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Inzwischen rollt die Booster-Welle. Fast neun Millionen Menschen in Deutschland haben jetzt eine Auffrischungsimpfung bekommen.

© AFP/Robin Utrecht

Exklusiv

Unwissenheit über Corona-Booster: 40 Prozent der Deutschen überrascht, dass Impfschutz nachlässt

Politiker, Mediziner, Experten rufen zur Drittimpfung auf. Eine Civey-Umfrage zeigt: Viele wissen gar nicht, warum. Eine Rekonstruktion.

Von Michael Schmidt

Der Duden kennt das Wort als Verb noch nicht. Sehr lange ist es auch noch nicht im allgemeinen Sprachgebrauch. Derzeit aber fast in aller Munde. Zuletzt haben es hierzulande 600.000 Menschen am Tag getan: Die Rede ist vom "boostern". Boostern heißt: sich eine Auffrischungsimpfung verpassen lassen.

Sinnvoll und angeraten ist das, weil der Impfschutz einer Coronaimpfung mit der Zeit nachlässt. Die dritte Dosis soll dem nachlassenden Immunschutz vorbeugen, denn durch den sogenannten Booster – eigentlich ein Wort aus der Raumfahrttechnik, wo es ein Zusatztriebwerk bezeichnet – durch den Impf-Booster also können sich deutlich mehr Antikörper gegen das Coronavirus bilden.

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Viele Deutsche wissen nicht, dass die Wirkung der Impfstoffe bereits nach einigen Monaten nachlässt.

In einer Umfrage des Meinungsforschungsinstituts Civey im Auftrag des Tagesspiegels antworteten 39 Prozent der Befragten mit "ja, auf jeden Fall" oder "eher ja" auf die Frage, ob sie das überrasche, 56 Prozent antworteten mit "Nein, auf keinen Fall" oder "eher nein", 5 Prozent sind unentschieden.

Auffällig ist, dass Ältere sich deutlich häufiger überrascht zeigten. Während von den 18- bis 29-Jährigen kaum jeder Dritte mit ja antwortete (29 Prozent), zeigten sich von den über 65-Jährigen fast jeder Zweite überrascht (48 Prozent).

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Auch sortiert nach Parteipräferenzen beziehungsweise Wahlabsichten gibt es bemerkenswerte Unterschiede: Am meisten überrascht äußerten sich die Anhänger der SPD (45 Prozent), gefolgt von Unionsanhängern (41 Prozent), Linken (41 Prozent) und der FDP (40 Prozent). Deutlich weniger überrascht äußerten sich die Anhänger der Grünen (31 Prozent) und die der AfD (37 Prozent).

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Wie erklärt sich die Wissenslücke bei doch relativ vielen Menschen, da doch die meisten eher mehr, und nur die wenigsten eher weniger von der Corona-Pandemie betroffen und mit dem Thema der Impfungen konfrontiert sind? Darüber lässt sich nur mutmaßen. Grundsätzlich ist es so, dass das Thema für die allgemeine Öffentlichkeit keines war. Im Zentrum der Aufmerksamkeit stand eher der verstolperte Start der deutschen Impfkampagne, nicht ausreichende Impfdosen-Lieferungen, das Ringen um überhaupt eine Impfung und einen Impftermin für jedermann und jederfrau. Eine (dritte) Auffrischungsimpfung lag gefühlt in einer fernen Zukunft. Inzwischen ist diese Zukunft Gegenwart. Die Kampagne fürs Boostern hat unterdessen an Schwung gewonnen und sich zuletzt äußerst dynamisch entwickelt.

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Die Rekonstruktion eines Sommers der Verdrängung anhand von Tagesspiegel-Artikeln:

Im Mai 2021 gab es erste Berichte, die darauf hinwiesen, dass, während noch diskutiert wird, ob es Impfungen für Kinder geben wird, geben soll, die Regierung sich auf jeden Fall parallel um mögliche Auffrischungen kümmern müsse. Zu diesem Zeitpunkt gibt es rund 125 Booster-Impfungen.

Im Juni empfahl Charité-Forscher Leif Erik Sander eine Auffrischungsimpfung für Ältere und Geschwächte. Mitte des Monats zählt man 350 Booster-Impfungen.

Erst Ende August erwägt Bundesgesundheitsminister Jens Spahn, allen Bürgern ein Angebot für eine Auffrischungsimpfung zu machen. Bis zu diesem Tag wurden 660 Booster-Impfungen registriert.

Dann geht es schnell. Kurz darauf fordern Wissenschaftler: „Brauchen dringend Pläne für Booster-Impfungen“. Sie stellen fest: Der Schutz durch Corona-Impfstoffe lässt innerhalb von sechs Monaten nach.

Die Zahlen explodieren. Am 7. September wird die Marke von insgesamt 100.000 Booster-Impfungen überschritten. Mitte September stellt sich schon die Frage: Grippeimpfung und Covid-Booster gleichzeitig – geht das?

Am 24, September dann ist es soweit: Die Stiko empfiehlt Auffrischungsimpfungen für Immungeschwächte, das Alter allein soll kein Kriterium mehr sein. Bis Ende September schnellt die Zahl der Booster-.Impfungen hoch auf fast 600.999.

Am 8. Oktober wird die Schwelle von einer Million Booster-Impfungen überschritten, Ende des Monats Oktober sind es bereits zwei Millionen. Am 26. Oktober, fordern Politiker angesichts steigender Inzidenzen noch mehr Tempo bei Booster-Impfungen. Die Corona-Infektionszahlen steigen, die Rufe nach einer Kampagne für Drittimpfungen werden lauter.

Am 13. November heißt es: Hohe Nachfrage führt zu Wartezeiten – Den Impfstationen wird wieder „die Bude eingerannt“. Die Statistik weist 3,9 Millionen Geboosterte aus.
Der Minister drückt weiter aufs Tempo:Am 17. November empfiehlt Jens Spahn Booster auch vor Ablauf der Sechs-Monats-Frist. Vor dem Bund-Länder-Gipfel betont Minister Spahn in einem Schreiben an alle Fachärzte, dass ab 18-Jährige auch früher eine Auffrischungsimpfung bekommen können sollen. Die Booster Uhr steht auf 4,8 Millionen.

Es es wird weiter geboostert. Und wie. Der Tagesspiegel erklärt am 24. November, was Sie jetzt zum Boostern wissen müssen. Die Ständige Impfkommission empfiehlt ab sofort allen Personen ab 18 Jahren die COVID-19-Auffrischimpfung.

Mit dem Tagesspiegel-Rechner lässt sich die Frage klären: Wie gut wirkt meine Corona-Impfung noch?

Allein am 26. November erhalten 600.000 Menschen eine Auffrischungsimpfung, die Gesamtzahl steigt auf 8,6 Millionen. Es ist der Zustand erreicht, dass Kassenärzte einen Brandbrief schreiben: Deutschland hat zu wenig Impfstoff für die Booster-Kampagne.

Da stehen wir heute. Erst unter dem Druck der Ereignisse haben sich die Deutschen, einen schlimmen Corona-Winter vor Augen, wieder für die Pandemie interessiert - und waren bereit, etwas dagegen zu tun.

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