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Der Expressionist. Davie Selke ist ein Stürmer, der sein Inneres gern nach außen trägt.

© imago images/Jan Huebner

Nach dem Abstieg mit Bremen zurück bei Hertha BSC: Davie Selke könnte der Joker werden

Die Erwartungen an Davie Selke sind nach seiner Rückkehr zu Hertha BSC nicht besonders hoch. Vielleicht kann der Stürmer gerade davon profitieren.

Wenn jemand wissen will, was genau man unter dem Begriff „expressionistisch“ versteht, dann empfiehlt sich ein Besuch auf dem Trainingsplatz von Hertha BSC. Man sollte auf den Fußballer Davie Selke achten und den Moment abwarten, in dem Selke in einer Trainingsübung ein Tor erzielt.

Egal wie belanglos diese Übung auch erscheinen mag: Herthas alter neuer Stürmer wird aller Wahrscheinlichkeit nach aus sich herausgehen, exzessiv jubeln und schreien und sein Innerstes nach außen kehren.

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Wer sich schon ein bisschen mehr mit Hertha BSC und der Geschichte von Davie Selke beschäftigt hat, der könnte ein wenig überrascht sein. Weil man nach den Erfahrungen der vergangenen anderthalb Jahre womöglich einen anderen Spieler erwartet hätte; einen, der in sich gekehrt ist, der seine – auch persönliche – Niederlage noch irgendwie mit sich herumschleppt. „Es ist kein Geheimnis, dass ich nicht zufrieden war und über einen längeren Zeitraum nicht das auf den Platz bringen konnte, was möglich ist“, sagt Selke selbst.

Im Januar 2020 ist er auf Leihbasis für zunächst anderthalb Jahre an seinen Ex-Klub Werder Bremen verliehen worden. Die Transfervereinbarung sah für die Bremer eine feste Verpflichtung des Stürmers vor, gesetzt den Fall, sie bleiben in der Bundesliga. 2020 gelang Werder das in der Relegation. 2021 gelang es Werder nicht mehr, so dass Davie Selke jetzt wieder zurück in Berlin ist.

Werder Bremen hätte viel Geld zahlen müssen

Die Begeisterung vieler Hertha-Fans über Selkes Rückkehr hat sich in Grenzen gehalten – wahrscheinlich auch deshalb, weil die Bremer für den 26 Jahre alten Stürmer eine Ablöse hätten bezahlen müssen, die noch vor der Corona-Pandemie vereinbart worden war. Von 12,5 Millionen Euro war die Rede. Aber auch sportlich hat Selke in Bremen nicht überzeugen können. In 34 Ligaspielen für Werder erzielte er gerade mal drei Tore.

„Ich würde keinen Spieler abschreiben“, hat Herthas Pal Dardai gleich nach dem feststehenden Abstieg der Bremer gesagt. „Manchmal sind Spieler mit Frust die besten.“ Zudem hat Selke unter dem Ungarn seine bisher beste Zeit als Fußballer erlebt: In Dardais erster Amtszeit als Trainer von Herthas Profis war er ein wichtiger Faktor im Sturm.

„Ich habe bei Hertha bewiesen, was ich kann“, wird Selke, der derzeit nicht mit den Medien redet, auf der Homepage seines Arbeitgebers zitiert. „Im ersten Jahr hatte ich die beste Quote überhaupt in meiner Karriere.“ In der Saison 2017/18 erzielte er in 31 Pflichtspielen 14 Tore – mehr sogar als in den folgenden drei Spielzeiten zusammen.

„Er hat schwere eineinhalb Jahre hinter sich, das weiß er selbst“, sagt Herthas neuer Sportgeschäftsführer Fredi Bobic über Selke. „Aber er macht auf mich einen sehr aufgeräumten, sehr motivierten Eindruck. Wir wissen, was er kann. Und Pal hat ihn schon damals gut hinbekommen. Da hat Davie gut funktioniert.“

Im Sturm von Hertha BSC ist noch vieles in der Schwebe

Selke könnte bei Hertha so etwas wie der Joker werden – gerade jetzt, da in der Besetzung des Sturms noch vieles in der Schwebe ist. Jhon Cordoba, vor einem Jahr für 15 Millionen Euro aus Köln geholt, ist zwar gesetzt. Dahinter aber scheint vieles offen.

Krzysztof Piatek fällt mit seiner Sprunggelenksverletzung weiterhin aus; wann er das Training wieder aufnehmen kann, ist offen. Dodi Lukebakio, den Dardai ebenfalls im Zentrum und nicht auf außen sieht, soll noch verkauft werden. Jessic Ngankam aus dem eigenen Nachwuchs ist bereits an Aufsteiger Greuther Fürth verliehen, hat sich zudem schwer am Knie verletzt, und der junge Holländer Daishawn Redan spielt in Herthas Planungen wohl keine Rolle mehr.

Dass Selke von seinem neuen alten Trainer grundsätzlich geschätzt wird, ist für ihn und seine Perspektive ganz sicher kein Nachteil. „Davie ist einfach ein feiner, ein fleißiger Junge“, sagt Dardai. „Im Training zieht er richtig gut mit. Er beißt und arbeitet konzentriert.“ Und auch der Kabine tue er mit seiner positiven Art gut.

Selke hat in jedem Testspiel getroffen

Natürlich könnte es im Sturm noch prominente Neue geben, vor allem wenn die Berliner durch die Transfers von Lukebakio und Matheus Cunha viel Geld einnehmen sollten. Trotzdem sagt Bobic über die aktuelle Situation: „Für Davie ist es eine Riesen-Chance. Natürlich planen wir mit ihm.“ Selke, dessen Vertrag bei Hertha noch zwei Jahre läuft, müsse noch an bestimmten Dingen arbeiten, im Abschluss zum Beispiel sauberer werden. „Das Schöne ist, dass er motiviert ist“, sagt Herthas Geschäftsführer. „Er kommt hier sehr positiv rüber.“

In allen drei bisherigen Testspielen hat Selke getroffen, insgesamt fünf Mal. Natürlich war das Niveau der Gegner überschaubar. Doch nach einem Landes-, einem Ober- und einen Regionalligisten steht für die Berliner an diesem Mittwoch mit dem Spiel gegen Hannover 96 im Amateurstadion (17 Uhr) immerhin ein Test gegen einen Zweitligisten an. „Ich möchte meine Qualitäten wieder verstärkt auf den Platz bringen“, sagt Selke. „Dann bin ich mir sicher, dass ich der Mannschaft mit meiner Art und Weise weiterhelfen kann.“

Schon im Sommerurlaub hat er sich mit Extraschichten auf die Vorbereitung vorbereitet. Bisher macht sich das bezahlt. Davie Selke sagt: „Ich weiß gar nicht, ob ich in meiner Karriere schon mal so fit war, wie ich es aktuell bin.

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