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Ukrainische Soldaten feuern eine US-Haubitze im Donbass.

© REUTERS/Gleb Garanich

Ukraine-Invasion Tag 162: Ist Moskaus angekündigte Offensive im Süden nur ein Bluff?

Zahlreiche Tote Zivilisten bei Raketenangriff, Selenskyj kritisiert Schröder scharf, Belarus plant Militärmanöver. Der Überblick am Abend.

Angesichts der zahlreichen Meldungen über den desolaten Zustand der russischen Armee überrascht es, dass Moskau wohl eine großangelegte Offensive im Süden der Ukraine starten möchte. Und schon nächste Woche könnte es losgehen, wie ein Berater von Präsident Selenskyj am Mittwoch sagte.

In Cherson hat Russland zu diesem Zweck neue Truppen zusammengezogen, erklärte der ukrainische General Olexij Gromow bei einer Pressekonferenz. Auch weiter östlich um die Stadt Saporischschja soll es Truppenverstärkungen und einen Vorstoß geben. Ziel beider Bemühungen ist wohl die Einnahme der Geburtsstadt Selenskyjs, Krywyj Rih. Es wäre ein gewaltiges Unterfangen, wären doch mehr als 100 Kilometer Luftlinie zu überbrücken. 

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Eigentlich hatten die Ukrainer eine Offensive im Süden angekündigt. Russland könnte versuchen, dem zuvor zu kommen. Fakt ist: Die Truppen, die Moskau in den Süden zieht, fehlen im Osten. Beobachter schätzen, dass die Ukraine eigene Vorstöße dort unternehmen könnte. 

Vielleicht handelt es sich aber auch um ein Ablenkungsmanöver der Russen. Als Aggressor verlegt man Truppen eher für einen Angriff als für die Verteidigung. So hält man das Narrativ der Stärke aufrecht. Ob die aber noch ausreicht, ist mehr als fraglich.

Tote nach einem russischen Raketenangriff in der Stadt Toretsk im Donbass.
Tote nach einem russischen Raketenangriff in der Stadt Toretsk im Donbass.

© Press service of the Donetsk Regional Military-Civil Administration/Handout via REUTERS

DIE WICHTIGSTEN NACHRICHTEN DES TAGES IM ÜBERBLICK

  • Bei einem russischen Artillerieangriff in der ostukrainischen Stadt Torezk in der östlichen Region Donezk sind nach Angaben der Behörden acht Menschen getötet und vier weitere verletzt worden (im Bild oben). Der Beschuss habe eine Nahverkehrs-Haltestelle getroffen, teilt Gouverneur Pawlo Kyrylenko auf Telegram mit. Unter den Verletzten seien auch drei Kinder. Mehr in unserem Newsblog.
  • Russisches Gericht spricht Griner wegen Drogenschmuggels schuldig: Seit fünfeinhalb Monaten sitzt die Top-Sportlerin in U-Haft. Nun gibt es einen Schuldspruch. Washington spricht von einem politisch motivierten Verfahren. Mehr hier. 
  • Italienische Polizei soll Vermögen von „Putins Palast“-Architekten beschlagnahmt haben: Bei einem Einsatz in Norditalien hat die Finanzpolizei mehrere Millionen Euro sichergestellt. Der Vermögende soll Verbindungen zu Kremlchef Putin haben. Mehr hier. 
  • Selenskyj nennt Verhalten von Altkanzler Schröder „ekelhaft": Der ukrainische Präsident kritisiert Schröder für seine Haltung zum russischen Angriffskrieg. Zuvor hatte der Altkanzler über eine Verhandlungslösung sinniert. Mehr hier. 
  • Deutschland muss mehr Gas einsparen als jedes andere EU-Land: Die EU-Länder wollen bis Ende März 2023 ihren Gasverbrauch um mindestens 15 Prozent reduzieren. Deutschland muss sich für dieses Ziel besonders anstrengen. Mehr hier.
  • Russland hat derzeit offenbar damit zu kämpfen, dass die Kampfkraft der verfügbaren Truppen schwindet. Das berichtet die "New York Times" unter Berufung auf hochrangige US-amerikanische und europäische Beamte. Diese Defizite seien unter anderem daran festzumachen, dass Russland moderne Waffensysteme mit älteren ersetze und Artillerie statt modernen, präzisen Raketen einsetze. Westliche Geheimdienste gehen davon aus, dass Moskau ein Drittel seiner Panzer verloren habe, berichtet die "NYT".
  • Die Menschenrechtsorganisation Amnesty International wirft der ukrainischen Armee vor, mit ihrer Kriegsführung teils Zivilisten in Gefahr zu bringen. Bei der Abwehr der bereits seit mehr als fünf Monaten andauernden russischen Invasion errichteten die Ukrainer Militärbasen etwa in besiedelten Wohngebieten - darunter auch in Schulen und Krankenhäusern - oder bedienten dort Waffensysteme, heißt es in einem am Donnerstag erschienenen Amnesty-Bericht. 
  • Nach einem Bericht von CBS News will sich Kanada an dem Ausbildungsprogramm für ukrainische Soldaten in Großbritannien beteiligen. Es wird erwartet, dass sich Verteidigungsministerin Anita Anand heute noch offiziell dazu äußert. Dabei soll es sich um die die Wiederaufnahme der Operation Unifer handeln - einer langjährigen Ausbildungsmission, bei der bis zu ihrer Aussetzung im vergangenen Winter mehr als 35.000 ukrainische Soldaten von kanadischen Soldaten eine fortgeschrittene Kampfausbildung bekommen haben.
  • Mehr als 250 Soldaten aus Belarus nehmen ab Ende August an einem großen russischen Militärmanöver teil. Zu der Übung „Wostok 2022“ („Osten 2022“) werden Soldaten einer mechanisierten Brigade des Wehrkreises West in Belarus entsandt, wie die staatliche belarussische Nachrichtenagentur Belta am Donnerstag mitteilte. Zuletzt hatten russische und belarussische Truppen Anfang des Jahres gemeinsam geübt - kurz vor Russlands Einmarsch in die Ukraine. Die „Wostok“-Manöver finden im Osten Russlands statt.
  • Nach beleidigenden Äußerungen einer norwegischen Diplomatin über Russen hat die russische Regierung deren Ausreise gefordert. Ein weiterer Aufenthalt der Konsulin Elisabeth Ellingsen im Land sei "unmöglich", erklärte das russische Außenministerium am Donnerstag. Ein Überwachungsvideo hatte Ellingsen zuvor an einer russischen Hotelrezeption gezeigt, wo sie verkündete, sie "hasse Russen".
  • Russlands Zentralbank hat Unternehmen dazu aufgerufen, ihre Bestände an Devisen "unfreundlicher Staaten" abzubauen. Sie sollten in Währungen solcher Länder übertragen werden, die gegen Russland keine Sanktionen verhängt haben, wie die russische Notenbank am Donnerstag in einem Finanzmarktbericht mitteilte.
  • Knapp eine Woche nach dem verheerenden Angriff auf ein Kriegsgefangenenlager in der Ostukraine hat UN-Generalsekretär António Guterres eine Untersuchung angekündigt. Die Vereinten Nationen hätten sowohl von Russland als auch von der Ukraine ein entsprechendes Gesuch erhalten, sagte Guterres am Mittwoch (Ortszeit) in New York. Er sei „nicht dazu befugt, strafrechtliche Ermittlungen aufzunehmen“, könne jedoch eine Untersuchungsmission einleiten. Die Vorbereitungen dazu liefen.
  • Vor der Großstadt Donezk im Osten der Ukraine liefern sich Ukrainer und Russen schwere Kämpfe. Moskautreue Truppen versuchen, das ukrainische Militär aus ihren Stellungen in den Vororten zu vertreiben, wie übereinstimmend aus den Militärberichten beider Länder hervorgeht. Die Stadt Donezk selbst wird bereits seit 2014 von prorussischen Separatisten kontrolliert, das gleichnamige Gebiet hält die ukrainische Armee aber weiter in großen Teilen.

HINTERGRUND UND ANALYSE

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3. „Die Absage ist ein echter Skandal“ : Ukrainischer Botschafter Melnyk fordert Genehmigung für Panzer-Ausstellung in Berlin

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