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Applaus, Applaus! Herthas Trainer Tayfun Korkut hielt sich nach der deprimierenden 1:6-Niederlage gegen Leipzig vor allem mit der guten Phase vor dem Platzverweis auf.

© imago images/Matthias Koch

Nach der 1:6-Niederlage gegen Leipzig: Trainer Tayfun Korkut verbreitet Optimismus

Das 1:6 gegen Leipzig ist der nächste Tiefschlag, den Hertha BSC einstecken muss. Trotzdem hat Trainer Korkut vieles gesehen, was ihn zuversichtlich stimmt.

Wenige Minuten vor Schluss meldete sich die Ostkurve noch einmal zu Wort. Sie feierte den jungen Mann, der beim Stand von 1:5 noch entschlossen nach vorne spielte und sich sogar eine gute Chance für Hertha BSC erarbeitete.

Anton Kade, seit einem Monat volljährig und bei seinem Debüt in der Fußball-Bundesliga erst ein paar Minuten auf dem Platz, erkannte den sich bietenden Raum, er startete hinein und kam im Strafraum recht frei zum Abschluss. Der Ball landete zwar am Fuß von Leipzigs Torhüter Peter Gulacsi. Trotzdem feierten die Fans in der Kurve Kade für seinen Eifer. Sie riefen: „Linus Gechter!“

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Man muss ihnen diesen Anflug von Ignoranz ein wenig nachsehen. Nicht weil das Olympiastadion so ausladend angelegt ist, dass man die Spieler auf dem Platz oft nur schwer erkennen kann. Bei Hertha standen am Sonntagabend gegen Rasenballsport Leipzig einige junge Leute im Kader, an denen auf der Straße selbst eingefleischte Fans womöglich einfach vorbeilaufen würden. Jungs wie Gechter und Kade, wie Cimo Röcker, Julian Albrecht und Christalino Atemona.

Trainer Tayfun Korkut nannte die Situation „echt extrem“, nachdem die Berliner am Samstag von einem massiven Coronaausbruch heimgesucht worden waren. Hertha stand nach Aussage von Sportgeschäftsführer Fredi Bobic sogar kurz davor, die Verlegung des Spiels zu beantragen. Acht Profis fehlten mit einer Covid-19-Erkrankung, und von den sieben Spielern auf der Ersatzbank (statt der zugelassenen neun) waren fünf noch nie in der Bundesliga zum Einsatz gekommen.

Echt extrem: Das traf auch auf den Verlauf des Spiels zu, das sich für Hertha zwischenzeitlich, rund um das 1:1 durch Stevan Jovetic unmittelbar nach der Pause, in eine extrem gute Richtung zu entwickeln schien. Und das schließlich mit einem extrem deprimierenden Resultat endete. „Wahnsinn, ein Stück weit auch“, sagte Trainer Korkut mit Blick auf die 1:6-Niederlage. „Das Ergebnis will und kann ich nicht kleinreden. Aber ich werde auch die Leistung nicht klein reden lassen.“

„Das ist mehr als eine Herausforderung“, sagt Korkut

Eine Niederlage in dieser Höhe und mit dieser Wucht hat ohne Frage die Qualität, ein wackliges Gebilde wie Hertha BSC ins Wanken oder sogar zum Einsturz zu bringen. „Das ist keine einfache Situation“, sagte Korkut. „Das ist auch mehr als eine Herausforderung.“

Nicht zuletzt angesichts der komplizierten Gesamtkonstellation: Die Mannschaft ist im Jahr 2022 auch nach dem siebten Pflichtspiel immer noch ohne Sieg. In der Rückrundentabelle der Bundesliga ist Hertha BSC inzwischen auf dem letzten Platz angekommen, und ein positiver Effekt des Trainerwechsels Ende November allenfalls noch in der B-Note zu erkennen.

Aus zehn Spielen unter Korkut hat die Mannschaft neun Punkte geholt. Von Rang 14 ging in dieser Zeit runter auf 15, und von drei Punkten Vorsprung auf den Relegationsplatz ist nur noch einer geblieben. „Es tut uns natürlich nicht gut, es wird uns aber auch nicht umhauen“, sagte Korkut über das 1:6 gegen Leipzig. „Wir sind noch überm Strich. Da werden wir auch bleiben.“

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Hertha hat viele Gründe, mit sich und der Welt zu hadern: die vielen Kranken und Verletzten. Am Sonntag musste sich auch noch Stevan Jovetic vorsichtshalber wegen muskulärer Probleme im Oberschenkel auswechseln lassen. Und so wie die Dinge zuletzt gelaufen sind, würde es wohl kaum jemanden erstaunen, wenn Jovetic, aktuell Herthas wichtigster Spieler, jetzt erst mal wieder länger ausfallen würde.

Hinzu kommen die sportlichen Probleme. Am Sonntag kulminierte alles in einer Szene nach etwas mehr als einer Stunde. Marc Kempf, im Winter als Stabilisator für die wacklige Abwehr verpflichtet, versuchte seinen Gegenspieler Christopher Nkunku im eigenen Strafraum mit einem Klammergriff zu halten. Es gab Rot für Kempf und Elfmeter für Leipzig. Danach war kein Halten mehr.

„Das sind schon ein paar Hindernisse, die wir haben“, sagte Korkut. „Aber so ist es im Leben doch auch.“ Herthas Trainer versuchte sich an den positiven Dingen festzukrallen: daran dass sein Team in der Lage gewesen war, das Duell mit dem Champions-League-Aspiranten in Gleichzahl weitgehend gleichwertig zu gestalten; dass seine Spieler den Plan für dieses Match sehr diszipliniert umgesetzt hatten und Hertha nach dem Ausgleich sogar gute Chancen hatte, in Führung zu gehen. „Das regt mich umso mehr auf, dass wir es nicht geschafft haben, das Spiel auf unsere Seite kippen zu lassen“, sagte Korkut.

Marc Kempf wurde für ein Spiel gesperrt

Das Problem ist, dass es nicht der erste Wirkungstreffer war, den die Berliner einstecken mussten. Was macht das auf Dauer mit Herthas vegetativen Nervensystem? „Es geht jetzt um Nehmerqualitäten“, sagte Korkut. Die Mannschaft ist immer wieder zu guten Phasen fähig – aber eben auch immer dazu, kurzfristig alles zu vergessen, was sie stark gemacht hat.

In Fürth, beim Tabellenletzten, geriet Hertha nach 27 Sekunden in Rückstand; dem VfL Bochum reichte eine Offensivaktion nach der Pause, um die Berliner komplett aus dem Tritt zu bringen. Gegen Leipzig war es besonders arg, inklusive möglicher Spätfolgen.

Innenverteidiger Kempf ist am Montag für ein Spiel gesperrt worden und wird damit am Samstag im Auswärtsspiel in Freiburg fehlen. Wer von den Covidkranken bis dahin wieder gesund ist und zur Verfügung stehen wird, ist auch noch fraglich. „Das war eine richtige Grätsche“, sagte Tayfun Korkut über die Niederlage gegen die Leipziger. „Aber wir stehen auf. Wir stehen auf.“ Es klang wie eine Beschwörung.

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