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Roger Kluge (35) startet am Donnerstag auf der Bahn des Izu-Velodroms im Omnium.

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Radprofi Roger Kluge im Interview: „So eine Einzelmedaille ist noch mal was anderes“

Für Roger Kluge sind es schon die vierten Olympischen Spiele. Im Interview erzählt er, wie er mit Stürzen umgeht und was ihm Gold in Tokio bedeuten würde.

Roger Kluge (35) startet am Donnerstag auf der Bahn des Izu-Velodroms im Omnium. Am Samstag hat er mit Partner Theo Reinhardt im Zweier-Mannschaftsfahren, auch Madison genannt, eine noch größere Medaillenchance. Zusammen wurden sie 2018 und 2019 Weltmeister. Für Kluge, der als Straßenfahrer auch fünfmal an der Tour de France teilnahm und beim Team Lotto-Soudal unter Vertrag steht, sind es schon die vierten Olympischen Spiele als Bahnradsportler. 2008 gewann er im Punktefahren Silber, in Tokio soll es diesmal möglichst Gold werden.

Herr Kluge, Sie sind bei der Tour de France schwer gestürzt und mussten das Rennen vorzeitig beenden. Wie geht es Ihnen?
Ganz gut muss man sagen, wenn nicht sogar sehr gut. Mittlerweile sind jetzt doch über drei Wochen vergangen und die Wunden gut verheilt. Ein Pflaster ist allerdings noch auf der Hüfte, ich hoffe das aber noch bis zum Rennstart wegzukriegen.

In Tokio starten Sie nun auf der Bahn und nicht auf der Straße: Was macht Ihnen eigentlich mehr Spaß?
Die Bahn vielleicht ein bisschen mehr. Da hat man meist ein viel größeres Team und ist mit anderen Leuten unterwegs. Ich freue mich immer wieder zurückzukehren zur Nationalmannschaft, weil ich ja zwischen Olympia schon mal ein, zwei Jahre abwesend bin. Anders als bei Straßenrennen haben wir dann oft an Ruhetagen die Zeit, auch etwas zu sehen von den Ländern. Da wird sich dann schon mal die Zeit gegönnt. Das ist auf der Straße meist schwieriger, da kann man vielleicht während des Rennens mal rechts oder links die Natur ansehen, aber man kann sie selten genießen. Da macht die Bahn schon generell mehr Spaß.

Fürchten Sie Stürze auf der Bahn mehr als auf der Straße oder denken Sie vor, in oder nach einem Rennen gar nicht an den „Worst Case“?
Nein, ich versuche diesen Worst-Case auszublenden. Wenn man sich darüber Gedanken macht, findet man sich auch selbst darin wieder.

Wie gehen Sie generell mit Stürzen um, die im Radsport ja fast zum Alltag gehören?
Ich bin die letzten Jahre eigentlich ganz gut drumrum gekommen. Klar stürzt man immer mal, aber der letzte größere war 2018 bei einem Straßenrennen im Regen. Von daher denke ich, dass ich eigentlich ein ganz gutes Auge oder Bauchgefühl dafür habe und auch eine gute Übersicht, um Stürze frühzeitig zu erkennen und reagieren zu können. Dennoch gehört es immer zur Regel Nummer eins auf Straße oder Bahn, besser gar nicht erst zu stürzen. Danach kommt Regel Nummer zwei und die ist im besten Fall gewinnen – fürs Team oder eben für sich selbst.

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Stürze sind das eine, aber Sie hatten auch bereits eine Herz-OP und einen kleinen Schlaganfall: Wie sehr hat Sie das beeinflusst und wieso fahren Sie trotzdem weiter?
Es beeinflusst es mich gar nicht. Das war im ersten Jahr und nach der OP vielleicht noch anders, aber solange ich nicht darauf angesprochen werde, ist es jetzt auch vergessen.

Wie schwer ist denn die Umstellung von Straßenradsport auf die Bahn? Kaum zu glauben, aber als Sie 2019 Weltmeister im Madison auf der Bahn wurden, hatten sie kurz davor noch ein Straßenrennen in den Vereinigten Arabischen Emiraten bestritten.
Erklären kann ich mir das auch nicht unbedingt. Ich hatte davor sieben Tage Radrennen und einen Sechs-Stunden-Flug in den Knochen und dann hat es trotzdem irgendwie geklappt. Aber es gehört natürlich noch ein Zweiter dazu und Theo (Reinhardt, d. Red,) war an diesem Tag definitiv besser drauf als ich. Und wenn man es dazu dann taktisch gut angeht, kann man auch mit einer nicht optimalen Vorbereitung ein gutes Ergebnis erzielen. Das kann gutgehen, man hat aber keine Garantie dafür. Aber es war eine schöne Story, an die ich mich gerne zurückerinnere.

Für Kluge, der als Straßenfahrer auch fünfmal an der Tour de France teilnahm, sind es schon die vierten Olympischen Spiele als Bahnradsportler.
Für Kluge, der als Straßenfahrer auch fünfmal an der Tour de France teilnahm, sind es schon die vierten Olympischen Spiele als Bahnradsportler.

© dpa/ Sebastian Gollnow

Sie sprechen Ihren Partner Theo Reinhardt an. Was macht ein gutes Madison-Duo aus und warum ist er der ideale Partner für Sie?
Früher hat man gesagt, dass es gut ist, wenn einer gut sprinten kann und der andere ein bisschen mehr Ausdauer hat. Dass man die Phase zwischen den Sprints mit einem abdeckt und mit dem anderen die Sprints selbst und somit für alles gewappnet ist. Aber das letzte Mal, das Madison olympisch war – 2008 in Peking – da gab es nur alle 20 Runden eine Wertung und dazwischen viel Taktiererei. Jetzt, wo wir seit vier, fünf Jahren alle zehn Runden eine Wertung haben, ist das Rennen um einiges schneller geworden.

Mittlerweile braucht man einfach eine extreme Tempohärte, es wird zwischen den Sprints nicht mehr wirklich langsam. Von daher gehen die Qualitäten der einzelnen Fahrer gar nicht mehr so weit auseinander. Theo und ich sind beide schnell, vielleicht bin ich ein bisschen schneller und habe über eine Stunde gesehen vielleicht den etwas größeren Motor. Aber wenn Theo muss, kann er auch richtig schnell sein. Wir sind schon sehr, sehr ausgeglichen.

Auf der Bahn haben Sie in Ihrer Karriere die größeren Erfolge gefeiert. Wie erklären Sie sich das?

Auf der Straße fahre ich nun seit 2014 nicht mehr für mich. Das war anfangs noch anders, aber das hat sich so ergeben, dass ich nicht schnell gut bin, um Rennen zu gewinnen. Ich habe mich also abgefunden mit der Rolle des Anfahrers und mache das mittlerweile auch gerne. Straßensport ist nun mal eine Teamsportart und ich freue mich da genauso, wenn der Kapitän gewinnt und ich meine Arbeit erledigt habe.

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Die Qualitäten, die man braucht, um auf der Bahn zu gewinnen, bringe ich schon mit. Aber die reichen nicht unbedingt aus, um auch auf der Straße zu gewinnen.

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Sie sind auch für den Omnium-Wettbewerb gemeldet. In welcher Disziplin rechnen Sie sich bessere Chancen aus?
Die besseren Chancen haben wir definitiv im Madison, gerade nach den drei Medaillen bei den letzten drei Weltmeisterschaften. Wir zählen da ganz klar zu den Topfavoriten und das wissen wir auch. Wir werden einfach alles geben, um unseren Goldtraum zu verwirklichen. Aber dennoch habe ich im Omnium auch kleinere Chancen auf die ersten drei Plätze. In London war ich Vierter, in Rio dann Sechster – die Tendenz ist abfallend (lacht). Aber ich hoffe, das umzukehren und würde sehr gerne den Schritt zurück aufs Podest machen.

Was würde Ihnen Olympia-Gold bedeuten? Ist das der Grund, warum Sie jetzt noch einmal alles investiert haben, um in Tokio dabei zu sein?
Gold wäre natürlich ein Traum. Einzel-Gold fehlt mir noch in meiner Sammlung. Ich bin superstolz auf die beiden WM-Titel, die ich mit Theo gewonnen habe. Aber so eine Einzelmedaille ist noch mal was anderes. Das wäre schon ein riesen Ding, das würde mir schon sehr viel bedeuten.

Und wenn es in Tokio nicht klappt?
Theoretisch kann man solange weiterfahren, wie man Spaß hat, gut genug ist und gesund bleibt. Die Bahn ist ja nur mein Zweitjob oder mein Hobby, auch wenn ich das natürlich professionell angehe. Aber Olympia in Paris ist gar nicht mehr so weit weg. Natürlich fahre ich in erster Linie Straßenrennen, damit verdiene ich schließlich mein Geld. Ich habe auch keine Angst, mit 40 noch auf der Straße zu fahren. Aber nach der Straßenkarriere würde ich dann vielleicht noch ein Jahr auf der Bahn dranhängen, um es dort ausklingen zu lassen. Mit einer Sechs-Tage-Saison würde ich mich gern verabschieden wollen.

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