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Claudia Pechstein läuft bei den Winterspielen in Peking am Samstag über 3000 Meter.

© imago images/Laci Perenyi

Achte Olympische Spiele: Als Fahnenträgerin krönt Eisschnellläuferin Claudia Pechstein ihre Karriere

Fünfmal gewann die Berlinerin olympisches Gold. 2009 nahm ihr Leben allerdings eine dramatische Wendung.

Lange musste sich Claudia Pechstein gedulden, bis sie zusammen mit dem Bobpiloten Francesco Friedrich am Freitag die Fahne bei der Eröffnungsfeier der Winterspiele in Peking durchs Olympiastadion tragen durfte – das deutsche Team war erst an 85. Stelle dran. Doch trotz der Pflicht, einen Mundschutz zu tragen, war ein stetes zufriedenes Lächeln zu erkennen.

30 Jahre nach ihren ersten Winterspielen in Albertville, als die Ostberlinerin hinter ihren Mannschaftskolleginnen Gunda Niemann und Heike Warnicke die Bronzemedaille gewann, findet diese einzigartige sportliche Karriere mit nun acht olympischen Teilnahmen eine Krönung.

„Das ist ein i-Punkt auf meiner Karriere. Das ist für mich mehr wert als alle meine olympischen Medaillen“, hatte die Eisschnellläuferin vor der Eröffnungszeremonie im Vogelnest von Peking gesagt.

Seit 1992, als sie so überrascht von ihrem dritten Platz war, dass sie fast die Siegerehrung verpasst hätte, sammelte sie bei den Winterspielen neun Medaillen – fünfmal war sie Olympiasiegerin, zweimal gewann Pechstein Silber, zweimal Bronze. In gewisser Weise schließt sich der Kreis auch deshalb, weil sie nun erst zum zweiten Mal – wie damals in Albertville – an einer Eröffnungsfeier teilnimmt.

Start über 3000 Meter am Samstag

„Ich werde es total genießen, mit der Mannschaft an den Start zu gehen“, hatte die Rekordolympionikin zuvor wissen lassen. Rund 20 Stunden später bestreitet Pechstein im „Ice Ribbon“ ihren ersten von zwei Auftritten in Peking, über die kräftezehrenden 3000 Meter (9.30 Uhr, live in der ARD und auf Eurosport).

Dabei zu sein, ist für Pechstein in diesem Jahr alles. Zwei Tage nach ihrem letzten olympischen Wettkampf im Massenstart feiert sie ihren 50. Geburtstag. Anders als vor vier Jahren gibt es die Torte nicht im Deutschen Haus, sondern in Deutschland.
Wie meist in den vergangenen Jahren wird in den kommenden Tagen Matthias Große kaum von ihrer Seite weichen. Der Immobilienunternehmer, der seit vergangenem Jahr die Deutsche Eisschnelllauf-Gemeinschaft als Präsident anführt, ist seit 2010 Pechsteins Lebensgefährte und wird in dieser Rolle von ihr selbst als auch von Beobachtern als „Bodyguard“ wahrgenommen.

Seinen Auftritt nehmen Kritiker*innen und Konkurrentinnen schon mal als furchteinflößend wahr.

Zusammen mit Bobpilot Francesco Friedrich trug Claudia Pechstein die deutsche Fahne bei der Eröffnungsfeier.
Zusammen mit Bobpilot Francesco Friedrich trug Claudia Pechstein die deutsche Fahne bei der Eröffnungsfeier.

© dpa

Pechstein findet in dem Unternehmer aber den Halt, den sie braucht, um den schwierigsten Kampf ihres Lebens durchzustehen: Seit 2009 befindet sie sich in einem „Kampf um Gerechtigkeit“. Die Nacht vom 7. bis 8. Februar sollte alles verändern: ihre Karriere, ihr Leben.

Bei der Mehrkampf-Weltmeisterschaft in Hamar wird ein erhöhter Anteil an jungen roten Blutkörperchen festgestellt. Die Disziplinarkommission des Weltverbandes sperrt die Sportlerin wenig später auch ohne positiven Dopingbefund für zwei Jahre. Pechstein verpasste die Olympischen Spiele in Vancouver, verliert finanzielle Zuwendungen und Ansehen.

Pechstein wurde 41 Mal Deutsche Meisterin

„Ich war damals kurz davor, mir das Leben zu nehmen! Ich hatte mir eine hohe Brücke ausgesucht in Thüringen, wo man es auf jeden Fall schafft, wenn man runterspringt. Ich saß schon im Auto auf dem Weg dorthin und habe meinem Manager eine SMS geschrieben, dass ich jetzt meinem Leben ein Ende bereite, weil ich keinen Sinn mehr darin sehe“, erzählte Pechstein jüngst in einem Interview mit der „Zeit“. „Ich weiß bis heute nicht, warum ich ans Telefon gegangen bin, als er noch mal zurückgerufen hat."

Doch Pechstein kämpfte sich zurück. Obwohl sie vor unterschiedlichen juristische Instanzen immer wieder Rückschläge einstecken musste, entwickelte sie sich zu sportlich größten Konstante im deutschen Eisschnelllaufen. 41-malige Deutsche Meisterin darf sich die Berlinerin nennen, im vergangenen Jahr lief sie in Inzell zu den jüngsten beiden Titeln.

Michelle Uhrig, 26, die zweite deutsche Eisschnellläuferin in Peking, sagt: „Was sie ihrem Alter noch leistet, ist natürlich beeindruckend.“

Auf dem politischen Parkett fehlt die Anerkennung noch. Im vergangenen Jahr kandidierte sie für die CDU im Bezirk Treptow-Köpenick um einen Sitz im Bundestag, erreichte aber nur 13,5 Prozent der Stimmen. Bei der Wahl zur Fahnenträgerin des deutschen Teams hatte sie sich mit 37,4 Prozent der Stimmen gegen Ramona Hofmeister (Snowboard) und Natalie Geisenberger (Rodeln) durchgesetzt.

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