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Wird die Finanzierung der kommenden Legislatur zum Problem für Noch-Finanzminister und Bald-Kanzler Olaf Scholz?

© dpa

Vielfältige Wünsche wollen finanziert sein: Die Schuldenpläne der Ampel drohen ins Absonderliche abzugleiten

In der Haushaltspolitik suchen SPD, Grüne und FDP nach neuen Spielräumen. Allerdings muss sich die Koalition schnell mit der Realität abfinden. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Albert Funk

Der Punkt 9 im Sondierungspapier der Koalition in spe war relativ kurz. Unter der Zeile „Zukunftsinvestitionen und nachhaltige Staatsfinanzen“ wurde erkennbar, dass steuer- und haushaltspolitisch von einem Ampel-Bündnis keine großen Wunder zu erwarten sind. Aber kleine sollen es doch sein. Damit soll der große Neubeginn nach Jahren der Ermüdung in Szene gesetzt werden, ein Ziel, das insbesondere Grüne und FDP eint.

Die große Koalition hatte sich auf diesem Feld seit 2013 auf ein permanentes Patt geeinigt, das möglich wurde durch die Überschüsse im Etat. Allerdings liefen die Ausgaben den Einnahmen am Ende davon.

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In der Pandemie geriet das in Vergessenheit, und dank „Bazooka“ und „Wumms“ feierte das ganz große Geldausgeben ein fröhliches Comeback. Vor diesem Hintergrund sind die Ampel-Sondierer derzeit damit beschäftigt, Geld und Verwendungsmöglichkeiten in Einklang zu bringen. An diesem Mittwoch beginnt die heiße Phase der Koalitionsgespräche. Bald werden erste Ergebnisse die Runde machen.

Die vielfältigen Wünsche wollen dann finanziert sein. Die kommen nicht allein von SPD und Grünen. Auch die „Superabschreibungen“ der FDP werden erhebliche Kosten verursachen, und zwar durch Steuerausfälle.

Die anstehende Steuerschätzung für dieses und das kommende Jahr wird nun zwar besser ausfallen als die im Mai, das schafft ein bisschen Luft. Aber das Plus wird nicht groß genug sein, um die Ankündigung des großen Aufbruchs auch monetär plausibel zu unterfüttern.

Schulden auf Vorrat - durchgefallen

So droht die Ampel ins Absonderliche abzugleiten. Gerade erst sind einige prominente Ökonomen auf die Nase gefallen mit einem gut gemeinten Vorschlag, der zweifellos nicht ohne Abstimmung mit den Verhandlern in die Welt geriet: Schulden auf Vorrat, indem man 2022 die Notfallklausel der Schuldenbremse noch einmal nutzt, um einen „großen Schluck aus der Pulle“ zu nehmen, wie Marcel Fratzscher, einer der Beteiligten, das nannte.

Dumm nur, dass eine ähnliche Konstruktion der schwarz-grünen Koalition in Hessen (die weitaus moderater ist) vor dem dortigen Staatsgerichtshof durchfiel – nach einer Klage von SPD und FDP übrigens.

[Lesen Sie zum Thema bei Tagesspiegel Plus: Teure Visionen, klamme Kassen]

Dass nun auch ins Spiel gebracht wird, die konjunkturbedingte Kreditaufnahme im Rahmen der Schuldenbremse zu vereinfachen, indem man Regeln an Wünschen ausrichtet, passt in das Bild einer Koalitionsbildung zwischen (noch) zu viel Vision und sich anbahnender Erkenntnis der tatsächlichen Verhältnisse.

Der Vorschlag an die Verhandler lautet, den Schuldenspielraum im kommenden Jahr um 20 Milliarden Euro zu erhöhen, indem die Konjunkturkomponente sich an politischen Fernzielen wie einer höheren Frauenerwerbsquote, einer geringeren Teilzeit-Quote und dem Ende der Langzeitarbeitslosigkeit orientiert.

Das Ideal als Maßstab

Es ist eine komplexe Materie, aber vereinfacht gesagt wird hier ein Idealzustand zum Maßstab für neue Kredite gemacht mit der Begründung, man werde mit diesen Schulden bestimmt das Ideal erreichen. Es klingt ein wenig nach Münchhausens Griff an den eigenen Schopf, um sich aus dem Schlamassel zu ziehen.

SPD, Grüne und FDP tun gut daran, sich auf der Basis des Machbaren zu verständigen. Andernfalls hat die Union unversehens ein gutes Thema, in der Opposition schnell wieder Tritt zu fassen.

Die Ampel sollte sich von der Vorstellung verabschieden, staatliche Investitionen und Förderungen für die Privatwirtschaft könnten in einer stark ausgelasteten Wirtschaft ungemein viel bewirken. Auch diese Koalition wird schnell mit der Realität konfrontiert sein, dass ziemlich viel Geld einfach liegenbleibt. Daran wird sich auch nichts ändern, indem man kreativ mit Nebenhaushalten, Förderbanken wie der KfW oder neuen staatlichen Investitionsgesellschaften umgeht.

Die Höhenflüge des Wahlkampfes liegen hinter den drei Parteien. Sie befinden sich jetzt in der Einflugschneise. Demnächst landen sie in der grauen Wirklichkeit des Regierungsalltags. Sie werden am Ende vor allem daran gemessen werden, wie sie mit ihm klarkommen. Und Haushaltspolitik, die größte Mühe in der Ebene, war immer schon vom Stopfen der Löcher geprägt, die in Koalitionsverhandlungen gerissen wurden.

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