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Großer Werbeaufwand: Lidl wirbt in Berlin für den Eco-Score

© Heike Jahberg

Eco-Score wird in Berlin getestet: Was taugt Lidls neues Öko-Label?

Viele Menschen wollen umweltfreundliche Produkte kaufen. Lidl will die Orientierung erleichtern. Doch der Praxistest ist nachhaltig verwirrend.

Wer bei Lidl nachhaltig einkaufen will, braucht gute Augen. Denn der Eco-Score, den der Discounter derzeit in seinen Berliner Filialen testet, ist gar nicht so leicht zu entdecken. Das liegt nicht nur daran, dass es ihn bisher nur für Tee, Kaffee und Milchprodukte gibt. Auch die Auszeichnung selbst ist so dezent, dass man zwei Mal hinschauen muss, um das Nachhaltigkeitslabel zu entdecken. Auf den Packungen selbst findet man nichts, nur am Preisschild gibt es einen Hinweis. Gemessen an dem riesigen Werbeaufwand, den Lidl in der Hauptstadt betreibt, ist die Realität ernüchternd. Nach den großformatigen Plakaten und den Werbeanzeigen in den Zeitungen hätte man einen größeren Wurf erwartet.

Klima als Kaufkriterium: Immer mehr Menschen wollen umweltfreumdliche Produkte.
Klima als Kaufkriterium: Immer mehr Menschen wollen umweltfreumdliche Produkte.

© Getty Images

Dennoch sollte man die Initiative nicht unterschätzen. Der Discounter probiert etwas aus, das in den nächsten Jahren auf EU-Ebene Gesetz werden könnte: eine Nachhaltigkeitskennzeichnung für Lebensmittel. Bis 2024 will die EU-Kommission einen Gesetzesvorschlag vorlegen. Eine Variante wäre der in Frankreich entwickelte und nun von Lidl getestete Eco-Score.

So funktioniert der Eco-Score

Dieser arbeitet mit einer fünfstufigen Skala, von (gutem) grünen A bis hin zu einem (schlechten) roten E. Insofern ähnelt das Klimalabel dem Nutri-Score, der Lebensmittelkäufern sagen soll, wie gesund ein Produkt ist. Da der Eco-Score aber Umwelteigenschaften bewertet, werden Farben und Buchstaben auf Blättersymbole gedruckt. Die Einordnung basiert auf dem PEF (Product Enviromental Footprint), den die EU-Kommission entwickelt hat. Er enthält 16 Kategorien und bildet grundsätzlich eine „solide Basis“ für eine Umweltbewertung, sagt Hyewon Seo vom Umweltbundesamt.

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Doch im Praxistest stiftet der Eco-Score einige Verwirrung. „Warum hat Butter ein ,C’, Joghurt ein ,B’, Kaffee dagegen ein ,D’, wenn wir wissen, dass tierische Lebensmittel große Umweltauswirkungen verursachen?“, wundert sich die Expertin der Umweltbehörde. Völlig rätselhaft ist, warum der fettige griechische Joghurt ein „A“ bekommt, der magerere Bio-Joghurt nur ein „B“. Das könne an weiteren Merkmalen wie etwa der Verpackung liegen, heißt es bei Lidl.

Bio schneidet nicht so gut ab

Überhaupt schneidet Bio nicht so gut ab, wie man erwarten würde, obwohl es Bonuspunkte für die Öko-Landwirtschaft gibt. Doch die 15 Pluspunkte für die Bio-Herkunft reichen nicht für große Sprünge, weil der Unterschied zwischen den jeweiligen fünf Kategorien 20 Punkte beträgt. „Das System hat leider noch Schwächen“, kritisiert Anne Markwardt, Lebensmittelexpertin des Bundesverbands der Verbraucherzentralen. Der Algorithmus, der hinter der Einstufung steht, sei schwer zu durchschauen und bilde Nachhaltigkeitsaspekte der Lebensmittelproduktion aktuell noch nicht ausreichend ab. „So kann das nicht bleiben“, meint die Verbraucherschützerin.

Wird Butter zu positiv bewertet? Das Umweltbundesamt hat Zweifel an der Einstufung.
Wird Butter zu positiv bewertet? Das Umweltbundesamt hat Zweifel an der Einstufung.

© Heike Jahberg

"So kann das nicht bleiben", sagen Verbraucherschützer

Dass Lidl die Diskussion nach vorne bringt, findet Markwardt aber gut. Denn tatsächlich interessieren sich immer mehr Verbraucherinnen und Verbraucher nicht nur für Kalorien, sondern auch für die Klimafreundlichkeit ihres Essens. Drei Viertel der Bundesbürger wünschen sich ein Klimalabel, hat jüngst eine repräsentative Befragung im Auftrag von Nestlé ergeben.

Auch das Bundesumweltministerium sieht ein wachsendes Interesse der Menschen für die Produktionsbedingungen. Man begrüße daher „Initiativen aus dem Lebensmitteleinzelhandel, die geeignet sind, die Transparenz für Verbraucher:innen mit Blick auf Nachhaltigkeitsfragen zu erhöhen“, sagte eine Ministeriumssprecherin dem Tagesspiegel. Etwaige Erfahrungen des Handels könnten Infos liefern, wie man Instrumente zur Förderung einer nachhaltigen Ernährung praktisch umsetzen könnte.

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Den Eco-Score gibt es derzeit nur für Tee, Kaffee und Milchprodukte

Doch ob der Lidl-Test das leisten kann, ist fraglich. Dafür sei die Produktauswahl zu klein, kritisiert Hyewon Seo vom Umweltbundesamt. „Um herauszufinden, ob Kunden auf den Eco-Score achten und umweltfreundlichere Kaufentscheidungen treffen, müssten weitere Produkte einbezogen werden“, fordert sie.

Welche Labels die Konkurrenz verwendet

Problematisch ist aber auch das Labellabyrinth in den Supermärkten. So kennzeichnet Edeka umweltfreundliche Produkte in Zusammenarbeit mit dem WWF mit dem Panda, Rewe druckt das „Pro Planet“-Nachhaltigkeitslabel auf Waren, die sozial und ökologisch nachhaltiger produziert werden oder erhöhte Tierwohlstandards erfüllen. Die Edeka-Drogeriekettentochter Budni klebt Wegweiser auf den Boden, um Kunden den Weg zu umweltfreundlichen Produkten zu weisen. Nach dem Test in Pilotfilialen wird das System jetzt in allen Filialen ausgerollt. Dabei kommt es aber auch schon mal zu Pannen. In einer Berliner Filiale lotst der Wegweiser die Kundschaft nämlich direkt zu – wenig umweltfreundlichen – Somat-Spülmaschinentabs und dem „General“-Vollreiniger. „Vorher standen hier die Biosachen“, heißt es zur Erklärung.

Fällt im Laden kaum auf: Der Eco-Score wird nur am Preisschild angegeben.
Fällt im Laden kaum auf: Der Eco-Score wird nur am Preisschild angegeben.

© Heike Jahberg

Aldi Nord plant keine eigene Klimakennzeichnung, auch Nestlé wartet auf eine EU-weite Kennzeichnung. Das hält man auch im zuständigen Bundesernährungsministerium für den richtigen Weg. Einfach wird eine solche Kennzeichnung aber nicht, warnt man im Ministerium.

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Apfel ist nicht gleich Apfel

Probleme gibt es etwa, wenn sich ein Produkt aus Zutaten zusammensetzt, die eine unterschiedliche Herkunft haben. Zudem sei nicht klar, ob es bei der Bewertung nur um den CO2-Fußabdruck geht oder auch um weitere Schadstoffe in der Luft, den Wasserbedarf, die Grundwasserbelastung oder auch soziale Kriterien.

Auch könnten Verarbeitungsmethoden und Lagermöglichkeiten für ein und dieselbe Produktkategorie schwanken. „Ein Apfel vom Bodensee, der nach der Ernte mehr oder weniger direkt verkauft wird, hat andere Nachhaltigkeitseigenschaften als ein Apfel, der zunächst eingelagert wird, dabei gekühlt werden muss und sodann zum Verkauf nach Berlin transportiert wird“, betont eine Sprecherin des Agrarministeriums.

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