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Geschätzte Geselligkeit. Die Sehnsucht danach steht im Widerspruch zur steigenden Unsicherheit angesichts der Inzidenzen.

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Gastgewerbe vor schweren Monaten: Mit 2G zu Tisch

Das Gastgewerbe ist von neuen Corona-Schutzmaßnahmen wieder als Erstes betroffen. Ob die wirken, hängt von den Kontrollen ab.

Der Landkreis Sächsische Schweiz-Osterzgebirge ist inzwischen auf Platz drei gelandet: Mit einer Inzidenz von 1031 liegt die Region um Pirna nur noch knapp hinter Rottal-Inn und Miesbach. In Sachsen gilt seit dieser Woche die 2G-Regel, mit der vom kommenden Montag an auch Berlin und Brandenburg die Coronaverbreitung bremsen wollen. Der Besuch von Gaststätten, Hotels oder Kinos ist dann nur noch Geimpften oder Genesenen erlaubt. Das hat die Politik beschlossen. Doch was bewirkt eine Vorschrift, die nicht kontrolliert wird?

Zusätzliche Streifen in Sachsen

Die Landesregierung in Sachsen hat den Landkreisen im Freistaat per Erlass aufgegeben, mit zusätzlichen Kontrollteams die Einhaltung von 2G zu überwachen. Die Streifen setzen sich zusammen aus jeweils einem Mitarbeiter des Gesundheits- und des Ordnungsamtes sowie einem Polizisten. In der Sächsischen Schweiz-Osterzgebirge sind nach Angaben von Kreissprecher Thomas Kunz zehn zusätzliche Kontrollgruppen seit dieser Woche unterwegs. Und das funktioniert so: Das Team geht in eine Gaststätte und lässt sich vom Betreiber das Hygienekonzept erläutern. Die Nicht-Benutzung von Masken ist bislang der auffälligste „Tatbestand“. Dass Gäste ihren Covid-Impfpass vorzeigen müssen, gehört Kunz zufolge nicht zur Aufgabe des Kontrollteams. Dafür ist der Kneipen- oder Kinobetreiber zuständig. Die Behördenvertreter könnten natürlich auch „zivil“ und mithin unerkannt in eine Einrichtung gehen und dann beobachten, ob der Betreiber seine Gäste auf 2G kontrolliert, meint Kreissprecher Kunz. Wie überall im Land hoffen auch die Politiker in Pirna auf die Einsicht der Menschen. Zumal es bereits an einigen Tagen in den vier Krankenhäusern des Landkreises keine freien Intensivbetten mehr gab.

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 Die Ehrlichen sind die Dummen

Wieder einmal, so konstatiert der Branchenverband Dehoga, ist das Hotel- und Gaststättengewerbe als Erstes von verschärften Bedingungen betroffen. Dehoga-Chefin Ingrid Hartges appelliert an alle Betriebe, die neuen Schutzmaßnahmen einzuhalten. „Dazu gehört insbesondere die konsequente Zugangskontrolle.“ Damit die Ehrlichen nicht die Dummen sind, die sich mit dem Unverständnis ihrer Gäste rumschlagen müssen, wünscht sich auch der Dehoga mehr Kontrollen. Denn wenn sich alle an die Vorschriften halten, „erhöht das die Akzeptanz der Maßnahmen bei Unternehmern wie Gästen“, sagt Hartges und erinnert an die Konsequenz „empfindlicher Bußgelder“. Sofern denn überhaupt kontrolliert wird. In Pirna gibt es nach der ersten Woche noch keine Hinweise auf mit Bußgeldern geahndete Verstöße gegen 2G.

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Hier und da sind in den ersten Coronawellen sogar Gaststätten geschlossen worden. Aber das waren Ausnahmen. Auch in Hamburg, wo es bereits seit Wochen ein Optionsmodell gibt: Gastronomen können zwischen 2G mit geringeren Abständen und gelockerter Maskenpflicht oder 3G wählen. Fast alle Betriebe sind bei 3G geblieben – unter anderem wegen des eigenen Personals, das in der Regel keineswegs komplett geimpft ist. In Berlin heißt es dazu: „Unter der 2G-Bedingung gilt: Personal, welches Kundenkontakt hat, muss geimpft, genesen oder maximal 24 Stunden vorher getestet sein.“ Das bedeutet also einen täglichen Test für die Nicht-Geimpften.

Der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler spricht von einem "Verwirrspiel" zulasten der Beschäftigten im Gastgewerbe.
Der NGG-Vorsitzende Guido Zeitler spricht von einem "Verwirrspiel" zulasten der Beschäftigten im Gastgewerbe.

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"Die Politik drückt sich"

Für Guido Zeitler, den Vorsitzenden der Gewerkschaft Nahrung, Genuss, Gaststätten NGG, sind an dieser Stelle noch ein paar Fragen offen. Er spricht von einem „Verwirrspiel“ rund um die erforderlichen Testungen in den Ländern mit 2G- Pflicht. Es müsse dringend geklärt werden, wer die Tests zahlt und ob während der Arbeitszeit getestet werde. Der Politik wirft der Gewerkschafter vor, mit 2G „den Konflikt um eine Impfpflicht in die Betriebe zu tragen“. „Die drücken sich“, sagte Zeitler dem Tagesspiegel. In Hamburg etwa überlasse man die Entscheidung, ob 2G oder 3G – und damit auch den Druck auf die Beschäftigten, sich impfen zu lassen – den Arbeitgebern. „Das ist nicht in Ordnung“, findet der NGG-Vorsitzende.

Schlechte Aussichten auf das Weihnachtsgeschäft

Mit Blick auf das Jahresabschlussgeschäft in der Weihnachtszeit und um den Jahreswechsel ist 2G für das Gast- und Freizeitgewerbe eine Bedrohung. Veranstaltungen werden bereits storniert, weil Ungeimpfte dabei sind, sagt Dehoga-Chefin Hartges. Dabei ist der Dezember für viele Betriebe der wichtigste Monat. Nach der letzten Umfrage des Dehoga vor zehn Tagen – und damit vor den ersten 2G-Beschlüssen – freute sich nur knapp ein Fünftel der Gastronomen und Hoteliers auf das Weihnachts- und Silvestergeschäft. Fast jeder Zweite (47,9 Prozent) „blickt negativ oder sogar sehr negativ auf die letzten Wochen des Jahres“, teilte der Branchenverband mit. Zwei Drittel der Betriebe praktizierten Anfang November die 3G-Regel, immerhin schon damals neun Prozent 2G – ergab jedenfalls die Umfrage des Dehoga.

Staatliche Hilfen wirken

Allein aufgrund der massiven staatlichen Hilfen ist die Gastbranche mit ihren 200 000 Betrieben und rund zwei Millionen Beschäftigten ohne ein Pleitewelle durch die bisherige Coronazeit gekommen. Die Geschäftszahlen sind immer noch erbärmlich: In den ersten neun Monaten dieses Jahr lag der Branchenumsatz um fast 30 Prozent unter dem von 2019. Der Ruf nach dem Staat ist auch deshalb wieder lauter geworden. Neben der bereits angekündigten Verlängerung der Kurzarbeiterregelung bis März 2022 wünscht sich der Dehoga auch die Verlängerung der Überbrückungshilfe III Plus bis zum 31. März. Nach jetzigem Stand läuft das Programm, das staatliche Unterstützung bei einem Umsatzrückgang um mindestens 30 Prozent vorsieht, Ende des Jahres aus. Die nächste Bundesregierung wird sich bald mit dem Thema befassen müssen. Noch-Wirtschaftsminister Peter Altmaier ist für die Verlängerung.

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