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Nationalkicker werben für Menschenrechte - das empfindet so mancher als heuchlerisch.

© dpa

Kritik an „Human Rights“-Botschaft der Nationalelf: Besser eine Meinung als keine

Ist es heuchlerisch, wenn die Nationalmannschaft für Menschenrechte wirbt? Mag sein. Trotzdem kann die Botschaft Wirkung entfalten. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stefan Hermanns

Sechstausendfünfhundert Arbeitsmigranten sind laut Medienberichten in Katar ums Leben gekommen, seitdem das Emirat am Golf im Jahr 2010 den Zuschlag für die Fußball-Weltmeisterschaft 2022 erhalten hat. 6500. Das ist eine monströse Zahl, die jede Kritik an der WM-Vergabe durch den Weltverband Fifa, aber auch an dem Land selbst nicht nur rechtfertigt, sondern geradezu herausfordert.

Insofern lässt sich wenig sagen gegen die Aktion der deutschen Nationalspieler, die am Donnerstag vor ihrem ersten Spiel in der WM-Qualifikation auf die Bedeutung der Menschenrechte hinweisen sollte. In echter Handarbeit hatten die Elitefußballer sich weiße Buchstaben auf schwarze T-Shirts gepinselt, die kurz vor dem Anpfiff und damit für die ganze Welt sichtbar den Begriff „Human Rights“ bildeten.

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Die Reaktionen darauf waren erwartbar: Wohlfeil sei das, wenn mit der Kritik nicht zugleich die Forderung nach einem Boykott der WM verbunden sei. Mit Verlaub: Auch das ist wohlfeil. Man muss die privilegierten Nationalspieler nun wirklich nicht gleich in den Stand von Heiligen erheben, nur weil sie sich einmal plakativ zur Schlechtigkeit der Welt geäußert haben. Aber überhaupt mal eine Meinung zu haben und sie auch zu äußern ist definitiv besser, als keine Meinung zu haben.

Natürlich ist es leicht, die hochbezahlten Profis der fortwährenden Heuchelei zu überführen. Im Februar in Katars Hauptstadt Doha in einem neu gebauten Stadion (unter welchen Bedingungen eigentlich?) den Gewinn der Klub-WM bejubeln und im März für die Einhaltung der Menschenrechte einstehen: Wie, bitte schön, passt denn das zusammen? Gar nicht.

Wie ist es mit unserer Moral bestellt?

Aber scheitert nicht auch die Moral von uns Ottonormalverbrauchern viel zu oft an der sogenannten Realität? Wir wissen, dass es für das Leben von Schweinen und Hühnern nicht besonders gesund gewesen sein kann, wenn ihr Fleisch für ein paar Cent im Supermarkt verramscht wird – und kaufen es trotzdem. Wir ahnen, dass T-Shirts nur dann für einen Spottpreis in den Handel gelangen können, wenn die Menschen am Ende der Lieferkette aufs Schlimmste ausgebeutet werden. Aber, hey: Wir müssen doch auch gucken, wo wir bleiben.

Dass die Verhältnisse sind, wie sie sind, heißt trotzdem nicht, dass man einfach weitermacht wie bisher. Die Kritik an den Verhältnissen bleibt notwendig, auch in der Hoffnung, dass irgendwann unser Bewusstsein dazu führt, dass wir unser Sein ändern.Dass die Fußball-WM 2022 in Katar stattfinden wird, ist eine der historisch schlimmsten Entscheidungen, die die Fifa je getroffen hat. Aber auch diese Entscheidung hat eine Kehrseite. Die öffentliche Aufmerksamkeit und die Kritik an den Zuständen in Katar haben dazu geführt, dass das Emirat zumindest erste, wenn auch zarte, Reformen auf den Weg gebracht hat. Das sagt nicht Uli Hoeneß, dessen Verein Bayern München von der katarischen Fluggesellschaft alimentiert wird. Das sagt Amnesty International.

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