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Reiner Hoffmann ist seit 2014 Vorsitzende der Deutschen Gewerkschaftsbundes mit knapp sechs Millionen Mitgliedern.

© dpa

DGB-Chef Hoffmann im Interview: "Jetzt Sparen wäre fatal"

Die Erwartungen der Gewerkschaften an die Politik: Schulden sind kein Problem, der Staat muss mehr investieren

Reiner Hoffmann, Vorsitzender des Deutschen Gewerkschaftsbundes (DGB), plädiert trotz des Schuldenberges für höhere staatliche Investitionen. Im Coronajahr 2020 sei „der Arbeitsmarkt vor dem Absturz bewahrt worden, und die Hilfen haben stabilisierend gewirkt. Nun müssen wir massiv in die Modernisierung der Wirtschaft investieren“, sagte Hoffmann dem Tagesspiegel.

„Es wäre fatal, jetzt mit einer Sparpolitik den Haushalt wieder ausgleichen zu wollen.“ Zinsen und Inflation seien niedrig. „Wenn das Zinsniveau unterhalb des Potenzialwachstums bleibt, können wir ohne Probleme aus den Schulden herauswachsen.“

"Schuldenkriterien nicht plausibel"

Vor der Pandemie habe die Bundesrepublik eine Schuldenquote gemessen an der Wirtschaftsleistung von unter 60 Prozent gehabt. „Das geht jetzt hoch auf bis zu 75 Prozent. Na und? Amerikaner und Japaner liegen deutlich darüber“, sagte Hoffmann dem Tagesspiegel. Das Beharren auf dem 60-Prozent-Ziel sei „ökonomisch nicht plausibel. Wir haben einen Investitionsbedarf von zusätzlichen 450 Milliarden Euro in den kommenden zehn Jahren, da sind wir uns mit dem Bundesverband der Industrie einig.“

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Was jetzt an Zukunftsinvestitionen unterbleibe, „mindert die Chancen der nächsten Generation“. Gerade im Bildungssystem würden durch Corona die Defizite und Ungerechtigkeiten deutlich. „Was wir brauchen ist eine Innovationsstrategie, mit der wir in den kommenden zehn Jahren aus den Schulden herauswachsen und bei der die Menschen merken, was mit dem Geld gemacht wird“, meinte der DGB-Vorsitzende.

"Kapitalisten machen sich schlanken Fuß"

Von der nächsten Bundesregierung erwarte er eine Steuerreform, „um kleinere und mittlere Einkommen zu entlasten und höhere Einkommen etwas stärker zu belasten“. Dazu sei eine höhere Besteuerung der Kapitaleinkünfte überfällig. „Selbst die OECD kritisiert, dass Kapitaleinkünfte mit 25 Prozent besteuert werden, Einkommen aus Arbeit aber mit 30 Prozent und mehr. Ein gutverdienender Facharbeiter zahlt 39 Prozent Steuern, und die Kapitalisten machen sich mit 25 Prozent einen schlanken Fuß. Da muss die nächste Regierung ran“, sagte der DGB-Vorsitzende dem Tagesspiegel.

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