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In Schieflage: Der wertvollste Deutsche Konzern, SAP.

© Daniel ROLAND / AFP

20 Prozent Minus: Die schlechten Zahlen von SAP erschüttern den Glauben in die Digitalwirtschaft

In der Coronakrise schienen Digitalkonzerne die großen Gewinner zu sein. Doch das wertvollste deutsche Unternehmen weckt Zweifel daran. Die Börse ist alarmiert.

Die Ad-hoc-Mitteilung dürfte manchem Aktionär den Sonntagabend verhagelt haben: Europas größter Softwarehersteller SAP - Deutschlands vom Börsenwert wichtigster Konzern - senkte nicht nur seine Finanzziele für 2020 und kassierte ein noch im Vorjahr ausgerufenes Profitabilitätsversprechen. Im Kern räumte das Unternehmen auch mit dem festen Glauben vieler Menschen auf, wonach gewachsene Digitalkonzerne mit ihrem Geschäftsmodell wie gemacht dafür seien, von der Coronakrise wirtschaftlich zu profitieren.

Die Reaktion an der Börse folge am Montagmorgen: Investoren reagierten enttäuscht und ließen die SAP-Aktie zeitweise um mehr als 20 Prozent abstürzen. Auch der Dax wurde von den Nachrichten aus Walldorf teilweise deutlich ins Minus gedrückt. Zwischenzeitlich lösten sich dadurch am Montag mehr als 30 Milliarden Euro an Marktkapitalisierung in Luft auf.

Trotz mancher Vorzeichen, war von den wenigsten erwartet worden, dass es so kommt. Bei Investoren herrschte – auch mit Blick auf die starke Performance digitaler US-Großkonzerne wie Amazon, Facebook oder der Google-Mutter Alphabet in der Coronakrise – bis zuletzt beste Laune, hier und da gar ein bisschen Euphorie. Schließlich verdiene SAP auch digital sein Geld; sei nicht abhängig von globalen Lieferketten und müsste nach dieser Logik doch Krisengewinner sein.

Im April ging die Nachricht unter

Doch nichts da: SAP kassierte am Montag sogar schon zum zweiten Mal binnen weniger Monate seine Finanzziele. Beim ersten Mal im April war die Nachricht in den fallenden Kurse angesichts der Coronakrise fast untergegangen. Jetzt steht die Aktie im Fokus des Interesses: Die Corona-Pandemie wirke sich mindestens bis Mitte 2021 negativ auf die Geschäfte aus, wodurch bisherige Umsatz- und Ergebnisziele nicht zu halten seien, hieß es.

Dieses Jahr rechnet SAP jetzt nur noch mit einem Gesamtumsatz von 27,2 bis 27,8 Milliarden Euro auf Basis konstanter Wechselkurse – also zu Wechselkursen aus dem vergangenen Jahr. Schlägt der starke Euro besonders hart bei der Umrechnung von ausländischen Erlösen zu Buche, sind den Angaben zufolge auch Werte darunter möglich. In der im April aktualisierten Finanzprognose waren noch 27,8 bis 28,5 Milliarden angepeilt worden, davor sogar 29 Milliarden Euro.

Auch der Gewinn schmilzt

Im Vorjahr hatte der Konzern Erlöse von 27,6 Milliarden Euro gemeldet, das heißt: In diesem Jahr könnte letztlich ein Umsatzminus stehen. Auch der operative Gewinn werde nicht mehr so hoch ausfallen wie angepeilt und nur noch bei 8,1 bis 8,5 Milliarden Euro liegen.

Nachdem die SAP-Aktie am Freitag noch über 125 Euro gekostet hatte, ist sie am Montag Abend nur noch gut 96 Euro wert. Auch die Worte des Vorstands am Nachmittag die Verluste nach der Ad-Hoc-Meldung nicht mehr ändern. Analysten hatten SAP stets viel Potential attestiert und Bewertungen bis zu 180 Euro ausgerufen.

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Dabei gab es Warnsignale. Laut einer Erhebung des einflussreichen Anwenderverbandes DSAG, in dem sich Tausende SAP-Kunden zusammengeschlossen haben, klagen fast drei Viertel aller befragten Firmen über zurückgehende Umsätze. Das habe auch Auswirkungen auf die IT-Budgets der SAP-Kunden, sagte DSAG-Chef Jens Hungershausen der Deutschen Presse-Agentur. „Es gibt einen großen Anteil, der sagt: Wir forcieren jetzt unsere IT-Projekte. Aber es gibt fast einen genauso großen Teil, der sagt: Wir bremsen unsere Projekte jetzt ein bisschen ein, verzögern sie. Das dürfte bis Mitte nächsten Jahres erst mal so bleiben.“

Langfristiger Erfolg statt kurzfristiger Marge?

Für zusätzlichen Verdruss bei Anlegern sorgte die Tatsache, dass der Konzern aus Walldorf kurzerhand eines der wichtigen Profitabilitätsziele einkassierte. Vor eineinhalb Jahren hatte Ex-Vorstandschef Bill McDermott versprochen, dass die operative Gewinnspanne – also das, was vom Umsatz als Gewinn vor dem Abzug von Steuern, Zinsen und Sondereffekten bleibt – bis 2023 um rund fünf Prozentpunkte über derjenigen von 2018 (29 Prozent) liegen sollte.

Muss die schlechten Nachrichten jetzt alleine verkaufen: Christian Klein, Vorstandsvorsitzender des Softwarekonzerns SAP.
Muss die schlechten Nachrichten jetzt alleine verkaufen: Christian Klein, Vorstandsvorsitzender des Softwarekonzerns SAP.

© Uwe Anspach/dpa

McDermotts Nachfolger – die Co-Chefs Christian Klein und Jennifer Morgan – hatten dieses Ziel immer wieder bekräftigt und aufbauend darauf die Werbetrommel für ihr Unternehmen geschlagen. Inzwischen führt Klein die Geschäfte alleine – und setzt nun öffentlichkeitswirksam neue Prioritäten. Bis 2023 werde es kaum Fortschritte bei der Profitabilität geben, kündigte er an. „Ich opfere den Erfolg unserer Kunden nicht der kurzfristigen Optimierung unserer Marge“, sagte der Vorstandschef am Montag in einer Telefonkonferenz mit Journalisten.

Die Kunden fragten verstärkt Software aus der Cloud zur Nutzung über das Internet nach – ein Geschäftsmodell, das jetzt noch schneller ausgebaut werden soll. Das sorgt für neue Kosten, die die Gewinnspanne drücken. Finanzchef Luka Mucic ergänzte, das Management steuere das Unternehmen nicht nach der operativen Marge: „Wir wollen ein Wachstumsunternehmen bleiben.“

Cloud-Geschäft bringt nicht so viel Gewinn

Zwar wächst der Geschäftsbereich von Software zur Nutzung über das Internet stärker als der schon lange etablierte, in dem es um fest auf der Kunden-IT installierte Programme geht. Doch aktuell bringt der Cloudbereich noch immer nicht so viel ein wie das Geschäft mit einmaligen Lizenzgebühren und dem von SAP angebotenen Support für die Kunden-IT. Um im Zukunftsbereich Cloudsoftware weiter zu wachsen, will der Konzern jetzt mehr Geld in die technische Infrastruktur stecken. So seien voraussichtlich kommendes und übernächstes Jahr zusätzliche Ausgaben erforderlich.

Doch Corona drückt weiter auf die Bilanz. Im dritten Quartal schrumpfte der Gesamtumsatz im Vorjahresvergleich um 4 Prozent auf 6,54 Milliarden Euro. Das Ergebnis vor Zinsen und Steuern lag zwischen Juli und Ende September mit 1,47 Milliarden Euro um zwölf Prozent unter dem Vorjahreswert.

Dass SAP fürs dritte Quartal einen deutlichen Nettogewinnanstieg von 31 Prozent auf 1,65 Milliarden Euro ausweisen konnte, lag vor allem an Bewertungseffekten bei der Beteiligungstochter Sapphire Ventures. Die meisten Anleger interessierte dieses Detail am Montag kaum, einige wenige aber zeigten sich in Kauflaune: Die SAP-Vorstände Klein und Mucic stockten ihre Depots fleißig mit SAP-Aktien auf - und profitierten von günstigen Kursen. (mit dpa/rtr)

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