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Ryan McKiernan wird von der Bank für seinen Siegtreffer in Ingolstadt gefeiert.

© IMAGO / kolbert-press

Eisbären spielen zu Hause ums Finale: Wenn die Gäste im Homeoffice stören

In diesen Play-offs gibt es mehr Auswärts- als Heimsiege – die Eisbären sehen sich daheim trotzdem im Vorteil.

Als vieles in der Arena von Ingolstadt am Mittwochabend schon auf eine Verlängerung hindeutete, gelang es den Eisbären doch noch, den müde werdenden Gegner auszukontern. Ein Fehler des Ingolstädters Mat Bodie, ein Pass des Berliners Zach Boychuk auf Ryan McKiernan, der Richtung gegnerisches Tor spurtete und den Puck hineindrosch – und die Halbfinalserie zwischen Eisbären und ERC Ingolstadt war auf 1:1 ausgeglichen.

Mit einem 3:2-Auswärtssieg der Berliner, die nun die Oberbayern im dritten und entscheidenden Spiel der nach dem Modus „Best of three“ ausgetragenen Play-off-Serie am Freitag (18.30 Uhr, live auf Sport 1 und Magentasport) empfangen.

Nach dem aufregenden Finale von Ingolstadt sprach der Siegtorschütze im Interview unaufgeregt: „Ich habe es einfach nach Hause gebracht.“ Natürlich, auf Deutsch hätte der US-Amerikaner McKiernan womöglich gesagt, er habe „den Sack zugemacht“, oder so etwas.

Auswärtsteams in den Play-offs erfolgreicher

Aber in der Floskel lässt sich Tiefe entdecken: Die Eisbären haben die Serie nun tatsächlich nach Hause gebracht. Sie haben den Heimvorteil im alles entscheidenden Spiel und für den Heimvorteil in so einem wichtigen Spiel, arbeiten die Mannschaften in der Deutsche Eishockey-Liga (DEL) die gesamte Hauptrunde. Daheim ist man ja allgemein im Vorteil.

Angefeuert von den eigenen Fans im eigenen Haus ist es in den Statistiken aller Mannschaftssportarten so, dass es mehr Heim- als Auswärtssiege gibt – in Zeiten, als es noch keine Geisterspiele gab, wie in dieser DEL-Saison durchweg. Und an den Ergebnissen gemessen, scheint der Heimvorteil in den laufenden Play-offs der Liga keine Rolle zu spielen.

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Im Gegenteil, es gibt den Heimnachteil: In den bislang 15 Play-off-Spielen der DEL siegte acht Mal die Auswärtsmannschaft. Diese Statistik ist gemessen an den bis jetzt jüngsten regulär ausgetragenen Play-offs der Liga aus dem Jahr 2019 erstaunlich: Damals, als noch Pre-Play-offs und danach im Modus „Best of seven“ gespielt wurde, lautete die Bilanz am Ende der Saison nach 46 Spielen in der Endrunde 27:19-Siege zugunsten der Gastgeber.

Das Problem an diesem Vergleich ist allerdings, dass die Miniserien in dieser Saison womöglich eine andere Dynamik haben und in der DEL-Hauptrunde der Heimvorteil noch ein Faktor war: Nur vier von 14 Teams hatten da eine negative Bilanz.

Fans sorgen für den Heimvorteil

Der Sportpsychologe Markus Flemming, auch Teampsychologe der Eisbären, sagt: „Klar, die Zuschauer fehlen, die sind sonst ein Magnet. Normalerweise sagt sich die Mannschaft in Berlin, unseren 14 200 positiv aufgeregten Fans in der Halle, denen werden wir jetzt einen schönes Nachmittag bereiten. Auf der anderen Seite geben wir den Spielern auswärts mit auf den Weg: Den 13 000 Zuschauern in Mannheim oder den 18 000 in Köln, den könnt ihr jetzt den Tag vermiesen. Da findet dann eine soziale Interaktion statt und das setzt in jede Richtung Energien frei.“

Der Faktor eigenes Haus ist für die Mannschaften ein großer. Jedes Team fühlt sich in der eigenen Kabinen wohler als in einer oft engeren Gästekabine. Die Spieler kennen die Umgebung natürlich besser als bei einem Auswärtsspiel. Das gibt innere Sicherheit. Flemming, früher Torwart in der DEL, sagt: „Da habe ich meine eigene Kabine, mein eigenes Eis, da kenne ich mich besser aus als der Gegner. Und dann sind die Spieler stolz auf ihr Heim und dieser Stolz motiviert.“
Auch der Faktor Fans ist immer ein wichtiger Faktor für die Spieler, glaubt Lukas Reichel. Die Anhänger „pushen einen immer ein Stück weiter nach vorn“, sagt der Eisbären-Stürmer. Natürlich sei es nun andersrum einfacher auswärts gegen eine stumme Kulisse anzuspielen – so wie am Mittwoch in Ingolstadt.

Und dann beeinflusste der Lärm der Heimfans im alten Normalfall womöglich auch die Schiedsrichter, auch wenn sie sich dagegen stemmen mögen so gut wie es geht, unterschwellig mag es anders sein. Kein Mensch erntet für seine Aktionen und Entscheidungen lieber Pfiffe als Applaus. Eine Annahme, die Flemming allerdings nicht als so prominent ansieht. „Die Schiedsrichter sind sich dessen bewusst und werde dahingehend trainiert. Ich muss sagen, die Leistungen in der DEL sind da sehr gut.“

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Kleiner Vorteil von Auswärtsmannschaften ist sicher, dass sie sich auf der Reise und im Hotel länger schon gemeinschaftlich auf die anstehende Aufgabe Auswärtsspiel einstimmen können. Allerdings dürfte das in der Serie Eisbären gegen Ingolstadt auch keine große Rolle spielen, da beide Teams von Ingolstadt am Donnerstag nach Berlin reisten.

Für Psychologe Flemming sind das alles wichtige Faktoren, an denen er mit der Mannschaft arbeitet. „Die Spieler spielen aber auf so einem Level, dass sie es schon schaffen können, sich so sehr auf das Spiel zu fokussieren, dass äußere Faktoren nicht zu einem Nachteil werden können. Dann ist es auch noch ein Punkt, dass das Adrenalin in de Play-offs höher ist als sonst und die Leistungen enorm sind.“ Auch das könne den Einfluss äußerer Faktoren abschwächen, sagt Flemming.
Eisbären-Trainer Serge Aubin sagte übrigens, es sei schön, dass seine Mannschaft „die Serie nach Hause geholt“ habe. Vielleicht wird der Heimvorteil für die Eisbären dann am Freitag tatsächlich nicht zum Nachteil. Zumindest zum Teil haben sie die Statistik auf ihrer Seite: In der Hauptrunde waren sie nach den Adler Mannheim das heimstärkste Team.

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