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Viele Fragen zu beantworten: Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD)

© Imago/Emmanuele Contini

Kanzler in Cum-Ex-Affäre in Bedrängnis: Union glaubt nicht an Lücken in Scholz' Kalender

Bundeskanzler Olaf Scholz macht um seine Rolle im Cum-Ex-Skandal um die Hamburger Warburg-Bank ein Geheimnis. Die größte Oppositionsfraktion sieht darin System.

Die Union geht Bundeskanzler Olaf Scholz (SPD) in der Cum-Ex-Affäre um Steuerbetrug mit Aktiengeschäften hart an. „Alle Indizien deuten darauf hin, dass der Kanzler stärker als bislang vermutet im Cum-ex-Sumpf steckt“, sagte der Obmann der Unionsfraktion im Finanzausschuss des Bundestags, Matthias Hauer, dem Tagesspiegel. Scholz werde „zu den gezielten Löschungen und den fehlenden Kalendereinträgen detailliert Stellung nehmen müssen“.

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Kölner Staatsanwälte nehmen an, dass es im Terminkalender von Scholz aus seiner Zeit als Erster Bürgermeister in Hamburg gezielte Löschungen gab, wie am Wochenende bekannt wurde. Sie dürften in Verbindung mit dem Hamburger Bankhaus Warburg stehen, das sich von Rückzahlungen ans Finanzamt befreien wollte und dafür Scholz um Hilfe bat. Tatsächlich ließ Hamburg die Steuerschuld verjähren.

Treffen mit Olearius

Hauer machte deutlich, dass er der Darstellung des Kanzlers nicht glaubt. Dessen Erinnerung reiche „auffällig exakt so weit, wie sich die aktuelle Aktenlage darstellt“. Es sei „völlig lebensfremd“, dass er sich „nicht mehr an einen Vorgang dieser Dimension“ erinnere.

Wenn Scholz sich in seiner Hamburger Zeit „persönlich mehrfach mit Kriminellen getroffen“ habe und am Ende sogar das Ministerium habe eingreifen müssen, dann sei es „völlig lebensfremd“, dass er sich an all das nicht mehr erinnere, sagte Hauer – eine Anspielung auf Christian Olearius, bis 2019 Aufsichtsratsvorsitzender der traditionsreichen Hamburger Privatbank Warburg.

Mit ihm traf sich Scholz mehrfach, ein enger Mitarbeiter von Olearius wurde vor einem Jahr wegen schweren Steuerbetrugs zu mehr als fünf Jahren Haft verurteilt. Wegen desselben Vorwurfs führt die Staatsanwaltschaft Köln ein Ermittlungsverfahren auch gegen Olearius.

Das Bundesfinanzministerium schritt 2017 ein – Scholz war damals noch nicht selbst Chef des Hauses, sondern Hamburger Bürgermeister – und zwang Hamburg, nicht ein zweites Mal die Steuerschuld des Hauses Warburg als verjährt gelten zu lassen. Damals ging es um 43 Millionen Euro, ein Jahr zuvor hatte die Hansestadt auf 47 Millionen Euro verzichtet. Sie wurden später allerdings für die Landeskasse gerettet.

Bei Cum-ex-Geschäften schieben Banken Aktien anderer Unternehmen rund um den Stichtag für die Auszahlung der Dividende an die Aktionär:innen untereinander derart, dass für die Finanzbehörden verschleiert wird, wer wann die Aktien besaß. So gelang es ihnen lange, zwar nur einmal Kapitalertragssteuer zu zahlen, aber mehrfach beim Fiskus deren Rückerstattung zu beantragen.

Das so zusammengeraffte Geld teilen sich die beteiligten Banken oder Fonds. Die Schäden durch Cum-ex-Geschäfte wurden durch ein internationales Recherchenetzwerks unter Führung des Investigativnetzes „Correctiv“ auf weltweit etwa 150 Milliarden Euro beziffert. Zuvor hatte man 55 Milliarden angenommen, die den Steuerbehörden in aller Welt entgangen seien.

Allein auf Deutschland entfallen 36 Milliarden, auf Frankreich in zwanzig Jahren etwa 33 Milliarden Euro. Nur Staaten mit strengerer Finanzaufsicht oder die früher reagierten, so die USA und Großbritannien, kamen glimpflicher davon.

214.000 Euro im Schließfach des Genossen Kahrs

Für Kanzler Scholz könnten seine Kontakte zur Warburg-Bank schon in den nächsten Tagen heikel werden. Ende dieser Woche muss er im Untersuchungsausschuss der Hamburger Bürgerschaft, des Landesparlaments, Rede und Antwort stehen. Unionsmann Hauer fordert ihn auf, dann „zu den gezielten Löschungen und den fehlenden Kalendereinträgen detailliert Stellung“ zu nehmen, zu denen jetzt auch „belastete Chat-Protokolle und Unregelmäßigkeiten in Scholz’ Kalendern kämen“.

Der Bundeskanzler, so Hauer, „sollte reinen Tisch machen und den berechtigten Fragen von Journalisten und Politik nicht weiter ausweichen“.

Das dürfte ihm durch die jüngsten Entwicklungen der Affäre nicht leichter werden. Vor wenigen Tagen wurden mehr als 200.000 Euro im Schließfach eines weiteren prominenten Hamburger Sozialdemokraten gefunden – was zwar kein Straftatbestand ist, nur: Gegen Johannes Kahrs, lange Haushälter der SPD-Bundestagsfraktion, laufen ebenfalls Ermittlungen im Zusammenhang mit dem Cum-ex-Skandal.

„Entweder Kahrs weist die Herkunft des Geldes nach oder er beruft sich auf sein Recht zu schweigen aufgrund der gegen ihn laufenden Cum-Ex-Ermittlungen“, schrieb dazu der frühere Finanzpolitiker der Linken, Fabio De Masi, auf Twitter. Falls er schweige, liege es aber nahe, dass das Geld mit Cum-Ex in Verbindung stehe und dann auch der Bundeskanzler ein Problem habe.

Der allerdings hat durch seinen Sprecher bisher dementieren lassen, dass er irgendetwas vom Geld in Kahrs’ Schließfach wusste. Kenner wie Hauer sind skeptisch, was Scholz’ immer wieder betontes Nichtwissen angeht. Er erinnert an eine andere Affäre, in der Scholz – damals bereits Finanzminister – in einem Bundestagsausschuss aussagen musste, die um Wirecard. Im Wirecard-Untersuchungsausschuss war Hauer Obmann der CDU/CSU-Fraktion. Auch dort sei Korrespondenz des späteren Kanzlers nicht in den Akten auffindbar, nicht "veraktet" gewesen. „Wieso soll er beim Cum-Ex-Skandal anders vorgegangen sein?“

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