schrilles Warnsignal zu hören. Ein Kameraschwenk zeigt rote Regionalzüge, die mitten in einem Fluss stehen. Das Video aus dem Eifelstädtchen Gerolstein macht am Donnerstag bei Twitter die Runde. Viel geteilt werden auch Bilder der Autobahn A1 bei Leverkusen. Der Starkregen hat sie in einen Flusslauf verwandelt. Eine Luftaufnahme zeigt einen Regionalzug, der seit Mittwoch im Bahnhof Kordel bei Trier feststeckt. Umgeben vom Wasser des plötzlichen extrem breiten Flüsschens Kyll.

Als Deutschland am Donnerstagmorgen gewahr wird, dass sich in Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz eine Flutkatastrophe ungekannten Ausmaßes abgespielt hat, gehören die Bilder zu den ersten ikonischen Aufnahmen. Sie zeigen, wie sehr die Überschwemmungen auch die Verkehrsinfrastruktur des Landes getroffen haben. In der Eifel, aber auch im Rheinland, einer der am dichtesten besiedelten und wirtschaftsstärksten Regionen Deutschlands.

Am Freitag schickt Enak Ferlemann, der parlamentarische Staatssekretär im Bundesverkehrsministerium, einen ersten Überblick an die Mitglieder des Verkehrsausschusses. Im Autobahnnetz sind demnach vor allem die A1 zwischen der Eifel und Köln sowie weitere Autobahnen südwestlich von Köln stark betroffen. Es gebe schwere Bauwerksschäden durch Unterspülungen und Böschungsabrutsche. Doch die Bestandsaufnahme läuft noch. „Eine Aussage über das Ausmaß aller Schäden kann zum jetzigen Zeitpunkt noch nicht getroffen werden“, teilt die Autobahn GmbH des Bundes am Sonntag mit.

Wie es im gesamten Straßennetz aussieht, ist bisher nicht einmal ansatzweise klar. Die Schäden dürften allerdings gewaltig sein. „Wenn an der Ahr von 35 Brücken wohl 20 zerstört sind, dann kann man jetzt schon die Riesenaufgabe, die vor uns steht, erahnen", sagt Bundesverkehrsminister Andreas Scheuer (CSU) der „Passauer Neuen Presse“.

Die Deutsche Bahn liefert am Sonntag ein erstes Lagebild für Nordrhein-Westfalen und Rheinland-Pfalz. Massive Beschädigungen wurden an 80 Bahnhöfen und Gleisen auf mehr als 600 Kilometern Länge festgestellt. Das Hochwasser hat auch Weichen, Signaltechnik, Stellwerken, Brücken und Fahrzeugen des Regional- und Güterverkehrs stark zugesetzt. An einem umfassenden Lagebild werde mit Hochdruck gearbeitet, erklärt die Bahn. Vielerorts muss das Wasser noch ablaufen. 2000 Mitarbeitende hat die DB AG seit Mittwoch in den vom Unwetter betroffenen Regionen im Einsatz, um Schlamm und Geröll abzutragen und erste Reparaturen zu beginnen.

Der Klimaretter Deutsche Bahn ist zum Opfer einer Katastrophe geworden, die viele Beobachter:innen auch mit dem Klimawandel in Verbindung bringen. Erst Mitte Juni hatte das Potsdam-Institut für Klimafolgenforschung (PIK) dargelegt, dass sich die Deutsche Bahn wegen des Klimawandels auf mehr Starkregen-Ereignisse einstellen muss. Als Anpassung empfehlen Wissenschaftler:innen mehr Versickerungsflächen. Doch diesen Landschaftsumbau kann die Bahn alleine kaum bewältigen.

Für den Wiederaufbau ruft Verkehrsminister Andreas Scheuer am Montag eine Task Force zusammen. Neben der Deutschen Bahn nehmen daran die Autobahn GmbH und Mobilfunk-Netzbetreiber teil. „An Geld wird es hier nicht scheitern. Ich habe unsere Krisenstäbe beauftragt, schnell ein Lagebild zu erstellen und zu schauen, wo wir als erstes ranmüssen und es freie Baukapazitäten gibt“, sagt Scheuer zu „Bild“. Den weiteren Handlungsbedarf sollen nun Arbeitsgruppen ermitteln und priorisieren.

Zuvor hat auch Finanzminister Olaf Scholz (SPD) ein Milliardenprogramm für den Wiederaufbau der Infrastruktur versprochen. Am Mittwoch will das Bundeskabinett über die Verteilung der Gelder entscheiden.

Die Deutsche Bahn kämpft derweil mit der Bewältigung der akuten Krise. Zum Start der neuen Arbeitswoche fallen allein in Nordrhein-Westfalen noch immer rund 30 Nahverkehrs-Linien teilweise oder vollständig aus. Der Fernverkehr normalisiert sich dagegen langsam wieder. So fahren ICE-Züge aus Berlin wieder nach Düsseldorf und Köln und auch Fahrten nach Brüssel sind wieder möglich. Reisende müssten sich dennoch auch in den nächsten Tage weiter auf Verspätungen im Nah- und Fernverkehr einstellen, teilt der Konzern mit.

Angespannt ist Lage nach wie vor im Güterverkehr. Im Rangierbahnhof und den Cargo-Werksanlagen in Hagen kämpfen Mitarbeiter:innen der Bahn seit Tagen darum, die Infrastruktur zu schützen und Instand zu setzen. Auch das Container-Terminal in Wuppertal ist weiter dicht.

Internationale Verbindungen in die Benelux-Länder seien aktuell nur eingeschränkt möglich, teilt DB Cargo, die Gütertochter der Deutschen Bahn, am Sonntag mit. Über Aachen kamen in den letzten Tagen keine Züge vom wichtigen Seehafen Antwerpen nach Deutschland. Sie werden, wenn möglich, über die Niederlande umgeleitet. Nachdem es am Wochenende auch in Oberbayern, Österreich und in der Sächsischen Schweiz zu Starkregen kommt, kämpft der europäische Güterverkehr mit weiteren Problemen. An der Elbe ist die wichtige Bahnverbindung von Bad Schandau nach Decín in Tschechien gesperrt. Und auch am Brennerzulauf kommt es wegen des Hochwassers des Inns zu Störungen.

Im Rheintal waren in den vergangenen Tagen nur die Gleise am linken Rheinufer gesperrt. Auf der für den europäischen Güterverkehr zentralen rechtsrheinischen Strecke lief der Verkehr weitgehend normal. Das hat die Situation bisher trotz aller Probleme merklich entspannt.

Das Hochwasser sorgt seit fast einer Woche auch für Sperrungen in der Binnenschifffahrt auf dem Rhein. Nachdem die Pegel im Rhein-Ruhr-Gebiet übers Wochenende wieder sanken, herrschen am Mittel- und Oberrhein weiter Höchststände, bei denen der amtliche „höchste schiffbare Wasserstand“ überschritten wird. Mit rund 8,40 Metern erreichte das Hochwasser in Speyer in der Nacht von Samstag auf Sonntag seinen Höhepunkt. Die Schifffahrt in den Abschnitten von Iffezheim bis Germersheim und von Germersheim bis Mannheim-Rheinau sei derzeit eingestellt, erklärt eine Sprecherin des Wasserstraßen- und Schifffahrtsamt Oberrhein am Sonntag auf Anfrage.

Von größeren Schäden an den bis zu 135 Metern langen Binnenschiffen sei nicht auszugehen, berichtet der Bundesverband der Binnenschifffahrt. Während der Sperrzeiten würden die Schiffe in Häfen und an Liegestellen festmachen.

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