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Weniger Kohle, mehr erneuerbare Energien: Die bisherigen Ergebnisse der Klimakonferenz dürften dem ein oder anderen Demonstranten eigentlich gefallen – protestiert wird in Glasgow aber auch an diesem Wochenende weiter.

© Russell Cheyne/Reuters

COP26 in Glasgow: Kann man den Versprechungen Glauben schenken?

Bei der Klimakonferenz in Glasgow gerät erstmals ein globales Ende der Kohle-Verstromung in Sicht. Proteste gibt es vor Ort dennoch. Eine Zwischenbilanz.

Knapp eine Woche nach dem Start der Weltklimakonferenz haben im schottischen Glasgow Tausende Menschen für mehr Tempo beim Klimaschutz demonstriert. Die Teilnehmer forderten am Freitag in Sprechchören einen „Systemwechsel“ und mehr Klimagerechtigkeit - vor allem für ärmere Staaten. Auf Plakaten waren Slogans zu lesen wie „Kapitalismus killt den Planeten“, „Handelt jetzt!“ oder „Die Dinosaurier dachten auch, sie hätten Zeit“.

Auch Aktivistin Greta Thunberg war vor Ort. Solidarisch mit den Demonstranten äußerte sich der frühere US-Vizepräsident Al Gore. „An alle in den Hallen der COP26: Jetzt ist die Zeit auf sie zu hören und zu handeln“, schrieb er auf Twitter.

Die bisherigen Ergebnisse der Klimakonferenz dürften dem ein oder anderen Demonstranten aber eigentlich gefallen. Mit einem Trommelfeuer von neuen Initiativen und Finanzzusagen ging am Donnerstag der „Energyday“ zu Ende. Er ist zwar nur ein Motto-Tag und ist mit den politischen Verhandlungen nicht direkt verknüpft. COP-Präsident Alok Sharma war es mit einer geschickten Dramaturgie aber gelungen, eine Dynamik zu erzeugen, die auch die Verhandler nicht unbeeindruckt lassen dürfte.

Zusagen für den Ausbau Erneuerbarer Energien

Bereits am Dienstag hatte es ein Feuerwerk an Zusagen für den Ausbau der erneuerbaren Energien gegeben. „Um 1,5 Grad in Reichweite zu halten, muss der Ausbau der erneuerbaren Energien fünfmal schneller vorangehen. Darum haben wir ein Ende der Kohle zu einem zentralen Ziel dieser Konferenz gemacht“, sagte etwa Kwasi Kwarteng, der Nachfolger Sharmas im Amt des britischen Energieministers.

Dieses Ende scheint nun in Reichweite zu rücken: 28 weitere Partner haben sich am Donnerstag zum Ausstieg aus der Kohle verpflichtet. Darunter sind Indonesien, Vietnam, Polen, Südkorea, Ägypten, Spanien, Nepal, Singapur, Chile und die Ukraine. In einem neuen Global Coal to Clean Power Transition Statement sagen diese Länder außerdem zu, mehr sauberen Strom zu nutzen. Flankiert wird dies von der Deklaration „Supporting the Conditions for a Just Transition“. Polen machte allerdings noch am gleichen Tag einen Rückzieher: Klima- und Umweltministerin Anna Moskwa sagte, Polen werde nicht vor 2049 aus der Kohle aussteigen, was die Kampagnenorganisation Europe Beyond Coal in einem ausführlichen Analyse kritisierte.

Indonesien relativierte am Donnerstag die kurz zuvor erzielte Vereinbarung zahlreicher Staaten zum Schutz der Wälder. Sie als Abmachung über einen vollständigen Entwaldungsstopp zu beschreiben, sei „falsch und irreführend“, erklärte Indonesiens Vize-Außenminister Mahendra Siregar.

Die großen Kohle- und Öl-Förderer fehlen noch

Es hat sich bei der COP aber zudem eine Gruppe von 25 Ländern zusammen mit öffentlichen Finanzinstituten verpflichtet, ab 2023 keine Kohlekraftwerke ohne CO2-Abscheidung mehr zu fördern und stattdessen die Energiewende zu unterstützen. Insgesamt könnte dies 17,8 Milliarden Dollar pro Jahr aus fossilen Brennstoffen in die Umstellung auf saubere Energien verlagern, schätzt die COP-Präsidentschaft. Die Ankündigung wurde vom Thinktank E3G als „historischer Durchbruch“ begrüßt.

Große Förderer von Kohle-, Öl- und Gasprojekten seien aber noch nicht dabei, bemängelte die Umwelt- und Menschenrechtsorganisation Oxfam.Das Energy Transition Council, das Sharma vor gut einem Jahr gegründet hatte, um Hindernisse beim Übergang zu Erneuerbaren-Technologien aus dem Weg zu räumen, hat außerdem noch andere Projekte angeschoben, etwa die Rapid Response Facility. Bisher bekamen 20 Entwicklungsländer von ihr Know-how und Geld, um die Energiewende umzusetzen.

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Ägypten beispielsweise erhielt Unterstützung beim Ausbau der Ladeinfrastruktur für E-Autos und ihrer Integration ins Netz. Mehr Mittel in Höhe von zehn Milliarden Dollar werde nun von der Global Alliance für People and the Planet kommen, einem Projekt der Rockefeller-Stiftung, sagte Sharma. Mafalda Duarte von den Climate Investment Funds kündigte zudem zwei neue Förderprogramme zum Umbau der Stromsysteme und zur Beschleunigung des Kohleausstiegs an. Hier sollen mit 2,5 Milliarden Dollar Fördermitten Investitionen in Höhe von 25 Milliarden Dollar gehebelt werden.

Verhandlungsergebnisse bleiben die wichtigste Währung

Die Frage ist allerdings, wie weit der ganz offensichtlich vorhandene Schwung hin zu Erneuerbaren trägt und wie viel die neuen Allianzen wert sind. Zweifel sind zum Beispiel bei einem Statement der norwegischen Ministerin für internationale Entwicklung, Anne Beathe Tvinnereim, erlaubt. Sie würdigte beim Energy Transition Council die Anstrengungen ihres Landes bei der Elektrifizierung des Verkehrs, auch bei der Entwicklung von elektrischen Fähren, sowie das Carbon Capture and Storage Projekt Longship. Dass Norwegen weiterhin Öl und Gas fördern will, erwähnte Tvinnereim mit keinem Wort.

Alok Sharma konnte außerdem auf die Frage, wie er die Einhaltung der Versprechen garantieren wolle, nicht viel mehr sagen, als dass man einzelne Länder zur Verantwortung ziehen werde – aber nicht, wie das geschehen solle. Wobei ja auch im Paris-Abkommen selbst keine Sanktionen vorgesehen sind.

Wichtigste Währung der Klimakonferenz bleiben dennoch die Verhandlungsergebnisse. Gebraucht werden Entscheidungen unter anderem zu den Transparenzregeln des Paris-Abkommen – über welche Emissionen wie und wann berichtet wird. Die Beratungen darüber werden gerade als Faustpfand für einen anderen Punkt genutzt, heißt es, nämlich für die komplizierten Regeln zur internationalen Anrechnung von CO2-Zertifikaten aus Klimaschutzprojekten.

Ermutigend ist dagegen, dass die Konferenz ein sogenanntes Gaspedal-Paket verabschieden könnte. Denn bisher reichen die Pläne der einzelnen Staaten für die Zeit bis 2030  bei weitem nicht aus, um bis Ende des Jahrhunderts unter zwei Grad oder gar 1,5-Grad zu bleiben. Es muss also schneller gehen mit dem Klimaschutz. Dass der politische Druck für das Paket aufgebaut werden konnte, ist ein sehr gutes Zeichen. (mit AFP/KNA/dpa)

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