zum Hauptinhalt
Für Hansi Flick war das Auswärtsspiel in Amsterdam das erste Duell mit einer großen Fußballnation.

© IMAGO/Avanti

Erster echter Härtetest gegen Holland: Hansi Flick hat der Nationalmannschaft neue Energie verpasst

Deutschland spielt beim 1:1 in den Niederlanden streckenweise sehr dominant. Doch das ist nicht die einzige erfreuliche Erkenntnis. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Stefan Hermanns

Im Eifer des Gefechts rutschte Hansi Flick ein Satz heraus, den man sonst eher vom Trainer eines Fünftligisten kennt, der gerade in der ersten Runde des DFB-Pokals nach hartem Fight gegen einen Gegner aus der Bundesliga ausgeschieden ist. „Wir haben uns sehr gut verkauft“, sagte Flick nach dem 1:1 seiner Mannschaft in Holland gegen Holland.

Flick trainiert keinen Fünfligisten, sondern die deutsche Fußball-Nationalmannschaft, und der Anflug von Understatement war vermutlich weder gewollt, weil Flick sehr wohl über ein ausgeprägtes Selbstvertrauen verfügt. Noch war diese Demutshaltung angemessen – auch wenn am Ende nicht viel gefehlt hätte, und die Deutschen wären als Verlierer aus diesem Prestigeduell gegen einen ihrer Lieblingsrivalen hervorgegangen.

Im Großen aber blieb ein anderer Eindruck von diesem Spiel haften, das vorab zum ersten echten Test für die Qualität der Nationalmannschaft unter ihrem immer noch halbwegs neuen Bundestrainer erklärt worden war. Die acht Siege in den ersten acht Spielen unter Flick waren alle mit einer Fußnote versehen worden. Mit dem Zusatz nämlich: Eine verlässliche Aussage über die Stärke der Nationalmannschaft ist weiterhin nicht möglich, da ihre bisherigen Gegner – von Liechtenstein bis Israel – höchsten Ansprüchen nicht gerecht geworden sind.

[Wenn Sie aktuelle Nachrichten aus Berlin, Deutschland und der Welt live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Die Niederlande sind eine andere Kategorie, auch wenn sich die Elftal in einem ähnlichen Zustand befindet wie das deutsche Team. Auch Flicks Kollege Louis van Gaal ist erst nach der verkorksten EM ins Amt gekommen, auch er versucht sich an einem Neuanfang, und auch er kann inzwischen erste Erfolge auf dem Weg zurück nach oben vorweisen.

Gegen diesen Gegner von Format legte die deutsche Mannschaft am Dienstagabend einen durchaus beeindruckenden Auftritt hin – zumindest eine gute Stunde lang. Flicks Team war mutig und dominant, ließ sich auch von der feindlichen Umgebung weder irritieren noch einschüchtern. Die Deutschen spielten so, wie van Gaal sich das von seiner Mannschaft vorgestellt hatte. „Deutschland ist ein Top-Land“, sagte der Bondscoach nach der Partie, „ein Kandidat auf den WM-Titel.“

[Mehr guten Sport aus lokaler Sicht finden Sie – wie auch Politik und Kultur – in unseren Leute-Newslettern aus den zwölf Berliner Bezirken. Hier kostenlos zu bestellen: leute.tagesspiegel.de]

Korrekter wäre es gewesen, wenn er gesagt hätte: Deutschland ist wieder ein Top-Land. Und das hat Deutschland vor allem Hansi Flick zu verdanken. Der Bundestrainer hat die Nationalmannschaft auf ein neues Energielevel gehoben und ihr eine andere Haltung verpasst. Eine Haltung, die offenbar nicht nur gegen Mannschaften wie Israel und Armenien taugt, sondern auch gegen die Upper Class des internationalen Fußballs.

Aber das war nicht die einzige erfreuliche Erkenntnis für den Bundestrainer aus dem Abend von Amsterdam. Dass sein Team den Sieg trotz seiner Überlegenheit fast noch verspielte und am Ende sogar eine Niederlage gegen die nun euphorischen Holländer möglich erschien, das war für seine Spieler eine pädagogisch nicht zu unterschätzende Erfahrung. Ein weiterer Sieg, zumal gegen eine starken Gegner hätte die Mannschaft womöglich zu der irrigen Ansicht verleitet, dass es jetzt von alleine immer so weiter läuft. Das tut es aber nicht.

Zur Startseite