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Österreichs Kanzler Sebastian Kurz beteiligte sich nicht an einer Solidaritätsaktion für ärmere Länder.

© Helmut Fohringer/dpa

Streit um Impfstoffverteilung in der EU: Kurz hat sich verzockt

Österreichs Bundeskanzler wollte innerhalb der EU wesentlich mehr Impfstoff für sein Land herausholen. Das Ergebnis fällt für ihn aber eher bescheiden aus

Es geht um eine vergleichsweise geringe Menge von Impfstoff. Aber der Streit, den Sebastian Kurz um die Verteilung von zehn Millionen Impfdosen des Herstellers Biontech/Pfizer in der EU angezettelt hat, wirft vor allem ein schlechtes Licht auf den österreichischen Bundeskanzler selbst. Am Donnerstag musste Österreich in dem diplomatischen Gerangel um die Impfdosen klein beigeben – auch wenn es Kurz gelang, in dem Geschacher unter den Mitgliedstaaten 60.000 zusätzliche Dosen für sein Land herauszuschlagen.

Beim letzten EU-Videogipfel hatte Kurz vergangene Woche noch getönt, ohne eine Lösung bei der Verteilung der zehn Millionen Impfdosen könne es einen Schaden in der EU geben, „wie wir es schon lange nicht erlebt haben“. Nun steht Kurz selber beschädigt da. Denn er weigerte sich, bei einer Solidaritätsaktion zu Gunsten von Bulgarien, Estland, Kroatien, Lettland und der Slowakei mitzumachen. Anders als Österreich werden diese Länder in der EU unterdurchschnittlich mit Impfstoff versorgt.

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Insgesamt verzichteten im Zuge des Solidaritätsausgleichs 19 EU-Länder – darunter Deutschland – auf Impfstoff, der ihnen zusteht. Laut dem unter portugiesischem EU-Vorsitz gefundenen Kompromiss werden insgesamt 2,85 Millionen Impfdosen auf Bulgarien und die anderen vier besonders bedürftigen Länder aufgeteilt. Neben Österreich blieben auch Tschechien und Slowenien bei der Solidaritätsaktion außen vor.

[Wir müssen deutlich unter 100.000 Toten bleiben“. Lesen Sie hier das gesamte Interview mit Karl Lauterbach. T+]

Der ganze Streit um die Verteilung der insgesamt zehn Millionen Impfdosen von Biontech/Pfizer, die im zweiten Quartal zusätzlich an die EU geliefert werden, hat seinen Ursprung im Lieferdebakel beim britisch-schwedischen Hersteller Astrazeneca. Ärmere Länder wie Bulgarien, Kroatien, Slowenien und Tschechien hatten bei ihren Bestellungen vor allem auf Astrazeneca gesetzt. Dafür hatten sie weniger vom teureren Vakzin von Biontech/Pfizer geordert – mit dem Ergebnis, dass andere Länder bei der Impfstoffversorgung besser dastanden.

Obwohl sich die ungleiche Verteilung des Impfstoffs mit der nationalen Bestellpolitik also leicht erklären lässt, hatte Kurz schon bereits vor dem letzten EU-Videogipfel geraunt, dass es möglicherweise Nebenabsprachen zwischen einzelnen Mitgliedstaaten und Pharma-Firmen gebe. Auch nach dem Videogipfel in der vergangenen Woche gab Kurz keine Ruhe und forderte zusätzliche Impfdosen für Österreich.

Zwischenzeitlich drohte Österreich damit, eine weitere EU-Bestellung von Biontech-Vakzinen zu blockieren.
Zwischenzeitlich drohte Österreich damit, eine weitere EU-Bestellung von Biontech-Vakzinen zu blockieren.

© Adem Altan/AFP

Zwischenzeitlich drohte er sogar damit, eine zusätzliche EU-Bestellung von knapp 100 Millionen Dosen bei Biontech/Pfizer zu blockieren – obwohl es dabei faktisch dabei gar keine nationale Vetomöglichkeit gibt.

EU-Diplomat: „Kurz hat eine Gelegenheit verpasst"

Dass der österreichische Kanzler am Donnerstag auf die Abgabe österreichischer Impfstoffdosen an Länder wie Bulgarien und die Slowakei verzichtete, kam in Brüssel schlecht an. „Kurz hat eine Gelegenheit verpasst, um Solidarität zu zeigen“, hieß es am Freitag in EU-Diplomatenkreisen.

Österreich will Sputnik V bestellen

Indes dürfte dies nicht die letzte Extratour des österreichischen Kanzlers beim Ringen um die knappen Vakzine innerhalb der EU bleiben. Bereits vor vier Wochen war er mit der dänischen Regierungschefin Mette Frederiksen nach Israel gereist, um mit Ministerpräsident Benjamin Netanjahu über eine Kooperation bei der Impfstoff-Versorgung zu sprechen. Und nun hat Österreichs Regierungschef erklärt, dass die Alpenrepublik voraussichtlich schon in der kommenden Woche den russischen Impfstoffs Sputnik V bestellen werde.

Damit prescht Kurz erneut vor. Zwar hatten auch Kanzlerin Angela Merkel (CDU) und Frankreichs Präsident Emmanuel Macron am Mittwoch mit dem russischen Präsidenten Wladimir Putin eine Zusammenarbeit bei Impfstoffen erörtert. Allerdings prüft die EU-Arzneimittelbehörde (EMA) derzeit immer noch den Antrag für eine Zulassung von Sputnik V in der EU.

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