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Unter der Tarnkappe. Davie Selke hatte die mögliche Rettung für Werder Bremen auf dem Fuß. Der Stürmer, der von Hertha BSC ausgeliehen war und jetzt nach Berlin zurückkehrt, vergab kläglich.

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Update

Bielefeld rettet sich, Köln in der Relegation: Werder Bremen sagt Tschüss

Die Entscheidung im Abstiegskampf ist gefallen: Nach 40 Jahren Bundesliga steigt Werder Bremen ab. Auch Thomas Schaaf hat den freien Fall nicht stoppen können.

Frank Baumann weiß nicht nur, wie sich ein Abstieg anfühlt; er weiß auch, wie es sich anfühlt, einen Abstieg verursacht oder zumindest nicht verhindert zu haben. Bevor Baumann im Sommer 1999 als Spieler zu Werder Bremen wechselte, wo er inzwischen Sportdirektor ist, hat er mit dem 1. FC Nürnberg einen der legendärsten Abstürze in der Geschichte der Fußball-Bundesliga miterlebt. Der Club war als Tabellenzwölfter in den letzten Spieltag gestartet – und landete am Ende auf Platz 16.

Es wäre alles ganz anders gekommen, wenn Baumann den Ball damals knapp fünf Minuten vor dem Abpfiff aus 2,64 Metern zum 2:2 ins Tor des SC Freiburg geschossen hätte – und nicht in die Arme von Torhüter Richard Golz.

Vielleicht ist Baumann diese Szene am Samstag um kurz vor vier noch einmal durch den Kopf geschossen, als seine Mannschaft auf dem Weg war, das immens wichtige 1:1 gegen Borussia Mönchengladbach zu erzielen. Josh Sargent lief alleine auf Torhüter Yann Sommer zu, er legte den Ball in die Mitte zu seinem Kollegen Davie Selke. Sommer krabbelte schon über den Boden – und Selke schoss ihm den Ball aus sieben Metern gegen die Hand.

Nein, es lief nicht besonders gut für Werder. Nicht in dieser Szene und auch sonst nicht. Die erhoffte Rettung durch Interimstrainer Thomas Schaaf blieb aus, nicht mal für die Relegation reichte es – weil der 1. FC Köln gegen Schalke 04 durch ein Tor fünf Minuten vor dem Ende 1:0 gewann und auf den letzten Drücker noch an Werder vorbei hüpfte und nun in der Relegation gegen den Dritten der Zweiten Liga eine Zusatzchance auf den Klassenerhalt bekommt. Aufsteiger Arminia Bielefeld, vor der Saison der vermeintliche Absteiger Nummer eins, rettete sich durch einen 2:0-Sieg beim VfB Stuttgart.

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Um exakt 17.25 Uhr ertönte in Bremen der finale Pfiff von Schiedsrichter Felix Brych. Für Werder endete ein Spiel zum Vergessen. Eine Saison zum Vergessen. Und 40 Jahre Bundesligazugehörigkeit. Im Weserstadion war kein Mucks zu hören.

Thomas Schaaf, Meistertrainer und Vereinslegende, hatte es noch herausreißen sollen. „Ich hab’s versucht“, sagte der 60-Jährige. Nach fünf Niederlagen hintereinander zum Abschluss seiner Zeit bei Hannover 96 vor fünf Jahren folgte am Samstag mit dem 2:4 gegen die Gladbacher eine sechste. Es war eine mit bitteren Folgen. „Es hat heute nicht funktioniert“, sagte Bremens Ein-Spiele-Trainer. „Es ärgert mich am meisten.“

Es war ein rekordverdächtiger Absturz. Aus den letzten zehn Spielen holte Werders Mannschaft nur einen einzigen Punkt. „Das war in dieser Dimension so nicht zu erwarten“, sagte Sportdirektor Baumann. Nachdem die Bremer am 10. März das Nachholspiel bei Arminia Bielefeld mit 2:0 gewonnen hatten, schienen sie mit 30 Punkten so gut wie gesichert. Als Zwölfter hatten sie elf Punkte Vorsprung auf den Relegationsrang und sogar zwölf auf den direkten Abstiegsplatz. Es hat nicht gereicht.

Ganz Bremen stand hinter Werder

Abstiegskampf ist Nervensache, und am letzten Spieltag ist er noch ein bisschen mehr Nervensache als an allen Spieltagen davor. Da kann man zuvor noch so optimistisch und entschlossen sein. Dem Mannschaftsbus der Bremer fuhr auf dem Weg zum Weserstadion ein grün-weißer Fahrradkorso vorweg, und das letzte Stück war in grünen Rauch gehüllt. „Das ist ein großes Pfand, das wir haben: Dass wir die Bremer hinter uns wissen“, sagte Trainer Schaaf. „Das ist eine unheimliche Verbundenheit.“ Auch in Köln hatten sich Fans des FC vor dem Stadion eingefunden. Es wurde gezündelt und angefeuert.

In Bremen durften hundert Vereinsmitarbeiter auf die Tribüne, in Köln und Stuttgart blieben die Stadien leer. Die Spieler waren weitgehend auf sich gestellt. Träge und ängstlich traten sie auf, gelähmt von der Angst. Die drei Teams spielten nicht nur gegen die jeweiligen Gegner auf dem Rasen, sondern auch gegen die Ergebnisse der Konkurrenz auf den anderen Plätzen.

Milot Rashica konnte seine Tränen nicht mehr halten.
Milot Rashica konnte seine Tränen nicht mehr halten.

© AFP

Das erste Tor des Nachmittags hatte tabellarisch noch keine Auswirkungen. Nicht mal drei Minuten waren gespielt, als die Bremer durch Lars Stindl 0:1 in Rückstand gerieten. Werder hatte daran zu knabbern, fand nicht zurück ins Spiel – bis zu Selkes Großchance, die der Leihspieler von Hertha BSC kläglich verbaselte. Köln hatte auf dem Papier die leichteste Aufgabe: zu Hause gegen den bereits feststehenden Absteiger Schalke 04. Aber leicht ist an einem solchen Tag nichts. Auch nicht für die Bielefelder, die sich in der besten Ausgangsposition befanden, zudem Glück hatten, dass das vermeintliche 1:0 der Stuttgarter durch Sasa Kalajdzic vom Videosassistenten wieder einkassiert wurde. In Köln hatten die Ersatzspieler auf der Tribüne schon gefeiert.

Bis zur Halbzeit passierte auf den drei entscheidenden Plätzen nichts mehr. Dafür direkt nach der Pause. Wieder in Bremen. Und wieder gegen Werder. Marcus Thuram erhöhte auf 2:0. Noch immer änderte das an der Tabelle nichts. Werder war weiterhin 16. – aber ein Tor der Kölner würde alles ändern und Werder in die Hölle schicken.

Dass Bremen nicht in der Lage sein würde, sich selbst zu helfen, das wurde schnell klar. Die Gladbacher sind in dieser Saison zwar Meister im Verspielen von Führungen gewesen, doch spätestens nach den Toren von Rami Bensebaini und Florian Neuhaus zum 4:0 und selbst nach dem Doppelschlag durch Milot Rashica und Niklas Füllkrug mussten sie in dieser Hinsicht nichts mehr befürchten.

Als die Bielefelder Mitte der zweiten Hälfte durch Treffer von Fabian Klos per Foulelfmeter und Ritsu Doan mit 2:0 in Führung gingen, wurde aus dem Dreikampf ein Duell zwischen Köln und Bremen. Und der FC feierte bereits, als Sebastian Andersson den Ball nach einem Freistoß von Jonas Hector über die Linie stupste. Doch der Videoassistent schaltete sich ein, Schiedsrichter Daniel Siebert ging an die Seitenlinie, schaute sich die Szene wieder und wieder auf dem Monitor an – und nahm das vermeintliche 1:0 zurück, weil er vor dem Tor ein Foul von Salih Özcan an Salif Sané gesehen hatte. „Das hat schon Nerven gekostet“, sagte Kölns Trainer Friedhelm Funkel.

Abstieg per Videobeweis? Der FC wehrte sich dagegen – und wurde belohnt. Fünf Minuten vor dem Ende war es Innenverteidiger Sebastiaan Bornauw, der per Kopf zum 1:0 traf und Köln damit in die Verlängerung namens Relegation rettete. Für Werder hingegen ist alles vorbei.

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