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Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD).

© Kim Kyung-Hoon/Pool/Reuters

Internetkonzerne im Visier: G 20 wollen bis Ende 2020 globale Mindeststeuer festlegen

Google und Facebook zahlen deutlich weniger Steuern als traditionelle Industriebetriebe. Die G-20-Gruppe will nun das globale Steuersystem umkrempeln.

Die Top-Wirtschaftsmächte haben den Weg für eine Neuregelung des internationalen Steuersystems für Unternehmen bereitet. Angesichts legaler Steuerschlupflöcher für Internetriesen wie Google und Facebook einigten sich die G20-Länder auf eine gemeinsame Erklärung zur stärkeren Besteuerung von Großkonzernen.

„Wir werden unsere Anstrengungen für eine konsensbasierte Lösung mit einem finalen Bericht im Jahr 2020 verdoppeln“, hieß es am Sonntag beim Treffen der G20-Finanzminister der wichtigsten Industrie- und Schwellenländer im japanischen Fukuoka. Er sehe ein hohes Maß an Bereitschaft, zusammenzuarbeiten, sagte EU-Wirtschaftskommissar Pierre Moscovici. „Noch vor einer Weile hätten nur wenige sich das so vorstellen können“.

Konkret soll nun bis Ende des kommenden Jahres eine globale Mindeststeuer festgelegt werden. Zudem sollen staatliche Besteuerungsrechte neu verteilt werden. Sie dürften sich künftig weniger am Ort des jeweiligen Firmensitzes orientieren, sondern dort angesiedelt werden, wo Kunden beziehungsweise Nutzer von Dienstleistungen sitzen.

Hintergrund ist, dass vor allem Internetriesen wie Google und Facebook mit den geltenden Steuerregeln, die im Prinzip aus dem vergangenen Jahrhundert stammen, kaum erfasst werden können. Sie zahlen deutlich geringere Steuern als klassische Industriebetriebe. Noch zu Beginn des Jahrtausends gehörten nur wenige Digitalfirmen zu den weltweit teuersten Unternehmen. Mittlerweile liegen unter anderem Microsoft, Apple und die Google-Mutter Alphabet weit vorn.

In kurzer Zeit habe nun eine große Bewegung stattgefunden, sagte Bundesfinanzminister Olaf Scholz (SPD). Zudem wolle er es zum zentralen Thema der deutschen EU-Ratspräsidentschaft 2020 machen. Dies sei der Zeitpunkt, um dann dafür zu sorgen, dass die internationalen Vereinbarungen zu europäischem Recht werden.

Die EU-Staaten hatten im vergangenen Jahr versucht, eine europaweite Digitalsteuer einzuführen. Dies war aber vor allem am Widerstand Irlands, das unter anderem Facebook in Europa beherbergt, sowie der skandinavischen Staaten gescheitert.

Vorschlag zur Mindestbesteuerung

Deutschland und Frankreich hatten einen Vorschlag zur Mindestbesteuerung eingebracht. Vor allem Schwellenländer wie Indonesien und Indien forderten bei dem Treffen hingegen, das in sämtlichen Branchen - nicht nur bei Digitalfirmen - der Ort der wirtschaftlichen Tätigkeit deutlich wichtiger werden und Märkte besteuert werden sollten.

Bis 2020 soll nun eine Gesamtlösung mit allen Details ausgearbeitet werden. Weltweit agierende Konzerne, die Wege zur Steuervermeidung gefunden hätten, hätten es künftig schwerer, sagte Scholz weiter. „Das ist auch gut für die Demokratie.“

Während des Treffens hatte Scholz bereits betont, dass die Regelung zur Mindeststeuer zusätzliche Einnahmen bringen werde, auch für Deutschland. Die Höhe sei noch unklar. Zudem betonte er, dass Deutschlands Interessen als Exportnation auch bei der Frage der Besteuerungsrechte gewahrt werden müssten. „Wenn neue Regelungen zur Besteuerung der digitalen Wirtschaft gefunden werden - und davon kann man jetzt sicher ausgehen -, werden wir auch erreichen, dass es keine sind, die unsere Steuern, die wir heute einnehmen, gefährden.“

Reform der Welthandelsorganisation

Nach harten Verhandlungen verständigten sich die G20 auch auf eine Abschlusserklärung. Man habe „hart gerungen um eine gemeinsame Position angesichts der Spannungen und der Konflikte, die es im Welthandel gibt“, sagte Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) am Sonntag zum Ende zweitägiger Verhandlungen der Minister für Handel und Digitalwirtschaft in der japanischen Forschungsstadt Tsukuba. Es sei „gelungen, einen Bruch zu vermeiden“.

Altmaier sprach von einem Kompromiss. So einigte man sich auf die Notwendigkeit einer Reform der Welthandelsorganisation (WTO). Bei Fragen wie einer Modernisierung des Streitschlichtungsverfahrens der WTO sei eine „komplette Lösung“ dagegen nicht möglich gewesen. In Handelsfragen gebe es zwischen den G20-Staaten Unstimmigkeiten, erklärte Japans Außenminister Taro Kono. Viele Minister hätten ihre ernsten Sorgen über die gegenwärtigen Handelsspannungen zum Ausdruck gebracht, heißt in einer Erklärung des japanischen G20-Vorsitzes.

So fehlt in der gemeinsamen Abschlusserklärung der Minister für Handel und Digitalwirtschaft eine Verpflichtung zum Kampf gegen Protektionismus. Es sei gelungen, den fairen, transparenten und stabilen Welthandel sowie die Rolle der WTO zu unterstreichen, zeigte sich Altmaier erleichtert. „Außerdem, dass wir unsere Märkte offen halten wollen“, sagte Altmaier.

Altmaier sieht wichtiges Statement

„Das ist noch keine Lösung für die ungeklärten Handelsfragen zwischen China und den USA, zwischen Europa und den USA. Aber es ist angesichts wachsenden Protektionismus ein wichtiges Statement, das wir gemeinsam erreicht haben.“ Er sprach von einer „guten Basis“ für das Treffen der Staats- und Regierungschefs der G-20-Länder am 28. und 29. Juni in der japanischen Stadt Osaka.

Erfreut zeigte sich Altmaier über die erzielten Ergebnisse im Bereich der digitalen Wirtschaft. Die Top-Wirtschaftsmächte einigten sich erstmals auf Prinzipien für den Umgang mit Künstlicher Intelligenz, und zwar ausdrücklich unter Bezugnahme auf entsprechende Empfehlungen der OECD. Wer KI (Künstliche Intelligenz) einsetze oder entwickele „sollte die Rechtsgrundsätze, Menschenrechte und demokratische Werte respektieren“, heißt es in der gemeinsamen Abschlusserklärung.

Zum Thema Sicherheit in der Digitalwirtschaft verständigte man sich darauf, dass es für alle Beteiligten und nicht nur für Regierungen wichtig sei, Sicherheitslücken und Schwachstellen anzugehen. Um Vertrauen in KI-Technologien zu fördern und das volle Potenzial der Technologien auszuschöpfen, fühle sich die Staatengemeinschaft zu einem Umgang mit KI verpflichtet, bei dem der Mensch im Mittelpunkt stehe, hieß es. KI-Systeme „sollten robust, gesichert und sicher“ während der gesamten Nutzungsdauer sein und dürften „keine unzumutbaren Sicherheitsrisiken“ darstellen, so eines der Prinzipien. (dpa)

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