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Unter Assads Herrschaft sind Tausende in den Gefängnissen verschwunden und viele von ihnen ums Leben gekommen.

© Syrian Presidency/AFP

Historisches Koblenzer Urteil zu Staatsfolter: Niemand ist in Assads Syrien sicher

Der Syrer Eyad A. muss wegen Folter und Freiheitsberaubung ins Gefängnis – es ist ein historisches Urteil, gefällt nach dem Weltrechtsprinzip. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Christian Böhme

Auf dieses Urteil haben die Opfer lange gewartet und gehofft. Nun hat ein deutsches Gericht in einem Prozess nach rechtsstaatlichen Prinzipien das bestätigt, woran es keinen Zweifel geben kann: Syrien unter Diktator Baschar al Assad ist ein Folterstaat.

Ein Land, in dem nicht nur Krieg herrscht, sondern mörderische Willkür und Unterdrückung. Ein Land, in dem jeder um sein Leben fürchten muss, der dem Regime nicht genehm ist. Abertausende sind in den Kerkern verschwunden und werden dort systematisch gequält – oft zu Tode. Assads Schergen, sein allgegenwärtiger Sicherheitsapparat – sie kennen keine Gnade.

Eyad A. war Teil dieses menschenverachtenden Systems. Jetzt muss er für viereinhalb Jahre ins Gefängnis. Die Richter in Koblenz sehen es als erwiesen an, dass der Ex-Geheimdienstler sich der Beihilfe zu Verbrechen gegen die Menschlichkeit in Form von Folter und schwerwiegender Freiheitsberaubung schuldig gemacht hat. So etwas wie Befehlsnotstand ließ das Gericht nicht gelten.

Es ist ein wegweisendes Urteil und zugleich historisches. Eines, das zeigt: Wer derart abscheuliche Verbrechen begeht, kann sich nicht sicher sein, dass er davonkommt.

Ermöglicht wird das durch das Weltrechtsprinzip im Völkerstrafrecht. Demzufolge dürfen Taten verfolgt und geahndet werden, auch wenn sie keinen unmittelbaren Bezug zu Deutschland haben.

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Dankenswerterweise hat die Bundesanwaltschaft dieses Prinzip erstmals angewendet, Beweise zusammengetragen und Haftbefehle erlassen. Was in diesem Prozess zusammengetragen wurde, kann in anderen Verfahren genutzt werden. Dank gebührt auch jenen, die die Geschundenen juristisch beraten und vor Gericht als Nebenkläger vertreten.

Die Opfer wollen Gerechtigkeit, nicht Rache

All das wurde aber erst durch die Aussagen der Opfer ermöglicht. Sie haben vor Gericht von ihrem Leid eindringlich berichtet. Waren bereit, sich noch einmal in die Hölle ihrer Schmerzen und Qualen zurückzubegeben. Sie haben geschildert, wie Gefangene vergewaltigt, mit Strom malträtiert oder mit kochendem Wasser übergossen wurden.

Niemand kann ermessen, wie schwer ihnen das gefallen sein muss. Das Trauma des Erlittenen, es lässt die Menschen nicht los. Sie wollen keine Rache, aber Gerechtigkeit.

Das Urteil von Koblenz ist aber noch für eine andere Frage wegweisend. Können Menschen, selbst wenn sie als Gefährder gelten, nach Syrien abgeschoben werden? Die Antwort lautet: Nein. Assads Land ist ein Folterstaat.

Jeder Rückkehrer, jede Rückkehrerin gilt als Verräter. Der Ende 2020 aufgehobene Abschiebstopp muss wieder in Kraft treten. Niemand ist nirgends in Syrien sicher. Und: Abschieben hieße, sich mit dem Assad-Regime an einen Tisch zu setzen, um die Modalitäten zu klären. Doch will man diese Art und Weise den Despoten hofieren? Die Antwort kann nur lauten: auf gar keinen Fall.

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