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Am häufigsten betroffen war Augen-Make-up, gefolgt von Lippenstiften und Lipgloss.

© imago images/Addictive Stock

Falsche Versprechungen: Greenpeace findet Mikroplastik in vielen Kosmetika

Drei von vier Kosmetikprodukten enthalten laut einem Greenpeace-Report Mikroplastik. Die Organisation und die Grünen fordern jetzt ein Verbot.

Im Durchschnitt nimmt der Mensch bis zu fünf Gramm Plastik pro Woche auf. Diese Menge entspricht in etwa dem Gewicht einer Kreditkarte und entstammt Nahrungsmitteln, Wasser, der Luft. Inwieweit auch Kosmetika dabei eine Rolle spielen, hat Greenpeace nun genauer untersucht. In drei von vier Produkten wurde die Organisation fündig.

Greenpeace untersuchte zunächst die veröffentlichten Inhaltsstoff-Listen der Unternehmen. Mit dem Ergebnis: In 502 von 664 Produkten bekannter Marken waren Kunststoffe enthalten, wie es im Report „Zum Abschminken – Plastik in Kosmetik“ heißt. In etwa einem Viertel handelte es sich dabei um festes Mikroplastik, ansonsten um Plastik in flüssiger, halbfester oder löslicher Form. Am häufigsten betroffen war Augen-Make-up (90 Prozent), gefolgt von Lippenstiften und Lipgloss (73 Prozent), Make-up, Highlighter und schließlich Puder (51 Prozent).

„Die Ergebnisse zeigen, dass Plastik-Inhaltsstoffe ausgerechnet in den Produkten, die mit sensiblen Körperteilen wie Augen und Lippen in Kontakt kommen, häufig enthalten sind und so von Verbraucher:innen eingeatmet oder verschluckt werden können“, heißt es in dem Bericht. Diese Befunde seien beunruhigend, weil es Hinweise darauf gebe, dass Kunststoffe in Form von Mikro- und den noch kleineren Nanopartikeln auch hochselektive Barrieren wie die Blut-Hirn-Schranke und Plazenta überwinden können.

Jedes Unternehmen überlegt sich eigene Regeln

In einem zweiten Schritt wurden elf Kosmetika im Labor genauer analysiert. In vier Produkten waren Polyethylen vorhanden (Highlighter Sephora, Lippenstift Maybelline, Augen-Make-up Kiko und Deborah), in zwei Produkten Polymethylmethylacrylat und in einem Puder von Wycon Nylon-12. Generell waren die Marken mit dem höchsten Anteil an Plastik Maybelline (85 Prozent), Deborah (84 Prozent), Sephora, Wycon und schließlich Lancôme (77 Prozent).

Was L'Oréal zu den Befunden sagt? „Wir engagieren uns seit Jahren dafür, Mikroplastik in den Produkten aller unserer Marken zu eliminieren oder zu reduzieren“, sagt ein Sprecher. Seit Anfang 2020 würden alle abzuspülenden Produkte kein Mikroplastik mehr enthalten. Der schrittweise Austausch in Pflegeprodukten für Gesicht und Körper sei „im Gange“. Auch an alternativen Kosmetikartikeln werde gearbeitet.

Greenpeace kritisiert jedoch, dass Produkte als mikroplastikfrei deklariert werden, obwohl dies nicht stimme. Da es keine offizielle Definition von Mikroplastik gebe, lege jeder Hersteller eigenmächtig fest, was er darunter verstehe und auf welche Produkte sich der freiwillige Verzicht bezieht. Beispielsweise seien fast immer nur feste Plastikpartikel gemeint. „Das grenzt an Verbrauchertäuschung“, findet Viola Wohlgemuth, Greenpeace-Expertin für Konsum und Chemie.

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Der Industrieverband Körperpflege- und Waschmittel IKW verweist im Internet auf mehrere Studien, wonach ein Gesundheitsschaden durch Mikroplastik nicht belegt ist. So hält es das Bundesinstitut für Risikobewertung (BfR) für unwahrscheinlich, dass von der Aufnahme über die Haut oder dem unbeabsichtigten Verschlucken von Teilchen aus Duschgels, Peelings oder Zahnpasta eine Gefahr ausgeht. Da die Teilchen wesentlich größer als ein Mikrometer seien, geht das Institut davon aus, dass sie Haut oder Schleimhäute nicht durchdringen. Allerdings sei für ganz sichere Erkenntnisse mehr Forschung notwendig.

Mikroplastik lässt sich überall in der Natur finden

Über das Abwasser kann Plastik in Flüsse und die Nahrungskette gelangen. Man findet es laut Greenpeace inzwischen überall: im Schnee der Arktis bis hin zu den entlegensten Ecken der Südsee. In der Atemluft, in Getränken, Obst, Fischen – und sogar schon in menschlichem Blut und Gewebe. Der Verband IKW widerspricht: Mikroplastik aus Kosmetik spiele in Gewässern eine untergeordnete Rolle, heißt es. Auch nach Angaben des Umweltbundesamts sind Kosmetika im Verhältnis zu anderen Plastikquellen ein recht geringes Problem.

Für Greenpeace ist der Versuch der Bundesregierung dennoch gescheitert, zusammen mit der Industrie auf freiwilliger Basis Plastik aus Kosmetika zu verbannen. „Sieben Jahre Dialog sind vorbei und die ungeschminkte Wahrheit ist, dass wir uns weiterhin regelmäßig Plastik ins Gesicht schmieren. Sei es in Form von Make-up, Puder oder Lippenstift“, sagt Viola Wohlgemuth. Umweltministerin Svenja Schulze (SPD) müsse ein klares Verbot von Plastik jeder Konsistenz in Kosmetik vorantreiben – auf deutscher und EU-Ebene. Dort wird derzeit aber nur über ein Verbot von festem Mikroplastik in Kosmetikprodukten verhandelt. Der Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) fordert ebenfalls seit Jahren ein Verbot von Kunststoffen in Kosmetika und Körperpflegeprodukten. Die Konsument:innen würden sich dies ebenfalls wünschen.

Auch die Grünen sind für ein strengeres Vorgehen. „Die Bundesregierung darf nicht auf Regelungen der EU warten, sondern muss jetzt handeln: Überfällig ist ein generelles Verbot von Mikroplastik in allen Kosmetikprodukten sowie in Wasch- und Reinigungsmitteln, wie es andere Staaten bereits vorgemacht haben“, sagte Bettina Hoffmann, Sprecherin für Umweltpolitik. „Das muss auch für flüssiges oder gelartiges Mikroplastik gelten, das beispielsweise in Cremes, Lippenstiften oder Haarspray eingesetzt wird.“ Damit sich die Unternehmen dem wirklich beugen, sei eine unabhängige Kontrolle nötig.

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