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Krzysztof Piatek, Jhon Cordoba und Peter Pekarik (von links) stecken mit Hertha BSC im Abstiegskampf.

© imago images/Contrast

Abstiegskampf statt Europapokalträume: Hertha BSC hat Probleme auf ganz vielen Ebenen

Fußball-Bundesligist Hertha BSC macht keine Fortschritte, sondern in der Tabelle sogar Rückschritte. Woran liegt das? Eine Analyse.

Die Hinrunde 2020/21 der Fußball-Bundesliga war für Hertha BSC eine zum Vergessen. Nach dem 0:3 gegen die TSG Hoffenheim hat Hertha 17 Punkte. So wenig wie seit der Saison 2009/10 nicht. Statt Fortschritten gab es sogar Rückschritte. Eine Analyse.

Die sportliche Situation

Mitte Dezember war Hertha nach elf Spielen Elfter. Die von der Tabelle her schweren Gegner waren durch. Punkten, punkten, punkten, lautete die Devise. „Du spürst, dass die Spieler wollen. Nun müssen wir diese Energie auf den Platz bringen“, sagte Trainer Bruno Labbadia vor dem Spiel gegen den FSV Mainz 05.

Heute stellt sich die Ausbeute äußerst schmal dar: Hertha gewann nur gegen Schalke 04, spielte remis gegen Mainz und beim 1. FC Köln und verlor beim SC Freiburg und Arminia Bielefeld sowie zu Hause gegen Hoffenheim. Nach der jüngsten Niederlage sagte Labbadia mehrfach: „Das Spiel steht sinnbildlich für die ganze Vorrunde.“ Es sieht zwischendurch ordentlich aus, aber das ist selten von Dauer. Und beim kleinsten Rückschlag fällt meist alles zusammen. Auf gute Spiele wie dem Sieg gegen Schalke folgen Totalaussetzer wie in Bielefeld.

Die Mannschaftsteile

Irgendwo hakt es immer. Mal gibt es zu viele Gegentore. Mal geht vorne nichts, beispielsweise aktuell. „Wir müssen alle gemeinsam daran arbeiten, mehr Torgefahr auszustrahlen“, befand Niklas Stark nach dem Spiel gegen Hoffenheim bei Sky. Labbadia sah ein anderes Problem: „Unser Manko ist die Chancenverwertung.“ Wie auch immer, null Tore gegen Bielefeld, Köln und Hoffenheim sprechen für sich.

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Die Einstellung

Hoffenheims Trainer Sebastian Hoeneß sprach nach dem Spiel von „hoher individueller Klasse“ bei Hertha. Wenn es gut läuft, oder zumindest nicht schlecht in Form eines Gegentores, kommt diese Klasse zum Tragen. Doch einen Anführer, der bei Bedarf aufrüttelt, gibt es nicht. Jeder macht ein bisschen seins.

„Natürlich sind wir eine Mannschaft, auch wenn das Ganze auch schwierig ist“, sagte Stark. Im Derby gegen den 1. FC Union, der sich durch einen Platzverweis früh selbst dezimiert hatte, siegte Hertha nach Rückstand. Bei Bayern München reichte eine tolle Aufholjagd nicht zum Punktgewinn.

Ansonsten fehlt es häufig an Einstellung oder Moral, oder beidem, sich aus schwierigen Situationen rauszuziehen. In der Halbzeit gegen Hoffenheim hatte Labbadia beim Stand von 0:1 „eine negative Art und Unzufriedenheit über die vergebenen Chancen“ festgestellt. „Das konnten wir mit einer relativ deutlichen Ansprache ein Stück verändern.“

Folge: Eine Großchance durch Jhon Cordoba und völliger Zusammenbruch nach dem 0:2. Hertha nahm die Niederlage – nicht zum ersten Mal – ohne erkennbare Reaktion hin.

Der Trainer

Labbadia ist seit April 2020 im Amt. Er startete mit zehn Punkten aus vier Spielen. Danach gab es saisonübergreifend in 22 Versuchen in der Bundesliga nur noch fünf Siege, dazu das Aus in der ersten Runde des DFB-Pokals bei Eintracht Braunschweig. Labbadia hat es nicht geschafft, Konstanz reinzubringen und ein funktionierendes Team zu formen.

Er steht immer stärker in der Kritik. Namen wie Ralf Rangnick oder Domenico Tedesco werden schon als mögliche Nachfolger gehandelt.

Der Manager

Auch die Kritik an Manager Michael Preetz wird lauter. In Fankreisen gilt er zunehmend als Hauptverantwortlicher für die Misere. Viele Trainer kamen und gingen in den elf Jahren seiner Amtszeit. Der bei den Fans sehr beliebte und erfolgreiche Pal Dardai musste 2019 abtreten. Seitdem befindet sich Hertha fast durchgehend im Krisenmodus. Europapokal, wie es Investor Lars Windhorst gern so schnell wie möglich hätte? Nein, die Realität lautet Abstiegskampf.

Ein Gedankenspiel: Die jetzige Punktzahl hochgerechnet, wären es am Schluss 34 Zähler. Das hat in diesem Jahrtausend in über einem Drittel der Bundesliga-Spielzeiten höchstens für Platz 16 gereicht. „Die Hälfte der Saison ist schon rum. Wir müssen dringend anfangen, mehr Zählbares mitzunehmen“, fordert Stark. Allerdings lagen Rückrunden Hertha in der jüngeren Vergangenheit selten. Dafür früher meist wenigstens die Hinrunden.

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Der Kader

Mehr als 100 Millionen Euro hat Hertha BSC in Person von Manager Preetz im vergangenen Jahr für neues Personal ausgegeben. Nach vorn gebracht haben diese Investitionen das Team insgesamt nicht. Von den teuren Spielern ist Offensivspieler Matheus Cunha ein großer Gewinn, selbiges gilt für Stürmer Cordoba.

Auf Mittelfeldspieler Lucas Tousart und vor allem Krzysztof Piatek, die zusammen fast 50 Millionen Euro gekostet haben, trifft das bislang nicht zu. Sicher darf das bisherige Wirken von Stürmer Piatek nicht auf den verschossenen Elfmeter gegen Hoffenheim reduziert werden. Aber es passt ins Bild, dass er diese Chance, die das Spiel möglicherweise in eine ganz andere Bahn gelenkt hätte, nicht genutzt hat.

Die Aussichten

Am Samstag um 18.30 Uhr (live bei Sky) geht es für Hertha bereits weiter. Mit dem ersten Spiel in der Rückrunde, dem Heimspiel gegen Werder Bremen.

„Für den Kopf ist dieses Erfolgserlebnis gut. Daran werden wir uns hochziehen“, sagte Hoffenheims Trainer Hoeneß über den Sieg in Berlin. Ein Erfolgserlebnis braucht auch Hertha dringend. Es würde die Probleme nicht auf einen Schlag lösen, wäre aber ein Hoffnungsschimmer. Ein kleiner.

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