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Gesundheitsminister Jens Spahn mit Mund-Nasen-Schutz während einer Sitzung des Bundeskabinetts.

© dpa

„Masken-Gegnern passt das gut in den Kram“: Was bedeutet Spahns Erkrankung für die Stimmung im Land?

Der Gesundheitsminister hat eine Vorbildfunktion. Nun ist er erkrankt. Löst das Fatalismus oder mehr Vorsicht aus? Fragen an den Sozialpsychologen Rolf van Dick.

Rolf van Dick ist Professor für Sozialpsychologie und Vizepräsident an der Goethe-Universität Frankfurt am Main.

Herr van Dick, Gesundheitsminister Jens Spahn hat in der Coronakrise eine Vorbildfunktion. Wie wirkt es sich auf die Stimmung in der Bevölkerung aus, wenn sich jemand wie er infiziert? Löst das Panik aus, Fatalismus oder noch höhere Vorsicht?

Das ist eine Frage der Kommunikation. Jeder weiß, dass Minister in ihrem Job viele Kontakte haben. Für sie ist natürlich die Gefahr der Ansteckung höher als für den Durchschnittsmenschen, der immer dieselben drei Kollegen oder Familienangehörigen trifft. Gleichzeitig gibt es die Bilder von Jens Spahn im Kabinett, wo jeder seinen eigenen Tisch hat und Maske getragen wird. Da signalisiert die Bundesregierung ganz bewusst: Wir sind vorsichtig, ihr müsst nicht befürchten, dass sich das halbe Kabinett angesteckt hat. 

Gleichzeitig gibt es aber diejenigen, die sagen: Dass Spahn sich angesteckt hat, zeigt doch, dass Masken und die AHA-Regeln nichts bringen.

Die gibt es. Viele davon haben die Maske aber sicher schon vorher abgelehnt. Psychologen nennen das eine Dissonanzreaktion. Wenn ich die Maske nicht mag, blende ich Studien, die ihre Wirksamkeit belegen, lieber aus und konzentriere ich mich auf Infos, die zu meiner Einstellung passen. Masken-Gegnern passt Spahns Erkrankung deshalb gut in den Kram. Einige Wortführer in diesem Kreis benutzen das sogar für ihre Propaganda.

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Welche Auswirkungen kann Spahns Erkrankung langfristig politisch haben?

Man muss abwarten, wie die Krankheit verläuft. Momentan scheint er ja zum Glück eher leichte Symptome zu haben. Bleibt es bei dem milden Verlauf, dann kann das zwei Auswirkungen haben. Wie bei US-Präsident Donald Trump und Brasiliens Präsident Jair Bolsonaro werden Anhänger sagen: Der hat die Krankheit gut weggesteckt, der ist fit, dem trauen wir etwas zu. Auf der anderen Seite können Leute, die Corona verharmlosen, versuchen, den leichten Verlauf als Argumentationshilfe zu nehmen – nach dem Motto: Ist alles gar nicht so schlimm. Egal, wie die Krankheit verläuft, sollte darüber aber transparent kommuniziert werden. Da darf man die Öffentlichkeit nicht im Unklaren lassen, wie das bei Trumps Erkrankung zum Teil geschehen ist.

Wie sehr orientieren sich die Menschen in der Coronakrise an Vorbildern?

Vorbilder sind immer wichtig. Aber in Zeiten extremer Unsicherheit, wie wir sie jetzt erleben, gilt das noch einmal ganz besonders. Da orientieren sich Menschen stark am Handeln von Vorbildpersonen. An den Umfragewerten von Jens Spahn sehen wir, dass er in dieser Krise so eine Vorbildfigur ist. Er hat gegenüber Medien und der Öffentlichkeit klar kommuniziert und so das Bedürfnis der Menschen nach Klarheit so weit wie möglich befriedigt.

Der Sozialpsychologe Rolf van Dick.
Der Sozialpsychologe Rolf van Dick.

© Moritz Sirowatka/ dpa

Dennoch zeigt sich ja jetzt: Selbst wenn man sich vorbildlich an die AHA-Regeln hält, ist man nicht zu 100 Prozent geschützt.

Ja, wir bewegen uns im Bereich von Wahrscheinlichkeiten. Es gibt keine absolute Sicherheit in diesem Bereich. Wenn man Maßnahmen wie Alltagsmaske, Hygiene, Abstand und Lüften einhält, dann reduziert man die Wahrscheinlichkeit, sich anzustecken. Aber sie geht eben nicht auf Null. Gleichzeitig erhöht man das Ansteckungsrisiko, wenn man Party macht – aber das heißt nicht, dass man sich auf jeden Fall ansteckt. Das ist wie mit dem Rauchen und dem Lungenkrebs. Auch Nicht-Raucher können ihn bekommen, auch ein Ketten-Raucher kann verschont bleiben. Das muss man wissen. Gleichzeitig ist es richtig, dass die Regierung die Regeln klar kommuniziert und sie nicht dadurch verwässert, dass sie immer auf die Restrisiken verweist. Die Leute sollen sich ja daran halten.

Kann es durch die Erkrankung von Spahn nicht passieren, dass einige Leute das Gefühl bekommen: Ich kann dem Ganzen eh nicht entkommen? Das wäre dann eine Art Fatalismus.

Das sehe ich bislang nicht. In Deutschland sind die Zahlen noch niedrig genug, dass gar nicht jeder jemanden persönlich kennt, der betroffen ist. Das hat natürlich auch wieder positive und negative Auswirkungen: Zum einen führt es dazu, dass die Leute eben nicht völlig panisch werden und glauben, dass sie gleich der Nächste sind. Zum anderen reduziert es bei vielen das Problembewusstsein. Wir haben in unseren Studien gesehen, dass neben den Leuten die in einem Risikogebiet wohnen oder zur Risikogruppe gehören, vor allem die besonders vorsichtig sind, die einen Corona-Erkrankten kennen. Die Betroffenheit im persönlichen Umfeld ist ein sehr entscheidender Faktor.

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