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So lange es nicht politisch instrumentalisiert wird, hat die Uefa angeblich nichts gegen diese Farben.

© imago images / regios24

Ein Zeichen gegen Ungarn setzen?: Die 7 wichtigsten Fragen und Antworten zum Regenbogen-Verbot der Uefa

Ein in regenbogenfarben strahlendes Münchner Stadion wird es Mittwochabend nicht geben. Darf die Uefa das? Und was ist ihr Problem damit?

Aus der geplanten Beleuchtung eines Fußballstadions ist am Dienstag eine Staatsaffäre geworden. Ungarns Außenminister Péter Szíjjártó zeigt sich beim EU-Außenministertreffen in Luxemburg erleichtert, dass die Union der Europäischen Fußballverbände (Uefa) der Stadt München untersagt hat, das Münchner Stadion zum EM-Gruppenfinale der Fußball-Nationalmannschaft an diesem Mittwoch gegen Ungarn in den Regebogenfarben erstrahlen zu lassen.

Die Farben gelten als Symbol für Toleranz und gegen Diskriminierung von Schwulen und Lesben. „Man hat entschieden, sich nicht für eine politische Provokation gegen Ungarn einspannen zu lassen“, lobte Szíjjártó.

Hier die 7 wichtigsten Fragen und Antworten zum Regenbogen-Verbot der Uefa:

1. Warum wollte München das Stadion in Regenbogenfarben leuchten lassen?

Ausgangspunkt war ein Antrag der FDP im Münchner Stadtrat vom 17. Juni. Verwiesen wurde darauf, dass zum Christopher Street Day 2016 die Allianz Arena erstmals in Regenbogenfarben erleuchtet worden sei. Zur Begründung des Antrags für das EM-Spiel Deutschland gegen Ungarn hieß es, in Ungarn würden die Rechte von Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender-Personen (englische Abkürzung: LGBTIQ) stark eingeschränkt.

„Es wäre ein Zeichen der Solidarität mit LGBTIQ-Menschen und gegen Homo- und Transphobie, wenn bei dem Spiel Ungarn gegen Deutschland die Allianz-Arena in Regenbogenfarben leuchten würde“, heißt es in dem Antrag. „Damit würde München ein Zeichen für Toleranz gegenüber Lesben, Schwulen, Bisexuellen und Transgender setzen und Weltoffenheit zeigen.“

[Verfolgen Sie das sportliche Geschehen der EURO2021 hier in unserem EM-Newsblog]

Hintergrund ist ein vergangene Woche vom ungarischen Parlament verabschiedetes Gesetz, das „Werbung“ für Homosexualität oder Geschlechtsangleichungen bei Minderjährigen verbietet. Es bezieht sich vor allem auf Informationen und Bücher im Sexualkundeunterricht. Der Antrag wurde vom Stadtrat angenommen und das Ansinnen von Oberbürgermeister Dieter Reiter (SPD) der Uefa übermittelt. Auch Bayerns Ministerpräsident Markus Söder unterstützte dies, obwohl Ungarns Ministerpräsident Viktor Orbán immer wieder gern gesehener Gast bei der CSU ist: Es wäre ein „Signal, das für die Freiheit unserer Gesellschaft steht“, sagte Söder.

2. Wie begründet die Uefa ihr Veto?

Die Uefa als Ausrichter des europaweiten Turniers verweist auf ihre Satzung, nach der sie eine politisch und religiös neutrale Organisation sei. Nun wird diese Ausrichtung durch die Darstellung von Regenbogenfarben im Grunde nicht berührt, doch der europäische Fußballverband sieht in diesem Fall eine gezielte Politisierung. „Angesichts des politischen Kontextes dieser Anfrage – eine Botschaft, die auf eine Entscheidung des ungarischen Nationalparlaments abzielt – muss die Uefa ablehnen“, schreibt der Verband in seiner Entscheidung.

Zugleich wird betont: „Rassismus, Homophobie, Sexismus und alle Formen der Diskriminierung sind ein Schandfleck für unsere Gesellschaft – und stellen eines der größten Probleme dar, mit denen der Fußball heute konfrontiert ist.“ Das Tragen der in Regenbogenfarben gehaltenen Kapitänsbinde des deutschen Nationaltorwarts Manuel Neuer monierte die Uefa nach einer Prüfung deshalb nicht, da es hier um eine allgemeine Toleranzbekundung gehe. Sonst wäre die Uefa vollends in Erklärungsnot geraten: 2019 machte sie sich selbst in einem Tweet die Regenbogenfarben zu eigen und schrieb dazu: „Stolz, dass die Euro 2020 ein Turnier für alle sein wird.“

Die Hülle der Allianz Arena leuchtet anlässlich des Christopher Street Days in Regenbogenfarben.
Die Hülle der Allianz Arena leuchtet anlässlich des Christopher Street Days in Regenbogenfarben.

© dpa

3. Kann gegen die Entscheidung juristisch vorgegangen werden?

Rechtlich lässt sich wenig beanstanden, Gastgeber treten den Verbänden für sportlichen Großereignisse eine Reihe von Rechten ab; immer wieder umstritten sind dabei auch Steuerrabatte. Die Uefa ist ausschließliche Inhaberin aller Schutz- und Urheberrechte an Uefa-Namen, -Logos, -Marken, -Musik, -Medaillen, -Plakaten und -Trophäen, die im Zusammenhang mit der Europameisterschaft verwendet werden. Darüber hinaus besteht ein europäisches Designrecht der Uefa. Letzteres ist im aktuellen Fall von besonderer Bedeutung.

Denn der europäische Fußballverband argumentiert auch mit dem einheitlichen Stadiondesign, das gegen die Regenbogenfarben der Münchner Arena sprechen würde. DFB-Interimspräsident Rainer Koch betont, dass die Uefa gar keine andere Handhabe gehabt habe. Es handelt sich „nicht mehr um ein bloßes Statement im gemeinsamen Kampf gegen jede Form von Diskriminierung, sondern um eine politische Aktion“, betont das deutsche Mitglied der Exekutive der Europäischen Fußball-Union.

Hingegen werde Manuel Neuer auch gegen Ungarn mit der Regenbogenbinde auflaufen. Womöglich hätte das Ansinnen auf die Regenbogenfarben-Beleuchtung größere Erfolgsaussichten gehabt, wenn es ohne den Verweis auf die Politik in Ungarn auch einen Antrag für die Spiele gegen Portugal oder Frankreich auf eine Illumination in den Farben der internationalen Schwulen- und Lesbenbewegung gegeben hätte.

Die Uefa schlägt als Kompromiss vor, das Stadion in München „entweder am 28. Juni – dem Christopher Street Liberation Day – oder zwischen dem 3. und 9. Juli, der Christopher Street Day Woche in München, mit den Regenbogenfarben zu beleuchten“.

4. Wie ist die Haltung der Sportverbände zum Thema sexueller Vielfalt?

Alle großen Sportverbände, besonders der internationale Fußballverband Fifa, der europäische Fußballverband Uefa oder auch das Internationale Olympische Komitee IOC, setzen sich seit Jahren für sexuelle Vielfalt in Form von unterschiedlichen Kampagnen ein. Der internationale Fußballverband zum Beispiel vergibt seit fünf Jahren eine Auszeichnung für Vielfalt.

Zur Wahrheit gehört aber auch, dass die Sportverbände das Thema lange stiefmütterlich bis gar nicht behandelt haben. Zudem wirken die Aktionen gegen sexuelle Vielfalt oder Rassismus bisweilen plakativ, sie dringen auch kaum an die Basis des Sports durch.

5. Warum tut sich der Sport im Umgang mit diesem Thema so schwer?

Zum einen, weil nicht nur der olympische Sport als Ausübungsform bis heute fest klassifiziert ist in männlich und weiblich. So haben die Sportverbände bis heute keine Antwort gefunden, wie sie mit Transpersonen umgehen sollen. Bestes Beispiel ist das Hin- und Her um die Mittelstreckenläuferin Caster Semenya. Die Südafrikanerin war mal gesperrt, dann startberechtigt und schließlich wieder gesperrt.

Zum anderen ist gerade in der populärsten Sportart Fußball in vielen Ländern der Anteil homophob eingestellter Anhänger überproportional hoch. Homosexualität ist im Männerfußball nach wie vor ein Tabuthema – trotz der plakativen Kampagnen der Verbände. Das Geschlechterverständnis des Sports ist von ausgeprägter Heteronormativität.

6. Wie fallen die Reaktionen auf die Entscheidung der Uefa aus?

Binnen weniger Stunden unterstützten rund 200.000 Menschen im Netz die von einer 25-Jährigen gestarteten Petition „Allianz-Arena in Regenbogenfarben leuchten lassen – Ungarn ein Zeichen senden”, unter ihnen auch tausende Menschen aus Ungarn. Zahlreiche Städte in Deutschland wollen nun am Spieltag Stadien oder Plätze in Regenbogenfarben leuchten lassen.

So soll unter anderem das Berliner Olympiastadion in den Farben erstrahlen, ebenso das Stadion in Köln. Grünen-Kanzlerkandidatin Annalena Baerbock betonte bei Twitter: „Für Toleranz. Gegen Homofeindlichkeit. Nicht nur, wenn es um Fußball geht. Lasst uns ein starkes Zeichen der Vielfalt setzen und den Regenbogen durchs Land tragen“.

7. Was bedeutet der Fall für die WM 2022 in Katar?

Der aktuelle Fall setzt DFB, Vereine und die Politik unter großen Druck für die Weltmeisterschaft im kommenden Jahr in dem autoritären Staat. In Katar gibt es massive Menschenrechtsverletzungen und eine Unterdrückung von Schwulen und Lesben. Aber eben auch große ökonomische Interessen des Sports. Bayern München hält unbeirrt von Kritik regelmäßig sein Winter-Trainingslager dort ab. Qatar Airways ist einer der Hauptsponsoren der aktuellen Europameisterschaft.

Letztlich ist das Thema ein immer wiederkehrendes. Der Sport und seine Verbände geben sich unpolitisch, lassen sich aber für politische Zwecke benutzen. Fußball als Massenphänomen ist ein ideales Instrument für symbolische Politik, eine Projektionsfläche nicht nur für Werbung, sondern auch für politisches Marketing, wegen der enorm hohen Medienpräsenz. Zuletzt setzten schwarze Sportler in den USA mit ihren Kniefällen symbolische Zeichen gegen Rassismus im Zuge der Black Lives Matter Bewegung.

Katar wird die politisch schwierigste Fußball-WM seit Argentinien 1978. Argentiniens Militärdiktator Jorge Videla versuchte damals sein Image mit der WM aufzupolieren – und der DFB blamierte sich mit dem Versuch, sich möglichst nicht einzumischen. „Nein, belasten tut mich das nicht, dass dort gefoltert wird“, sagte Nationalspieler Manfred Kaltz vom Hamburger SV. Und Bundestrainer Helmut Schön wollte nichts gesehen haben, was auf eine eindeutige Diktatur hindeute.

Ganz so naiv wird man an die WM in Katar nicht herangehen können. Aber: Letztlich ist die Macht des Sports und der Blick der Weltöffentlichkeit auf die WM-Gastgeber auch eine Chance, um etwas Wandel zu erzwingen.

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