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Gesundheitsminister Jens Spahn bittet um Verständnis für Anlaufschwierigkeiten beim Impfen

© Michael Kappeler/dpa

Impfstoffengpässe im ersten Quartal: Spahn bittet Bevölkerung um Geduld

Es werde „Zug um Zug“ mehr Impfstoff geliefert, verspricht der Gesundheitsminister. An der bisherigen Impfreihenfolge will er festhalten.

Angesichts wachsenden Unmuts in der Bevölkerung hat Gesundheitsminister Jens Spahn (CDU) um Verständnis für das Vorgehen von Bund und Ländern beim Impfen gebeten. „Der Impfstoff ist sehr knapp im ersten Quartal“, sagte er bei einem Townhall-Meeting am Samstag.

Ohne Zweifel sei der Impfstart schwierig gewesen, gab Spahn zu. Er könne die Ungeduld „sehr gut“ verstehen. Es sei viel Frust über nicht erreichbare Hotlines und die Frage der Lieferungen entstanden. Er bitte „um ein Stück Vertrauen“, sagte der Gesundheitsminister. Es kämen jede Woche Impfstoffe, und es würden „Zug um Zug“ auch mehr.

An der bisherigen Impfreihenfolge will Spahn auch nach der europäischen Zulassung des Astrazeneca-Impfstoffs festhalten. Erste Priorität haben demnach Bewohner von Pflegeheimen, über 80-Jährige, Pflegepersonal sowie medizinisches Personal, das einem besonders hohen Ansteckungsrisiko ausgesetzt ist oder mit vulnerablen Patientengruppen arbeitet. Für Deutschland hat die Ständige Impfkommission empfohlen, den Astrazeneca-Impfstoff nur an 18- bis 64-Jährige zu verabreichen.

Ältere sollen deshalb künftig weiter die Vakzine von Biontech/Pfizer und Moderna erhalten. Es gebe genügend 18- bis 64-Jährige etwa in der Pflege, die nun mit hoher Priorität mit dem Astrazeneca-Vakzin geimpft werden könnten, sagte Spahn. Da werde es „etwas mehr Geschwindigkeit“ geben.

Beim Impfgipfel soll über Produktionskapazitäten und Lieferprobleme gesprochen werden

Am Montag wollen Bund und Länder mit Impfstoffherstellern und Vertretern der EU-Kommission über Produktionsengpässe und Lieferprobleme beraten. Berlins Gesundheitssenatorin Dilek Kalayci (SPD) rief die Bundesregierung dazu auf, für mehr Planungssicherheit bei der Lieferung von Corona-Impfstoffen zu sorgen. „Die Unsicherheit ist für die Länder zu groß. Es kommt tröpfchenweise an, und es ändert sich viel zu viel“, sagte Kalayci. Am Samstagabend schrieb die SPD-Politikerin auf Twitter, der Lieferplan für den Astrazeneca-Impfstoff habe sie endlich erreicht. Erstmal gebe es nur zwei Lieferungen - 26.400 Dosen am 7. Februar und 40.800 Dosen am 17. Februar

Auch Brandenburgs Gesundheitsministerin Ursula Nonnemacher (Grüne) forderte "verlässliche Lieferzusagen". Für die Beschaffung der Impfstoffe seien der Bund und die EU zuständig. "Insbesondere von den Herstellerfirmen erwarte ich absolut zuverlässige und pünktliche Lieferungen“, sagte sie.

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Hamburgs Erster Bürgermeister Peter Tschentscher (SPD) schrieb am Samstagabend auf Twitter, dass nach Angaben des Bundeskanzleramts jetzt auch die zugesagten Lieferungen der Moderna-Impfstoffe reduziert würden. „Wie soll man da Impfungen planen?“, fragte er.

Bayerns Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sagte, es müsse überprüft werden, ob auch andere Impfstoffe zulässig seien. „Die europäischen Zulassungsbehörden sollten schnellstens auch den russischen und chinesischen Impfstoff prüfen“, sagte er der „Welt“. Wenn diese sicher und effizient seien, sollten auch sie genutzt werden.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach fordert die EU-Kommission auf, umgehend Verträge mit dem amerikanischen Impfstoffhersteller Novavax abzuschließen. „Es ist wichtig, dass es noch Bestellungen gibt", sagte er dem Tagesspiegel. Der Impfstoff zeige in Tests eine gute Wirksamkeit insbesondere auch gegen die B117-Variante aus Großbritannien.

Unterdessen wächst die Kritik an EU-Kommissionspräsidentin Ursula von der Leyen (CDU), nachdem Astrazeneca angekündigt hatte, bis Ende März statt 80 nur 31 Millionen Impfstoffdosen zu liefern. Leyen hatte den Unternehmen daraufhin vorgeworfen, gegen Vertragsvereinbarungen zu verstoßen. Das zieht die SPD nun in Zweifel.

"Unverständlich, warum sich die Kommission keine festen Anteile an Produktionskapazitäten hat zusichern lassen“

Der Vertrag mit Astrazeneca sei nicht „so glasklar und verbindlich“, wie Leyen es behaupte, sagte der Europaabgeordnete Tiemo Wölken dem Tagesspiegel. Deshalb gebe es einen "großen Interpretationsspielraum über die Verpflichtungen". Es sei „auffällig und unverständlich“, dass keine Sanktionen für verspätete Lieferungen vereinbart wurden. "Diese hätten für das Unternehmen disziplinierend gewirkt."

Auch Lauterbach bezeichnete es als „unverständlich, warum sich die Kommission keine festen Anteile an Produktionskapazitäten hat zusichern lassen“. Wenn diese im Vertrag stünden, hätten die EU-Länder auch im Fall von Produktionsausfällen zumindest eine bestimmte prozentuale Menge an Impfdosen erhalten. Den Vertrag mit Astrazeneca bewertete er als relativ "butterweich".

SPD-Fraktionsvize Achim Post warf Leyen „halbgare Verlautbarungen“ vor und forderte sie zu „Klarheit und Offenheit“ auf. "Gerade angesichts des neuen Corona-Virus brauchen wir eine überzeugende europäische Impfstrategie dringender denn je", sagte er dem Tagesspiegel.

Der EU-Parlamentarier Wölken sagte, in der jetzigen Situation sei es richtig, zügig eine einvernehmliche Lösung mit AstraZeneca zu finden. "Einen langwierigen Rechtsstreit, dessen Ausgang ungewiss ist, können wir uns nicht erlauben", sagte er. Priorität müsse es haben, den Impfstoff schneller zu produzieren und sicherzustellen, dass der Impfstoff auch an neue Mutationen des Virus angepasst werde.

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