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Der Star der deutschen Nationalmannschaft Ingo Kuhli-Lauenstein.

© imago Joachim Sielski

Auf dem Schlitten sind alle gleich: Warum Para Eishockey die „unbestritten geilste Sportart der Welt“ ist

Unsere Kolumnistin war zu Gast beim Para Eishockey. Dort hat man die Paralympics 2026 bereits fest im Blick.

Wer sein Fahrrad liebt, der schiebt. Für Ingo Kuhli-Lauenstein wäre eine Abwandlung dieses Sprichworts deutlich angebrachter: Wer seinen Schlitten liebt, der schiebt. Klingt ungewöhnlich, vor allem, weil wir doch in der Weihnachtszeit eher an rasante Rodelabfahrten und schneebedeckte Hänge denken oder eben an den Weihnachtsmann mit seinem Rentiergespann vor dem geschenkebepackten Schlitten.

Kuhli-Lauenstein aber bewegt sich auf einem wendigen, einkufigen Schlitten über das Eis einer Eishockeyhalle. Die Beine nach vorn gestreckt und in beiden Händen spikebesetze Schläger schiebt er sich mit eben diesen Schlägern über den spiegelglatten Untergrund. Dabei kommen er und seine Teamkollegen ganz schön auf Tempo. Ingo Kuhli-Lauenstein spielt Para Eishockey bei den Wiehl Penguins und in der Auswahl der deutschen Nationalmannschaft.

Sechs Spieler:innen (inkl. Torwart) bewegen sich pro Team über die Eisfläche, die jeder vom olympischen Eishockeysport kennt. Die Regeln sind auch gleich, mit ein paar Anpassungen in puncto Schlitten statt Schlittschuhen. Diesen gilt es erst einmal zu beherrschen. Es erfordert alle koordinativen Fähigkeiten, um das Sportgerät zu zähmen. Die Fortbewegung mit dem Schlitten beansprucht Muskeln, die man im Alltag mit oder ohne Rollstuhl schlicht nicht benutzt.

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Auch wenn die Bewegung sehr an das Anschieben im Skilanglauf oder Biathlon erinnert, ist es doch etwas anderes. Die größte Herausforderung beschreibt Kuhli-Lauenstein so: „Nicht Passagier des Schlittens sein, sondern den Schlitten machen zu lassen, was er tun soll.“ Und das ist für alle gleich anspruchsvoll. Er sehe im Schlitten eine gewissen Chancen- oder eher Schwierigkeitsgleichheit, egal ob gesund, querschnittsgelähmt oder amputiert. Wer das aber meistert, kann sich in einer schnellen, taktischen und körperbetonten Mannschaftssportart austoben.

Ligabetrieb wurde vorerst pausiert

Im Verein wird inklusiv trainiert, auf der internationalen Bühne sind Zweibeiner aktuell ausgeschlossen. Kuhli-Lauenstein befürwortet diese Regelung nicht. Warum sollten Sportler:innen, die das Sportgerät gut beherrschen, ausgeschlossen werden? „Da müsste sich der Behindertensport dem Leistungsgedanken öffnen.“ Schließlich „müssen oder wollen einfach alle einen Schlitten nutzen. Weswegen man den gebraucht, spielt keine Rolle. Spaß macht das so oder so.“

Bis April musste wegen geschlossenen Hallen und daraus resultierender mangelnder Eiszeit viel improvisiert werden. Wegen der WM im Spätsommer und des Qualifikationsturniers für die Paralympischen Winterspiele in Peking, das Ende November in Berlin stattfand, wurden viele Wochenenden für Lehrgänge genutzt. Dadurch waren die Vereine teilweise nicht mehr spielfähig, weil die Nationalspieler unterwegs waren. Der Ligabetrieb wurde vorerst pausiert. Was natürlich für den Breitensport und alle Spieler:innen abseits der Nationalmannschaft eine harte Zeit ist. Ohne Wettbewerb ist es schwer, alle bei der Stange zu halten.

Ingo Kuhli-Lauenstein im Duell mit dem Norweger Auden Bakke.
Ingo Kuhli-Lauenstein im Duell mit dem Norweger Auden Bakke.

© nordphoto GmbH / Engler

Nun kann der Verband darüber nachdenken, die nationalen Spiele der Deutschen Para Eishockey-Liga DPEL wieder aufzunehmen. Denn leider konnten die Kufenjäger um Ingo Kuhli-Lauenstein das Ticket nach Peking knapp nicht lösen. Mit einem starken dritten Platz beim Qualifikationsturnier in der Eissporthalle des ECC Preussen Berlin in Charlottenburg konnte das deutsche Team dennoch beweisen, dass es zurecht über das starke Abschneiden mit Platz zwei bei der B-Weltmeisterschaft in die A-Gruppe aufgestiegen ist und zu acht besten Nationen der Welt gehört.

Im Para Eishockey wird die WM in einer Art Ligasystem ausgetragen, bestehend aus einem A- und einem B-Pool. Während am Ende der Weltmeisterschaft zwei Mannschaften aus dem A- in den B-Pool absteigen, steigen zwei Mannschaften auf. Das Jahr hat also auch viel Gutes bereit gehalten.

Nun sind die Augen bereits nach vorne gerichtet und die Arbeit geht weiter. Denn Mannschaft und Trainer haben die Teilnahme an den Paralympics in Turin 2026 fest im Blick. Gern auch mit einem größeren Kader, denn wer könnte widerstehen, wenn Ingo Kuhli-Lauenstein eine freudige Ansage macht: „Die breite Masse sollte zweifelsfrei wissen, dass es sich bei Para Eishockey um die unbestritten geilste Sportart der Welt handelt.“

Maria Tietze

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