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Wahl in Bulgarien: Stimmabgabe in einem Wahllokal in Sofia

© AFP/Nikolay Doychinov

Parlamentswahl in Bulgarien: Entertainer Trifonow liegt vor Borissow

Entertainer Slawi Trifonow wollte Bulgariens stärkste Partei führen. Jetzt hat seine populistische ITN Prognosen zufolge die Neuwahl gewonnen.

Nach der zweiten Parlamentswahl in Bulgarien innerhalb von gut 100 Tagen können die Gegner des früheren Ministerpräsidenten Boiko Borissow sich Hoffnungen auf die Regierungsbildung machen. Prognosen sehen die populistische Partei ITN des Entertainers Slawi Trifonow als Sieger mit knappem Vorsprung vor der Partei GERB des Ex-Ministerpräsidenten Borissow.

Auch die beiden anderen Protestparteien haben den Prognosen zufolge ihre Ergebnisse im Vergleich zur Wahl vom 4. April verbessert. Amtliche Endergebnisse soll es erst binnen vier Tagen geben.

Die erst 2020 gegründete systemkritische ITN („Es gibt so ein Volk“) erhielt nach Schätzungen von drei Meinungsforschungsinstituten am Sonntag 22,8 bis 24 Prozent der Stimmen. Borissows GERB kommt demnach auf 22,5 bis 23,5 Prozent, gefolgt von den Sozialisten (Ex-KP) mit etwa 13 Prozent. Insgesamt sollen in das Parlament wieder sechs Parteien einziehen. Die Nationalisten konnten die Vier-Prozent-Hürde auch bei dieser Wahl nicht überwinden.

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„Die Unterstützung, die ITN erhielt, ist erstaunlich“, schrieb der Entertainer Trifonow auf Facebook. Der 54-Jährige trat bei dieser Wahl selbst nicht an. Seine Partei gehört zu keiner politischen Familie im EU-Parlament. Sie will unter anderem das Mehrheitswahlrecht einführen und die staatlichen Hilfen für die Parteien drastisch verringern.

„Es gibt so ein Volk“ könnte den Prognosen zufolge zusammen mit der konservativ-liberal-grünen Anti-Korruptions-Koalition Demokratisches Bulgarien und der kleineren „Richte dich auf! Mafiosi raus!“ mit etwa 112 der 240 Parlamentsmandate rechnen. Dies bedeutet aber eine Minderheitsregierung, die auf die Unterstützung anderer Parteien angewiesen sein würde - etwa der Sozialisten oder der Partei der türkischen Minderheit DPS. Die beiden letzteren wurden von der ITN als „Parteien des Status quo“ der alten Eliten bezeichnet, mit denen die Entertainer-Partei nichts zu tun haben will. Gerade deswegen hatte Trifonow im April auf die Bildung einer Minderheitsregierung verzichtet. Er will an diesem Montag seine konkreten Pläne bekanntgeben.

Wahlbeteiligung sehr niedrig

Sollten sich die Prognosen bestätigen, wäre dies für Borissows GERB die erste Wahlniederlage seit 2009 sowie das Ende von „Borissows Ära“. Die GERB hatte die Wahl vor drei Monaten noch mit gut 26 Prozent gewonnen, konnte aber wegen der politischen Isolation keine Koalitionspartner mehr finden. Im Europaparlament gehört die GERB ebenso wie die CDU und CSU zur Europäischen Volkspartei (EVP).

Borissows frühere Regierung - seine dritte mit kurzer Unterbrechung - war wegen Korruptionsvorwürfen massiv in die Kritik geraten. Die von Staatschef Rumen Radew eingesetzte Übergangsregierung enthüllte zahlreiche Missstände, Korruptionspraktiken und Versäumnisse der alten GERB-Regierung.

Die Wahlbeteiligung war den Prognosen zufolge mit gut 38 Prozent für eine Parlamentswahl sehr gering. Bei einer Einwohnerzahl von 6,9 Millionen sollen lediglich etwa 2,7 Millionen Wähler ihre Stimme abgegeben haben. Wahlforscher führten dies unter anderem auf den Wahltermin mitten in der Urlaubszeit zurück sowie auf das Vorgehen der Polizei gegen den illegalen Kauf von Wählerstimmen. (dpa)

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