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Ganz so eng soll es am 26. September nicht zugehen.

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Strikte Maßnahmen für Berlin-Marathon geplant: Was auf die Läufer zukommen könnte

Das Hygienekonzept für den Berlin-Marathon sieht strikte Maßnahmen vor. Was müssen die Läufer beachten? Und wie sicher ist die Veranstaltung?

An die Bühne muss sich auch Jürgen Lock erst wieder gewöhnen. Der Geschäftsführer des Sportveranstalters SCC Events steht am Montag auf dem holzvertäfelten Podium im Kongresszentrum unweit des Brandenburger Tores. Lock blickt abwechselnd in die Runde und auf die Bildschirme, auf denen weitere Gäste zugeschaltet sind. „Die letzte Pressekonferenz ist lange her, die hatten wir 2019“, sagt er. Ein paar Monate später kam die Pandemie.

Sie brachte auch die Langstreckenläufe zum Stillstand. So musste der Berlin-Marathon im vergangenen Jahr abgesagt werden. Und auch wenn hier und da ein paar Menschen aus der Läuferszene sehr enttäuscht waren, herrschte im Großen und Ganzen doch Einigkeit darüber, dass die Entscheidung zu diesem Zeitpunkt alternativlos war. Der Berlin-Marathon zählt zu den größten Straßen- und Volksläufen auf der Welt. Knapp über 40 000 Teilnehmer hatten in den Jahren vor der Pandemie teilgenommen.

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Mindestens genauso imposant wie die Teilnehmerzahl sind die Besucher am Straßenrand. Bis zu eine Million Menschen wollen sich die traditionsreiche Veranstaltung an schönen Tagen ansehen. Der Berlin-Marathon ist Sport, vor allem aber ist er die Zusammenkunft einer riesigen Menschenmasse. Und genau das war und ist immer noch das Problem.

Ist die Welt schon wieder bereit für solch ein Massen-Event?

Geht es nach den Veranstaltern von SCC Events, ist die Durchführung möglich. Lock stellt am Montag seine Pläne vor. Am 26. September soll der Berlin-Marathon stattfinden, dem vorausgehen sollen unter anderem der Nachtlauf am 31. Juli sowie der Halbmarathon am 22. August. Beide quasi als Generalproben für den großen Marathon im September. Lock rechnet dort mit 35.000 Teilnehmern, und obendrein mit vielen Besuchern. „Wir wollen nicht zurück“, sagt er mit Blick auf das Pandemiejahr 2020 und zählt die derzeit sinkenden Inzidenzzahlen auf. „Es geht aufwärts, auch wenn es noch nicht geschafft ist.“

Für Lock wie für alle Laufveranstalter geht es auch um die Existenz. SCC Events allein beschäftigt rund 70 Mitarbeiter. Ein Jahr wie 2020 kann sich die Veranstalteragentur nicht leisten. Der Laufsport ist verdammt groß geworden. Jedes Jahr nahmen die Veranstaltungen zu, die Teilnehmerzahlen, die Sponsoren sowie die Übertragungszeiten. Berlins Innen- und zugleich Sportsenator Andreas Geisel, der am Montag neben Lock steht, beziffert den volkswirtschaftlichen Nutzen des Berlin-Marathons mit 40.000 Teilnehmern und einer Million Zuschauer auf 380 Millionen Euro.

Derlei Zahlen belegen die Bedeutung des Marathons in der Hauptstadt, gleichsam erzeugen sie auch immensen Handlungsdruck. Es ginge nun mal viel Geld durch die Lappen, sollte es nicht klappen. Damit es aber klappt, hat sich Lock Hilfe geholt und ein umfangreiches Hygienekonzept von Experten ausarbeiten lassen.

Im Wesentlichen sollen die sogenannten drei G’s für die Sicherheit beim Berlin-Marathon garantieren. Sie stehen für geimpft, genesen, getestet. Erfüllt ein Teilnehmer ein G, ist er startberechtigt. Diejenigen, die sich testen lassen, müssen dabei den im Vergleich zum Schnelltest sicheren (und in der Regel kostenpflichtigen) PCR-Test machen. Testen lassen können sich die Teilnehmer am Impfzentrum Tempelhof. Der Pneumologe Matthias Krüll, medizinischer Direktor des Berlin-Marathons, geht von rund 20 000 PCR-Tests aus. Ein riesiger organisatorischer und logistischer Aufwand.

Die Fans des 1. FC Union hielten es nicht so genau mit den Maßnahmen zum Infektionsschutz.
Die Fans des 1. FC Union hielten es nicht so genau mit den Maßnahmen zum Infektionsschutz.

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Man sieht schon: Die geplanten Maßnahmen zum Infektionsschutz sind strikt. „Das Konzept ist sicher“, sagt SPD-Politiker Geisel. „Das erscheint mir sicherer als ein Einkauf im Supermarkt.“ Geisel weist aber darauf hin, dass die Zuschauerfrage noch nicht geklärt sei. Schließlich würden diese, sollten sie zugelassen sein, nicht auf eine der drei G’s überprüft werden. Und überhaupt ist die Frage, wie sich Zuschauende bei den 42,195 Kilometern durch Berlin verhindern lassen.

Geisel hatte erst vor wenigen Wochen erfahren müssen, was passieren kann, wenn man dem Sport zu viel Raum lässt. Tausende Fans des 1. FC Union feierten den erfolgreichen Saisonabschluss, dicht gedrängt und viele von ihnen trugen keinen Mundschutz. Nun ist das Publikum beim Berlin-Marathon nicht mit ausufernd feiernden Fußballfans zu vergleichen. Doch gestaltete sich die Riesenveranstaltung in den vergangenen Jahren am Straßenrand auch als eine Ansammlung von vielen, kleinen Partys. Musik spielte, der Alkohol floss. Wohl auch mit Blick auf diese Bilder ist Geisel noch etwas vorsichtig. „Wer kann die Zukunft schon vorhersagen“, sagt er. „Die Wahrscheinlichkeit, dass der Marathon stattfinden kann, ist da. Die Sicherheit haben wir aber nicht.“

Letzteres war und ist immer noch das Problem der gesamten Veranstaltungsbranche, auch im Sport. Im vergangenen Jahr hatten die großen Sportevents wie die Fußball-Europameisterschaft und die Olympischen Spiele kurzfristig abgesagt werden müssen. Manche Wettbewerbe, wie etwa die Fußball-Bundesliga, wurden ohne Zuschauer früh fortgeführt. Bis auf wenige Ausnahmen (wie bei der Hallen-EM der Leichtathleten in Torun, bei der sich viele Sportler mit dem Coronavirus infizierten) funktionierte der Infektionsschutz recht gut. Auch aufgrund der gesammelten Erfahrungen in den vergangenen Monaten sieht der Sport nun optimistisch in die Zukunft. Die Fußball-EM und Olympia werden wohl stattfinden. Und der Berlin-Marathon soll das möglichst auch tun.

Zur Unterstützung der eigenen Position haben sich die Veranstalter vom SCC Events auch einen Experten zuschalten lassen, dem es nicht schnell genug gehen kann mit einer Lockerung der Maßnahmen im Freien. Der Physiker und Aerosolforscher Gerhard Scheuch hatte im April sogar einen Offenen Brief an Bundeskanzlerin Angela Merkel mitverfasst, in dem die Sinnhaftigkeit von Ausgangssperren angezweifelt wurde. „Vielleicht 0,1 Prozent der Ansteckungen finden im Freien statt“, sagt der zugeschaltete Scheuch am Montag. „Die Viren verteilen sich im Freien sehr schnell. Das Problem sind Sanitäranlagen, Aufzüge, generell enge Innenbereiche. Von daher ist es wichtig, dass wir uns draußen bewegen.“

Solche Sätze hören Jürgen Lock und seine Mitstreiter gerne. Auf der Webseite des Veranstalters läuft schon der Countdown bis zum Start. Noch etwas mehr als hundert Tage, dann soll es losgehen. So es die Pandemie erlaubt.

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