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Ein 32 Meter langes Wandbild erinnert in Hanau an die Ermordeten.

© Ralph Peters/imago

Migrantenorganisationen zu Hanau: „Größte Zweifel an Aufklärungsbereitschaft“

Ein Jahr nach den Morden in Hanau: Rassismus wird weiter individuell gesehen, nicht als Strukturproblem, sagen Migrantenorganisationen.

Die deutschen Migrantenorganisationen haben ein Jahr nach den rassistischen Morden in Hanau eine gemischte Bilanz gezogen. Zu viele Fragen seien offen, sagte Sami Dzemailovski am Mittwoch während einer Pressekonferenz des Dachverbands „Bundeskonferenz der Migrantenorganisationen“ (BKMO).

Unter anderem sei ungeklärt, „warum der Notruf nicht anständig besetzt worden ist, warum die Polizei nicht erreichbar war, warum der Täter trotz eines psychiatrischen Gutachtens Waffen besitzen konnte“, sagte Dzemailovski, der für den Verband für interkulturelle Wohlfahrtspflege Mitglied der BKMO ist. „Da warten wir alle auf Antworten.“ Er ist Roma wie auch Mercedes Kierpacz, Kaloyan Velkov und Vili Viorel Paun, drei der Hanauer Toten.

An einem einzigen Tag seien vor einem Jahr neun Menschen getötet worden, „so viele wie durch den NSU“, sagte Dzemailovski. Man habe „größte Zweifel an der Aufklärungsbereitschaft von Politik und Polizei“. Am Dienstagmorgen hatte im Deutschlandfunk auch Ajla Kurtovic, die Schwester des ermordeten Hamza Kurtovic, beklagt, dass die Angehörigen und Überlebenden nicht einmal eine Anlaufstelle hätten. Eine Behörde verweise auf die andere, es habe bisher kein Gespräch mit der Polizei gegeben.

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Die Bundeskonferenz beklagt aber auch die aus ihrer Sicht zu mageren politischen Konsequenzen aus Hanau. Bundeskanzlerin Angela Merkel hatte einige Wochen nach dem 19. Februar einen Kabinettsausschuss gegen Rechtsextremismus und Rassismus einberufen, der Mitte November 89 Maßnahmen vorlegte.

Einiges davon sei nicht schlecht, bemerkten die Vertreter:innen der Bundeskonferenz, aber für wirkliche Fortschritte sei „nicht einmal die Basis“ gelegt, so Saraya Gomis. Die Studienrätin und frühere Antirassismusbeauftragte des Berliner Senats ist Vorstand im afrodeutschen Verein „Eoto“. Antidiskriminierung fehle „im gesamten Maßnahmenpaket“, selbst ein Rassismusbegriff fehle. „Es geht zu sehr um Alltag und zu wenig um Strukturen.“

Marianne Ballé Moudoumbou von der Schwarzen Frauenvereinigung „Pawlo“ wies auf die mehrfachen Rügen der UN an die Adresse Deutschlands hin: „Diesen Empfehlungen wurde keine Folge geleistet. Institutioneller und struktureller Rassismus wird immer noch nicht anerkannt.“ Der UN-Antirassismusausschuss hatte etwa moniert, dass die deutsche Justiz im Fall Sarrazin einen überholten Rassismusbegriff zugrundelegt und Sarrazin deshalb nicht belangt habe.

Farhad Dilmaghani, einst Staatssekretär in Berlin und heute Vorsitzender des Vereins „DeutschPlus“, sagte, von Rassismus Betroffene wehrten sich gegen den Vorwurf, sie machten „spaltende Identitätspolitik“. Man wolle schlicht gleiche Rechte für alle – wie sie der Gleichheitsgrundsatz im Grundgesetz verlange. ade

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