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© imago images/ITAR-TASS

Historischer Dreifach-Triumph im Bob: Francesco Friedrich und Thomas Margis bilden ein perfektes Duo

Die Machtdemonstration des Erfolgs-Duos lässt Konkurrenten und Beobachter staunen. Auf dieser Bahn hatten sich die beiden zuvor schwer getan.

Die anderen erzählen, Francesco Friedrich macht, und Thorsten Margis übernimmt den nicht zu unterschätzenden emotionalen Part. Damit ist alles gesagt – und doch wieder nicht, nach diesem Zweierbob-Rennen schon gar nicht. So selbstverständlich das Ergebnis wirken mag, wenn der Bobdominator gewinnt, diesmal ist alles anders. Es ist schließlich Olympia. Die Sieger aber heißen wieder: Friedrich/Margis.

Das eingespielte Erfolgsduo hat den Olympiasieg nicht irgendwie geholt. Es ist eine Machtdemonstration, die Konkurrenten und Experten gleichermaßen staunen lässt. Mit vielem haben sie gerechnet, und nicht wenige haben geglaubt, dass sie Friedrich diesmal kriegen. Am Ende ist er vorne, und zwar mit Abstand. 0,49 Sekunden Vorsprung – umgerechnet 25 Meter – sind es auf Johannes Lochner/Florian Bauer. Weitere 1,2 Sekunden zurück auf dem dritten Platz machen die Olympia-Debütanten Christopher Hafer/Matthias Sommer den deutschen Dreifach-Erfolg perfekt. Das hat es im Bobsport nie zuvor gegeben.

Die Art und Weise seines Triumphs lassen Friedrich für einen Moment emotional explodieren. Es ist der dritte Lauf, 20.15 Uhr Ortszeit. „Im dritten Lauf werden die Messen gelesen“, hat Margis tags zuvor gesagt. Es bleibt nicht nur bei der Ankündigung. Wieder Startrekord, wieder Bahnrekord – 1.615 Meter in 58,9Sekunden, was den Olympiasieg in greifbare Nähe rücken lässt. Und dann passiert’s: Friedrich schreit, ballt die Fäuste, die Anspannung muss jetzt raus – aber auch der Bob aus der Bahn. Sie haben schließlich erst mal nur vorgelegt, die anderen kommen jetzt.

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Beide spüren: Das Ding ist durch. Und während die Zweitplatzierten am Start stehen, klatschen Friedrich und Margis sich nicht nur ab, wie es oft nach Läufen tun. Diesmal umarmen sich der Perfektionist an den Lenkseilen und sein erfolgsbesessener Anschieber – eine Geste, die mehr sagt als alle Worte. Mit Start- und Bahnrekord haben die beiden Ausnahmeathleten schon im ersten Lauf die Konkurrenz geschockt, im zweiten Lauf verbessern sie die Bestzeit im Start erneut, nur leistet sich Friedrich zwei Ungenauigkeiten in der Bahn. „Pillepalle“, sagt Margis dazu, der Vorsprung aber schrumpft von 0,24 auf 0,15 Sekunden. Schließlich der zweite Tag, an dem alle schwächeln – außer die Sieger.

Jahrhunderttalent im Bobsport

„Du musst deine Leistung abrufen, wenn es darauf ankommt und du gefordert bist. Das ist Weltspitze. Und das kann keiner so wie er", sagt Gerd Leopold, stellvertretender Bundestrainer und Friedrichs Heimtrainer. Seit 2010 arbeiten beide zusammen, drei Olympiasiege, elf WM-Titel und 66 Erfolge im Weltcup sind das Ergebnis bis jetzt.

So schwierig wie diesmal war es noch nie, obwohl Friedrich seit 2017 in allen großen Rennen ungeschlagen ist und 18 der 20 Zweier-Weltcups in den vergangenen beiden Jahren gewonnen hat. Denn in der Bahn yon Yangqing gibt es nicht diese eine Schlüsselstelle, es sind zahlreiche Kleinigkeiten, die den Eiskanal zu einer großen Herausforderung machen. Und Friedrich mag wirklich das Jahrhunderttalent im Bobsport sein, das Fahrerische geht ihm besonders bei neuen Strecken nicht so leicht von der Hand wie anderen. Er braucht seine Zeit.

Die ersten 46 Fahrten in den drei Trainingswochen im Oktober hier in China waren dafür nicht genug. Detail für Detail kam er zwar auch an den beiden Trainingstagen in der Vorwoche voran, spätestens die sechs offiziellen Trainingsläufe offenbarten aber, die Konkurrenz ist mindestens genauso schnell – und Lochner deutlich schneller. Noch dazu ließ der das Abschlusstraining weg, so sicher fühlte er sich offenbar.

Und Friedrich? Wirkte ungewohnt angespannt. Etwas beschäftigte ihn, und es war nicht nur die Suche nach der Ideallinie, die er wie immer mit akribischem Videostudium betreibt. Er muss es sehen, wieder und immer wieder, muss sich intensiv damit auseinandersetzen. Und diesmal ganz besonders, doch es ist ihm nicht genug. Erst am zweiten Tag sickerte die Nachricht durch.

Der Schlittenwechsel hat sich ausgezahlt

Der Rekordweltmeister hatte den Bob gewechselt, ist kurzfristig auf den Schlitten von Europameisterin Kim Kalicki umgestiegen. Dieser Schlitten wurde wie Friedrichs Bob vom Berliner Institut zur Forschung und Entwicklung von Sportgeräten (FES) gebaut, hat aber ein für die aktuellen Bedingungen schnelleres Setup. Der zweitplatzierte Lochner setzte von Beginn an auf diese Einstellung und war im Training schneller.

Beim Vierer – die Königsklasse im Bobsport und lange Zeit Friedrichs schwächere Disziplin – kann er für das Rennen am Samstag und Sonntag nicht tauschen, muss es aber auch nicht. Mit dem großen Schlitten fühlt sich der Pilot in Yanqing sicher, das hat er in den vergangenen Tagen und auch schon vor dem Abflug nach Peking immer wieder betont. Für die Konkurrenz, das ist spätestens seit Dienstagabend klar, verheißt das nichts Gutes.

Tino Meyer

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