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Reiner Haseloff hat die Wahl gewonnen. Doch die AfD bleibt stark.

© Bernd Von Jutrczenka/dpa

Haseloff deutlicher Sieger: Die CDU triumphiert in Sachsen Anhalt – aber Aufatmen geht nicht

In Sachsen-Anhalt hat die CDU mit einem starken Ergebnis die AfD abgeparkt. Im Bund aber ist die Ausgangssituation eine ganz andere. Ein Kommentar.

Die Deutschen sind doch ziemlich konservative Wesen, zumindest außerhalb der Metropolen. Vertrauen, Sicherheit, keine Experimente, sind für viele oberste Werte. Das Biedere hält das Land zusammen, und es hat sich auch bei der Zitter-Wahl in Sachsen-Anhalt durchgesetzt. Selbst wenn dieses Element das Land wie nichts anderes im Fortschritt bremst, muss man diesmal sagen: zum Glück.

Reiner Haseloffs wichtigster Erfolg ist es, mit einem überraschend starken Ergebnis die AfD rechtsaußen abgeparkt zu haben. Ob sein Kenia-Zweckbündnis mit einer Keller-SPD und den Grünen weitermacht, oder die FDP die Grünen in einer Deutschlandfarben-Koalition verdrängt, ist zweitrangig. Das werden die nächsten Wochen zeigen.

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Das hohe Ergebnis für eine völkisch-national ausgerichtete Partei, fast genau wie bei der letzten Wahl, ist dennoch ein Schock und verstärkt eine gefährliche Tendenz: den Flirt von unzufriedenen Teilen des Bürgertums mit rechtsextremen und autoritären Ideen. Wer in Sachsen-Anhalt seine Stimme der AfD gab, wusste, wen er wählte: die wohl rechteste Fraktion in einem deutschen Parlament.

Die Anhänger sind beileibe nicht nur an den Rand Gedrängte oder ewig Unzufriedene. Sondern gerade auch Gewinner und wirtschaftlich gut Abgesicherte. Dieses an die Grenzen des demokratischen Spektrums gerutschte Bürgertum hat in Deutschland eine üble Tradition, und sein dystopischer Blick auf Politik und Gesellschaft verfestigt sich besonders in den östlichen Ländern.

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Es ist eine Fundamentalopposition gegen grundlegende Prinzipien der Nachkriegsrepublik, eine massive Gefahr für die demokratische Kultur, gegen die es derzeit keine überzeugende Formel gibt.

Der Gegentrend zur erstarkten AfD ist das Absacken der Linken im Osten. Die einstige Sachwalter-Partei, die ihrer Klientel über Jahre zur Selbstverortung diente, leidet unter mächtigem Vertrauensschwund. Seit ihrer Hinwendung zu urbanen Identitäts- und Umweltfragen haben sich viele abgewandt, bei denen die Neuausrichtung vor allem eins auslöst: Angst vor steigenden Kosten, Angst vor einer ungewissen Zukunft.

Armin Laschet.
Armin Laschet.

© imago images/Political-Moments

Kann Unions-Kanzlerkandidat Armin Laschet jetzt aufatmen? Wer aus diesem Ergebnis schon den Wahlsieg im September zimmert, ist mehr als voreilig. Zum einen sind die wichtigsten Gegner im Bund nicht rechtsaußen, sondern grün.

[Mehr zum Thema: So ist Haseloff die Überraschung gelungen - Er selbst das Zugpferd, die Grünen als Schreckgespenst (T+)]

Zum anderen gehört der in Sachsen-Anhalt als extrem verlässlich empfundene Haseloff in eine Reihe außerordentlich beliebter Persönlichkeiten, die sich unabhängig von Bundestrends in Landtagswahlen durchsetzen, wie etwa die populäre Sozialdemokratin Dreyer in Rheinland-Pfalz oder der ultrapragmatische Grüne Kretschmann in Baden-Württemberg. Nicht auszudenken, wie die Wahl ausgegangen wäre, wenn die CDU einen schwächeren Kandidaten gehabt hätte.

[Mehr zur Wahl in Sachsen-Anhalt im Newsblog]

Wohl aber verstärkt sich ein Trend. Die Hinwendung zum gemäßigt Konservativen ist Spiegelbild der deutschen Seele, die während der Corona-Krise von der Union am intensivsten behütet wurde. Laschet, von vielen verspottet, teilt mit Haseloff zudem die Standhaftigkeit, das Geradestehen im Sturm.

Nach der Pandemie braucht es neue Energie

Die Union wird von vielen als Bollwerk gegen zu harte Klimaregeln, Autoverbote und allzu kostspielige Staatsmaßnahmen gesehen. Die Forderung nach höheren CO2-Abgaben, die Mieten und Spritpreise treiben könnten, sind Gift für einen grünen Sieg.

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CDU und CSU werden damit allerdings auch zum Hafen der Veränderungsverweigerer, weniger zu einer neuen Heimat für Gestaltungswillige.

Nach der Pandemie sind viele ausgelaugt und müssen für neue Kraftakte – seien sie noch so nötig – erstmal Energie schöpfen. Auf Dauer ist konservative Bedächtigkeit indes keine Siegesformel in einem Land mit einem immensen Innovationsstau.

Die Union scheint in ihre alte Abwarte-Wahltaktik zu verfallen, agiert erstaunlich passiv. Das ist gefährlich für die Partei: Wer im Herbst überzeugend siegen will, kann nicht auf die Macht der Erschöpfung setzen.

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