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Teilnehmer des Lukov-Marsches in Sofia.

© REUTERS/Spasiyana Sergieva

Rechter Aufmarsch in Bulgarien: Huldigung eines Nazi-Generals

In Sofia versammeln sich hunderte Rechtsextremisten beim antisemitischen Lukov-Marsch. Darunter auch Neonazis anderer europäischer Länder.

Jedes Jahr im Februar trifft sich im bulgarischen Sofia die rechtsextreme Szene Europas um eines Mannes zu gedenken, der von Robert Singer, dem ehemaligen Vorsitzenden des “Jewish World Congress”, einmal als “der wichtigste bulgarische Förderer des Holocausts” beschrieben worden ist.

General Hristo Lukov wurde 1935 bulgarischer Kriegsminister, war gleichzeitig Vorsitzender des faschistischen “Bundes der Bulgarischen Nationalen Legionen” und pflegte schon vor Beginn des Zweiten Weltkriegs gute Kontakte zu den deutschen Nationalsozialisten.

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Lukov setzte sich für die Umsetzung von antisemitischen Gesetzen in seinem Heimatland ein, die den Nürnberger Rassengesetzten der Nazi nachempfunden waren. Mitglieder seiner Bewegung führten Pogrome an jüdischen Geschäften und Einrichtungen durch und kollaborierten mit den Nazis bei der Deportation von mehr als zehntausend Juden in das Vernichtungslager Treblinka.

Im Februar 1943 wurde Lukov von kommunistischen Partisanen vor seinem Wohnhaus in Sofia erschossen. Seit nunmehr 19 Jahren gedenken nationalistische und rechtsextremistische Kräfte dem bulgarischen Nazi-General zu seinem Todestag Mitte Februar.

Weniger Nazis aus Deutschland als in den Vorjahren

Organisiert wird der Aufmarsch von der “Bulgarian National Union”, einer ultraradikalen Kleinstpartei aus dem rechten Lager, die zwar keinen parlamentarischen Einfluss im Schwarzmeer-Staat besitzt, dennoch europaweit bestens vernetzt ist.

Fackelträger beim Nazimarsch. Mit dabei auch rechte Hooligans.
Fackelträger beim Nazimarsch. Mit dabei auch rechte Hooligans.

© Julius Geiler

In den vergangenen Jahren waren unter anderem Neonazis des schwedischen “Nordic Resistance Movement”, der italienischen extrem rechten Kleinstpartei “Casa Pound” oder Mitglieder des Dortmunder Ablegers von “Die Rechte” nach Sofia geflogen, um sich dem Nazi-Gedenken der bulgarischen Kameraden anzuschließen.

Und auch dieses Jahr war die internationale Beteiligung am Aufmarsch trotz Pandemie groß. Gegen 17 Uhr versammelten sich erste Teilnehmer des Gedenkens im Zentrum Sofias vor dem nationalen Kulturpalast, darunter Hooligans aus der Fanszene des lokalen Fußballvereins Lewski Sofia.

Während die Betonwüste vor dem Kulturpalast die letzten Sonnenstrahlen abbekam, trafen die ausländischen Delegationen um französische und schwedische Neonazis zur Auftaktkundgebung ein. Erneut waren auch einzelne deutsche Teilnehmer vor Ort, wenn auch weniger als in den Vorjahren.

Neonazi beim antisemitischen Gedenkmarsch.
Neonazi beim antisemitischen Gedenkmarsch.

© Julius Geiler

Viele deutsche Rechtsextremisten haben mit behördlich verhängten Einreisesperren zu kämpfen, der Staatsschutz der Berliner Polizei war am Freitagnachmittag nach Tagesspiegel-Informationen sogar mit etwa zehn Beamten am Flughafen BER vor Ort, um mögliche Ausreisen Berliner oder Brandenburger Rechtsextremisten nach Sofia zu verhindern. Die Pressestelle der Polizei wollte sich zu möglichen verhinderten Ausreisen zunächst nicht äußern. 

Gegen 18:00 Uhr setzten sich die etwa 400 Teilnehmer des Lukov-Marsches zu einem Aufzug durch die Fußgängerzone der Metropole zusammen. In Sprechchören huldigten die meist schwarz gekleideten Nationalisten den Antisemiten Lukov, vereinzelt zeigten Demonstranten den Hitlergruß.

Gegendemos nach Aufruf von linken Gruppen

Die von den Organisatoren der “Bulgarian National Union” gestellten Ordner traten paramilitärisch in Uniform auf und trugen teilweise Patches, die mit dem Code “28” des global operierenden, rechtsextremen Netzwerks “Blood and Honour” versehen waren.

Mit bunten Rauchfackeln machten Gegendemonstranten auf sich aufmerksam.
Mit bunten Rauchfackeln machten Gegendemonstranten auf sich aufmerksam.

© Julius Geiler

Der Aufzug endete vor dem einstigen Wohnhaus des Generals, vor dessen Tür Lukov 1943 erschossen wurde. Mit einer Kranzniederlegung, Fackeln und einer Schweigeminute gedachten die Rechtsextremisten dem ehemaligen Kriegsministers Bulgariens. Unwidersprochen blieb das Schaulaufen von Extrem Rechts in Sofia nicht.

Zug der Gegendemonstranten in Sofia.
Zug der Gegendemonstranten in Sofia.

© Julius Geiler

Bereits am Samstag-Mittag folgten etwa hundert Menschen dem Aufruf von linken und antifaschistischen Gruppierungen, um gegen den Neonazi-Aufmarsch zu demonstrieren, darunter zahlreiche Gesichter der queeren Szene der Hauptstadt. Im Sommer hatte ein homophober Mob aus über 300 Personen die erste Pride in der ostbulgarischen Stadt Burgas angegriffen und Eier, Steine und Rauchbomben auf die Teilnehmer des queeren Aufzugs geworfen. 

Auch von Seiten der Politik nimmt der Widerstand gegen das Lukov-Gedenken zu. Alle vier Parteien der neuen Regierungskoalition um Ministerpräsident Kiril Petkow unterschrieben eine gemeinsame Erklärung, in der sich gegen den Neonaziaufmarsch positioniert wurde.

Die Bürgermeisterin von Sofia versuchte bis zuletzt die Demonstration zu verhindern, was zur Folge hatte, dass die Demonstration nicht wie geplant geschlossen zum Ort von Lukovs Ermordung ziehen konnte, sondern sich in vier einzelne Blöcke durch die Stadt bewegte, die erst zur Abschlusskundgebung wieder zusammenfanden.

Julius Geiler

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