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Hamsterkäufe nach Pipeline-Hack in den USA: Autofahrer in Charlotte (North Carolina)

© AFP/Logan Cyrus

Update

Energieversorgung in den USA: Pipeline liefert nach Hackerangriff wieder Benzin

Die Hacker-Sabotage an einer wichtigen Pipeline führt im Osten der USA zu Benzin-Knappheit – und Hamsterkäufen. Präsident Biden warnt vor Panik.

Nach Panik-Benzinkäufen nach dem Hackerangriff auf eine US-Pipeline deutet sich eine Entspannung der Lage an: Der Pipeline-Betreiber Colonial nahm am Donnerstag die Versorgung von Kunden mit Treibstoff wieder auf. "Colonial Pipeline hat bedeutende Fortschritte gemacht, unser Pipeline-System sicher neu zu starten", erklärte das Unternehmen. "Die Produktlieferung hat in einer Mehrheit der Märkte begonnen, die wir beliefern."

Bis zu einer Normalisierung der Lage könnten aber noch Tage oder gar Wochen vergehen. Tausenden Tankstellen im Osten der USA ist der Treibstoff ausgegangen. Vor Zapfsäulen haben sich lange Schlangen gebildet, weil Autofahrer Panik-Käufe tätigen.

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Das trieb teils skurrile Blüten: Die Behörden warnten Autofahrer davor, Benzin in Plastiktüten zu füllen, nachdem entsprechende Bilder auf Online-Plattformen zirkulierten. Verkehrsminister Pete Buttigieg sagte, Treibstoff dürfe nur direkt in den Tank oder in zugelassene Behälter gefüllt werden. "Jetzt ist der Moment, vorsichtig und vernünftig zu sein."

Die Verbraucherschutzbehörde CPSC warnte vor potenziell "tödlichen Konsequenzen": "Füllen Sie keine Plastiktüten mit Benzin. Wir wissen, das klingt einfach, aber wenn Menschen verzweifelt sind, denken sie nicht mehr klar."

Biden sieht russische Regierung nicht hinter der Attacke

Auch US-Präsident Joe Biden forderte die Amerikaner auf, nicht in Panik zu verfallen. „Kaufen Sie in den nächsten Tagen nicht mehr Benzin, als Sie brauchen“, sagte Biden am Donnerstag im Weißen Haus. Die Versorgung werde sich in den kommenden Tagen wieder normalisieren und „Panikkäufe werden das nur hinauszögern“, sagte Biden. Schlangen an Tankstellen zu sehen, sei beängstigend, räumte er ein. Das wichtigste sei nun aber, „nicht in Panik zu verfallen“.

Biden sagte, die Pipeline solle bereits am Donnerstag wieder mit voller Kapazität im Einsatz sein, woraufhin sich die Engpässe zum Wochenende oder spätestens Anfang nächste Woche auflösen dürften. Dies sei eine „zeitlich begrenzte Lage“, betonte Biden. Die Pipeline ist für die US-Versorgung von großer Bedeutung, sie transportiert etwa 45 Prozent aller an der Ostküste verbrauchten Kraftstoffe.

Die Kriminellen hinter dem Cyberangriff leben nach Überzeugung der US-Regierung in Russland. Dafür gebe es starke Anhaltspunkte, sagte Biden. Moskau sei aber nicht in den Angriff verwickelt gewesen. „Wir glauben nicht, dass die russische Regierung in diesen Angriff involviert war“, sagte Biden. Die USA hätten Russland aber aufgefordert, gegen die Täter und solche Cyberangriffe und Erpressungsversuche vorzugehen.

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Colonial Pipeline war vergangene Woche Ziel eines Angriffs mit einem Erpressungstrojaner geworden. Die vom Volumen her größte Pipeline der USA, die von Houston im Bundesstaat Texas bis in den Großraum New York führt, wurde deswegen vorübergehend stillgelegt.

Das führte zu Versorgungsengpässen in Bundesstaaten wie Florida, Georgia, Virginia und Maryland. Einige Gouverneure riefen den Notstand aus - was viele Autofahrer aber erst recht zu Hamsterkäufen zu veranlassen schien.

Angesichts der Versorgungsengpässe stieg der Benzinpreis im landesweiten Schnitt erstmals seit 2014 wieder auf mehr als drei Dollar (rund 2,50 Euro) pro Gallone. Für deutsche Verhältnisse wäre das immer noch sehr günstig: Eine Gallone entspricht knapp 3,8 Litern.

"Jetzt kühlen sich die Dinge mit einiger Verbesserung ab", schrieb Patrick De Haan von der spezialisierten Website GasBuddy am Donnerstag im Kurzbotschaftendienst Twitter. Bis zu einer vollständigen Normalisierung der Lage könnten aber Wochen vergehen: "Die Fortschritte könnten langsam sein."

Die US-Behörden haben die Hackergruppe Darkside für den Cyberangriff verantwortlich gemacht. Die Angreifer nutzten eine sogenannte Ransomware. Mit einem solchen Schadprogramm versuchen Hacker, Computersysteme zu sperren oder zu verschlüsseln und von den Nutzern Geld für die Freigabe der Daten zu erpressen.

Colonial zahlte angeblich Millionen an die Erpresser

Knapp eine Woche nach dem Hackerangriff auf die Pipeline sickern Informationen über eine millionenschwere Lösegeldzahlung durch. Einem Bericht der Finanznachrichtenagentur Bloomberg zufolge zahlte die Betreibergesellschaft Colonial osteuropäischen Erpressern fast fünf Millionen Dollar. Das Unternehmen habe den Betrag nur Stunden nach der Attacke in Form einer nicht zurückverfolgbaren Kryptowährung übermittelt, hieß es unter Berufung auf zwei mit dem Vorgang vertraute Personen. Danach hätten die Hacker Colonial ein Hilfsmittel zur Entschlüsselung zur Verfügung gestellt, um das außer Betrieb gesetzte Computersystem wiederherstellen zu können. Doch dieses habe nur langsam funktioniert, daher habe der Pipeline-Betreiber schließlich auf eigene Datensicherungsinstrumente zurückgegriffen. (AFP, dpa, Reuters)

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