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Heimische Lebensmittel sollen belohnt werden, meint der Bauernverband.

© picture alliance/dpa

Auf der Grünen Woche: Bauern fordern Preisaufschlag für deutsche Lebensmittel

Bauernpräsident will "Deutschland-Bonus", Handel verweist auf laufende Verhandlungen. Bio boomt in der Coronakrise.

Die Zukunft beginnt etwas holperig. Dabei hat die Messe Berlin keinen technischen Aufwand gescheut, ihre erste rein digitale Grüne Woche zu einem Erfolg werden zu lassen. Doch die Übertragung der Eröffnungspressekonferenz aus dem modernen Studio bricht nach einer Stunde ab. Statt Messechef, Bauernpräsident und der Vertreterin der Ernährungsindustrie taucht auf den Bildschirmen plötzlich ein bis dahin unbekannter Mensch auf, der wahrscheinlich auf Russisch einen Vortrag hält. Zumindest deutet die russische Fahne im Hintergrund darauf hin, eine Übersetzung gibt es nicht.

Grüne Woche 2020: Die Hallen sind leer, die Messe findet rein digital statt.
Grüne Woche 2020: Die Hallen sind leer, die Messe findet rein digital statt.

© dpa

Grüne Woche 2020: Besucher haben Spaß am Norwegen-Stand.
Grüne Woche 2020: Besucher haben Spaß am Norwegen-Stand.

© AFP

Im vergangenen Jahr waren 400.000 Besucher da

Im vergangenen Jahr haben 400.000 Menschen die weltgrößte Ernährungs- und Agrarmesse in Berlin besucht, in diesem Jahr kann man Koch- und Talkshows coronabedingt nur im Internet verfolgen. Trotz des „umfangreichen Programms“ sieht Messechef Martin Ecknig die zweitägige Digitalveranstaltung mit einem weinenden Auge: „Schmecken, Riechen, Fühlen, das geht nur live“, sagt Ecknig und hofft darauf, dass bald auch wieder Publikum in die Messehallen darf. Doch die digitalen Formate sollen auch dann nicht verschwinden. Ecknig, der sein Amt erst am Jahresanfang angetreten hat, plant als Zukunftskonzept die „Messe Plus“, eine Kombination aus digitalen Elementen, Veranstaltungen vor Ort und neuen Geschäftsmodellen.

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Bauern beklagen Preisverfall

Eine Berufsgruppe leidet derzeit besonders an ihren alten Geschäftsmodellen. Der Präsident des Deutschen Bauernverbands, Joachim Rukwied, beklagt den Preisverfall, unter dem vor allem Milch- und Schweinebauern zu leiden haben. „Die Preise sind zu niedrig“, sagt der Bauernpräsident. Die Afrikanische Schweinepest und die den Corona-Fällen geschuldete vorübergehende Schließung von Schlachthöfen haben dazu geführt, dass sich eine Million schlachtreife Schweine in den Ställen stauen, das drückt auf die Preise. Gut 20 Euro bekomme ein Landwirt derzeit für ein Ferkel, „die Kosten liegen aber bei 50 bis 60 Euro“. Hinzu kämen steigende Anforderungen an Tierwohl- und Umweltschutz, die die Produktion hierzulande weiter verteuerten.

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Schweinezyklus: Die Preise sind im Keller.
Schweinezyklus: Die Preise sind im Keller.

© dpa

Der Bauernverband wünscht sich einen Deutschland-Bonus

Rukwied wünscht sich zu Gunsten der deutschen Bauern eine verpflichtende Herkunfts- und Haltungskennzeichnung und einen „Deutschland-Bonus“. Mit einem entsprechenden Preisaufschlag sollen deutsche Landwirte für ihre höheren Standards entlohnt werden. Gespräche mit dem Handel laufen. Was Rukwied zuversichtlich stimmt, ist, dass die Nachfrage der Verbraucher nach regionalen Lebensmitteln in der Coronakrise gestiegen ist. „Die Hofläden konnten zulegen“, berichtet der Bauernpräsident.

„Die Verbände und Unternehmen des Lebensmittelhandels haben die feste Absicht, ihren Teil dazu beizutragen, dass Landwirtschaft in Deutschland Zukunft hat", sagte der Sprecher des Lebensmittelhandelsverbands (BVLH), Christian Böttcher, zu Rukwieds Vorstoß. Daher würden der Verband, Handelsunternehmen und Teile der Landwirtschaft seit Wochen "intensive Gespräche" führen, wie man zu tragfähigen Lösungen kommen kann. "Das wird uns aber nur gelingen, wenn alle, Verarbeiter und die Landwirtschaft in ihrer gesamten organisatorischen Breite, zu Gesprächen zusammenkommen", betonte Böttcher.

Hamsterkäufe: Für die Lebensmittelhersteller war das eine Herausforderung.
Hamsterkäufe: Für die Lebensmittelhersteller war das eine Herausforderung.

© imago images/MiS

Am Tisch müsste dann auch die Ernährungsindustrie sitzen. Auch diese Branche hat ein anspruchsvolles Coronajahr hinter sich. Die Hamsterkäufe im März haben die Unternehmen an ihre Grenzen geführt. Es sei ein „enormer Kraftaufwand“ gewesen, die Regale zu füllen, betont Stefanie Sabet, Geschäftsführerin der Bundesvereinigung der Deutschen Ernährungsindustrie. Für die Bundesbürger sei es aber eine beruhigende Erfahrung gewesen, dass sie sich keine Sorgen um die Lebensmittelversorgung machen müssen. Das Corona-Jahr hat der Branche einen leichten Umsatzrückgang um 0,3 Prozent auf 184,7 Milliarden Euro gebracht. Das liegt vor allem am Export, der um 1,9 Prozent auf 61,3 Milliarden Euro zurückgegangen ist.

Bio wächst in der Krise

Zu den Corona-Gewinnern zählt dagegen die Biobranche. Nach Angaben des Bundesagrarministeriums stieg der Umsatz mit Bio-Lebensmitteln im vergangenen Jahr verglichen mit dem Vorjahr um schätzungsweise 17 Prozent auf gut 14 Milliarden Euro. Aus vielen Gelegenheitskäufern seien Gewohnheitskäufer geworden, zeigt eine Umfrage des Ministeriums. 37 Prozent der Befragten geben an, regelmäßig Bio zu kaufen. Vorn liegen Eier, gefolgt von Obst und Gemüse. Die Bundesregierung will den Anteil des Ökolandbaus bis 2030 auf 20 Prozent verdoppeln, die EU-Kommission strebt bis dahin sogar 25 Prozent Bio an, um die Umwelt zu schonen. „Das Problem ist aber nicht gelöst, wenn 75 Prozent der Flächen gleich bleiben“, warnt Felix Prinz zu Löwenstein, Chef des Bundes ökologische Lebensmittelwirtschaft.

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