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Ein Intensivpfleger arbeitet auf einer Intensivstation des RKH Klinikum Ludwigsburg an einem Covid-19-Patienten.

© dpa/Sebastian Gollnow

Neuer Richtwert für Corona-Beschränkungen: Die wichtigsten Fragen und Antworten zur Hospitalisierungsrate

Die Sieben-Tage-Inzidenz hat ausgedient, Corona-Maßnahmen werden künftig an die Hospitalisierungsrate angepasst. Doch warum – und was gilt wann?

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Die Sieben-Tage-Inzidenz der Fallzahlen pro 100.000 Einwohner als Gradmesser für Corona-Maßnahmen in Deutschland hat mit den Covid-19-Schutzimpfungen ausgedient. Denn nicht jede neue Infektion bedroht mittlerweile automatisch die Stabilität des Gesundheitssystems.

Künftig schaut die Politik auf einen neuen Wert, um eine Überlastung der Krankenhäuser abwenden zu können. Der wichtigste Parameter für eine mögliche Verschärfung der Corona-Beschränkungen ist nun die Hospitalisierungsrate. Doch auch hier gibt es Zweifel mit Blick auf Nutzen und Zielgenauigkeit.

Die wichtigsten Fragen und Antworten zum neuen Richtwert im Überblick:

1. Warum wird die Hospitalisierungsinzidenz als weiterer Indikator gebraucht?

Das Bundesgesundheitsministerium schreibt dazu, dass es angesichts der steigenden Durchimpfungsrate gegen das Coronavirus notwendig ist, neben der Sieben-Tage-Inzidenz weitere Indikatoren heranzuziehen, um das Infektionsgeschehen angemessen zu bewerten.

Die Krankheitsschwere eigne sich dafür im Besonderen. Diese kann unter anderem durch die Anzahl der Hospitalisierungen beziehungsweise durch die Sieben-Tage-Hospitalisierungsinzidenz abgebildet werden.

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2. Was ist die Hospitalisierungsinzidenz?

Der H-Wert bezieht sich auf die Corona-Fälle im Krankenhaus von den in den letzten sieben Tage gemeldeten Fällen je 100.000 Menschen. Zudem können die Angaben nach Altersgruppen und Bundesland aufgeschlüsselt werden, so das Bundesgesundheitsministerium.

3. Wie wird der H-Wert erhoben?

Zur Ermittlung der Hospitalisierungsrate erfasst das Robert Koch-Institut (RKI) die gemeldeten Krankenhausaufnahmen von Corona-Patienten pro 100.000 Einwohner in einem Sieben-Tage-Zeitraum. Derzeit liegt der H-Wert bundesweit bei 5,7. Spitzenreiter sind Thüringen (18,5) und Sachsen-Anhalt (11,9). Hamburgs Hospitalisierungsrate liegt hingegen bei 1,6 und damit bundesweit am niedrigsten.

Einzelne Bundesländer nutzen den H-Wert bereits seit August, um daraus Pandemie-Schutzmaßnahmen in einem Ampel-System abzuleiten.

[Lesen Sie auch diesen beliebten T-Plus-Artikel: Ist Svenja Flaßpöhler hart, aber unfair? „Ich finde es falsch, Ungeimpften unterschiedslos Dummheit vorzuwerfen“ (T+)]

Gemeldet werden die eingelieferten Corona-Fälle von den Krankenhäusern an die Gesundheitsämter. Dafür muss der Grund für die Aufnahme eines Patienten oder einer Patientin im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung stehen. Die Meldung muss innerhalb von 24 Stunden nach der Aufnahme erfolgen.

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4. Was gilt ab einer Hospitalisierungsrate 3?

„Wir haben Schwellenwerte definiert, ab denen dann ein bestimmter flächendeckender Maßnahmenkatalog eingesetzt werden muss“, teilte Bundeskanzlerin Angela Merkel mit. Konkret heißt das, dass ab einer Hospitalisierungsrate 3 – drei Corona-Patienten auf 100.000 Einwohner – 2G gilt. Ungeimpften ist dann der Zutritt zu Restaurants, Hotels, Freizeit und Kulturveranstaltungen untersagt. Körpernahe Dienstleistungen können dann ebenfalls von Ungeimpften nicht mehr wahrgenommen werden. Davon ausgenommen sind Kinder unter 18 Jahren.

5. Was gilt ab einer Hospitalisierungsrate 6?

Ab einem H-Wert von 6 gilt 2G+. Geimpfte und Genesene brauchen dann zusätzlich einen negativen Test, um Zugang zu Restaurants, Hotels, Freizeit- und Kulturveranstaltungen sowie körpernahe Dienstleistungen zu erhalten.

7. Was gilt ab einer Hospitalisierungsrate 9?

Liegt der H-Wert bei 9 oder höher, können betroffene Bundesländer Kontaktbeschränkungen verhängen oder regionale Schließungen anordnen. Bayern und Sachsen gehen diese Wege aktuell.

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8. Wie genau kann der H-Wert das Infektionsgeschehen abbilden?

Das Bundesgesundheitsministerium schreibt dazu: „Wie bei Surveillancesystemen (Anm. d. Red.: systematische Erhebung und Erfassung hygienebezogener Daten in medizinischen und pflegerischen Einrichtungen) üblich, ist die Datenqualität abhängig von der Schnelligkeit der Erhebung.“  

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Die Hospitalisierungsinzidenz werde nach Meldedatum des Falles ausgewiesen und nicht nach dem Datum, an dem ein Patient oder eine Patientin ins Krankenhaus kommt. Durch Nachmeldungen kann sich demnach der Wert für zurückliegende Zeiträume verändern. Und hierin sehen viele Experten ein Problem.

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9. Welche Kritik gibt es an der Hospitalisierungsinzidenz?

„Die Kennzahl ist dem Grunde nach wichtig und richtig“, sagt Gerald Gaß, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Krankenhausgesellschaft (DKG). Es gebe allerdings noch ein Defizit in der Erfassung der Daten. „Bis heute gibt es kein digitales Meldeverfahren, in dem die Krankenhäuser täglich über eine Software an die Gesundheitsämter melden“, erklärt Gaß weiter. „Das passiert auf Papier, per Fax und ist der Grund für die teils großen Unterschiede.“

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Als Beispiel: In Bayern, wo besonders langsam gemeldet wird, spitzt sich die Situation schneller zu, als Zahlen das erkennen lassen. Bayern meldet im Vergleich zu anderen Bundesländern langsamer und schrammt derzeit an der dritten Stufe (Hospitalisierungsinzidenz 9) vorbei. Das Science Media Center Germany schätzt, dass die Zahl dort bereits bei über 12 liege. Dementsprechend wären also Stufe-3-Maßnahmen bereits flächendeckend angebracht.

In einer gemeinsamen Erklärung appellieren unter anderem die Bayerische Krankenhausgesellschaft und die Landesärztekammer an die Politik und die Menschen, die Pandemiewelle zu brechen. Im akut-stationären Krankenhausbereich sei die Lage besorgniserregend wie noch nie in Nachkriegsdeutschland. „Unsere Intensivstationen sind längst übervoll, Menschen werden teilweise weit wegverlegt und Patientinnen und Patienten müssen auf ihre geplanten und unbedingt notwendigen Operationen eine unbestimmte Zeit warten“, heißt es.

Es sei bereits zu spät, um Versorgungsengpässe zu verhindern: „Die bayerischen Krankenhäuser können bei dieser Dynamik der aktuellen Entwicklung eine stationäre ausreichende Gesundheitsversorgung der Bevölkerung in den nächsten Wochen nicht mehr im vollen Umfang gewährleisten.“ Es werde zwangsläufig vermehrt zu regionalen Engpässen in der Krankenhausversorgung auf ganzer Breite kommen. „An dieser Tatsache kann nichts beschönigt werden“, so die Verantwortlichen.

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Dass die Realität im H-Wert nicht immer abgebildet wird, ist ein bekanntes Problem. Wie die Sieben-Tage-Inzidenz der Fallzahlen fällt auch die Hospitalisierungsinzidenz in den aktuellen Meldungen aufgrund noch fehlender Nachmeldungen zu niedrig aus.

10. Wie hoch ist der Verzug bei der Hospitalisierungsinzidenz?

Wie dramatisch diese Lücke ist, zeigt das Science Media Center auf: Während bei der Inzidenz der Infektionszahlen nach drei bis fünf Tagen ein Großteil der Nachmeldungen eingetroffen ist, dauere das bei der Hospitalisierungsinzidenz bis zu zwei Wochen und mehr.

Das Problem ist hierbei, dass die H-Inzidenz als Summe über sieben Tage keinen Zeitpunkt mit vollständigen Meldungen umfasst. Es gebe allerdings statistische Verfahren wie das Nowcasting, die versuchen, den Meldeverzug auszugleichen und realistischere Werte zu schätzen – sie werden aber bisher nicht herangezogen.

[Lesen Sie bei Tagesspiegel Plus: Niedrige Impfquoten und Waldorfschulen – „Anthroposophen glauben, dass Fakten schädlich sind für junge Kinder“ (T+)]

Für die DKG bleiben daher nach wie vor die Inzidenzen und die Belegung der Intensivstationen wichtige Kennzahlen. „Wir müssen dringend die Defizite im Meldeverfahren und auch die Frage, an welchem Punkt gemeldet wird, nachbessern, um ein einheitliches Meldeverfahren und vergleichbare Hospitalisierungsraten zu bekommen“, so Gaß. „Hier ist noch viel zu tun.“

11. Welche weiteren Kennzahlen bringen Experten ins Gespräch?

Ärztepräsident Klaus Reinhard meint, es sei zwar vernünftig, die 2G-Regeln an die Hospitalisierungsinzidenz zu koppeln, da die Belastung der Krankenhäuser und insbesondere der Intensivstationen jetzt das entscheidende Kriterium für weitere Eindämmungsmaßnahmen seien. Genau wisse man aber nicht, ab welchem Schwellenwert tatsächlich eine Überlastung drohe. „Wir müssen deshalb die Lage auf den Stationen im Blick behalten und bei Bedarf nachsteuern“, so Reinhardt.

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Eugen Brysch, Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, erklärt: „Für eine Bewertung der Corona-Krise schaffen Bund und Länder immer noch keinen verlässlichen Maßstab. So ist die Hospitalisierungsrate weder eine aktuelle Zahl noch spiegelt der Wert die tatsächliche Belastung der Krankenhäuser wider.“

Corona-infizierte Patienten seien nicht automatisch Corona-Kranke. Ebenso zeige die Auslastung der Intensivstationen im Divi-Register nur einen kleinen Ausschnitt der Arbeit in den Kliniken. Überfällig sei laut Brysch ein Covid-19-Radar für Krankenhäuser.

„So können tagesaktuelle Parameter die Wirklichkeit besser abbilden. Dazu gehören Corona-Infizierte, Covid-19-Erkrankte, Corona-Verstorbene und die Auslastung der belegbaren Betten aller Stationen. Überhastet ist die Forderung, es sei auf verschiebbare Operationen zu verzichten.“

Dieser schwammige Begriff lasse sich praktisch gar nicht greifen. „Vielmehr gerät dadurch die Mehrheit der Krankenhauspatienten aus dem Blick, die nicht an Covid-19 leiden“, so Brysch.

[Lesen Sie auch: „Bald 50 Prozent Impfdurchbrüche in Kliniken“: Wer sind die Geimpften auf den Intensivstationen? (T+)]

„Im Vergleich zu den vorherigen Wellen haben wir in der vierten Welle andere Rahmenbedingungen, weil bereits ein großer Teil der Bevölkerung geimpft ist. Wir stellen fest, dass die Impfung wirkt, aber noch nicht ausreichend Menschen geimpft sind, beziehungsweise eine Auffrischungsimpfung erhalten haben“, erklärt Jens Scholz, erster Vorsitzender des Verbands der Universitätsklinika Deutschlands.

Deshalb sei die Inzidenz der Neuinfektionen mit den bisherigen Grenzwerten als Indikator nicht mehr so aussagekräftig, wie in den ersten Wellen. Es sei also durchaus nachvollziehbar, die Hospitalisierungsrate als Indikator auszuwählen, denn sie gibt einen Hinweis darauf, wie belastet die Krankenhäuser im Moment sind, so Scholz.

Der Nachteil: Es sei nur eine Momentaufnahme. „Wie die Belastung in zwei Wochen aussieht, gibt die Hospitalisierungsrate dagegen nicht an. Hier bleibt die Inzidenz von Neuinfektionen wichtig und muss weiterhin beobachtet werden. Außerdem gibt die Hospitalisierungsrate nur wieder, wie viele Covid-Patienten in den Krankenhäusern aufgenommen wurden, nicht aber, wie groß die Belastung der Krankenhäuser durch andere Fälle insgesamt ist. Insgesamt hilft uns aber nur Impfen und Boostern – und das so schnell wie möglich!“

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