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Heinrich Bedford-Strohm bei der EKD-Synode 2021 in Bremen.

© Mohssen Assanimoghaddam/dpa

Eine Bilanz des scheidenden EKD-Ratsvorsitzenden: Heinrich Bedford-Strohm – Der öffentliche Theologe

Flüchtlinge, Ökumene, Missbrauchsskandal: Heinrich Bedford-Strohm hat als EKD-Ratsvorsitzender versucht, die Kirche zu öffnen. Hat das geklappt?

Seit 2014 ist er das Gesicht der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD) – Heinrich Bedford-Strohm, Ratsvorsitzender der EKD und Bischof der Evangelisch-Lutherischen Kirche in Bayern. Doch am Mittwoch endet die Amtszeit des früheren Professors für systematische Theologie. Dann wird die nach einem Corona-Impfdurchbruch nur im Internet tagende Synode eine Nachfolgerin oder einen Nachfolger für den 61-jährigen Theologen wählen.

Zuvor allerdings trat Bedford-Strohm am Sonntag noch an das Rednerpult im menschenleeren Tagungssaal des Bremer Congress-Centrums. Nur das Präsidium und wenige Ausschussvorsitzende waren im Raum, als seine Rede aufgezeichnet und ins weltweite Datennetz übertragen wurde.

Digital war der Bischof schon 2014 unterwegs

Für Bedford-Strohm ist das freilich nie etwas Besonderes gewesen. Denn als einer der ersten Bischöfe war Bedford-Strohm schon bei seiner Wahl 2014 als „@landesbischof“ regelmäßig in den sozialen Medien präsent. Kurze, selbstproduzierte Glaubensimpulse im Netz gehören dabei ebenso zu seinem Repertoire wie pointierte politische Äußerungen. „Frommsein und Politischsein hängt eng zusammen“, sagt Bedford-Strohm, der den Begriff der „öffentlichen Theologie“ maßgeblich prägte. „Es geht darum, im Blick auf die Welt den gekreuzigten Gott zu sehen – und beim Blick darauf zugleich den Horizont der Auferstehung Jesu Christi.“

Vor allem zwei politische Themen sind es, die man im Rückblick wohl mit Bedford-Strohm verbinden wird: Das Reformationsjubiläum und das Engagement für Flüchtlinge. Schon 2016 hatte der Ratsvorsitzende deutsche Soldaten auf dem Tender „Werra“ besucht, die von Sardinien aus Bootsflüchtlinge aus dem Mittelmeer retteten. Und 2019 sprang er dann auf eine Initiative des Dortmunder Kirchentags auf, ein eigenes Rettungsschiff ins Mittelmeer zu schicken.

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Kein anderes Thema wird seitdem so stark mit Bedford-Strohm verbunden, wie das Rettungsschiff von „Sea-Watch“, für kein anderes Thema erhält er so viel Zustimmung und so viel Kritik, auch wenn die EKD nur einer von vielen Partnern ist, die hinter der Initiative stehen. Doch das ist durchaus zukunftsweisend. Denn will eine immer kleiner werdende Kirche gesellschaftlichen Einfluss behalten, wird sie sich auch in anderen Feldern mit anderen Interessengruppen verbünden müssen.

Ein Rettungsboot bringt gerettete Menschen zur Sea-Watch 3.
Ein Rettungsboot bringt gerettete Menschen zur Sea-Watch 3.

© dpa/Sandra Singh/Sea-Watch

Für Bedford-Strohm kam die Initiative für das Rettungsschiff freilich auch aus einem anderen Grund genau zum rechten Zeitpunkt. Seine Zeit als Ratsvorsitzender lässt sich nämlich, grob gesprochen, in zwei Teile teilen: Die Jahre bis zum Reformationsjubiläum 2017 – und die Zeit danach.

Spätestens, als die Festwiese in Wittenberg, auf der die EKD das 500. Jubiläum von Martin Luthers Thesenanschlag feiern wollte, von weit weniger Menschen besucht wurde, als zuvor geplant, breitete sich Ernüchterung in der Kirche aus. Manche sprachen gar von einer Lähmung, die in der Kirche um sich greife. Immerhin, der gute persönliche Kontakt von Bedford-Strohm mit dem damaligen Vorsitzenden der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Reinhard Kardinal Marx, führte dazu, dass das Jubiläum so ökumenisch begangen wurde, wie man es sich zuvor wohl nicht einmal in den kühnsten Träumen vorstellen konnte. Dass es heute für konfessionsverschiedene Paare eine Möglichkeit gibt, gemeinsam an Abendmahl und Eucharistie teilzunehmen, ist ein direktes Ergebnis davon.

Die Kirche hat immer weniger Mitglieder - und immer ältere

Künftig freilich werden die Fragen, wer mit wem zum Abendmahl gehen kann, nur noch einen kleinen Kreis von Engagierten interessieren. Denn die Zukunft auch der evangelischen Kirche im Land ist düster.

Schon die Demografie sorgt dafür, dass ihr die Mitglieder in Scharen wegsterben. Dann kam auch noch die Coronakrise. Während Bedford-Strohm gern auf die vielfältigen Online-Angebote der Kirche verweist, kritisieren andere, dass die Kirchen gerade in der Krise nicht hinreichend präsent gewesen seien.

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Über allem jedoch stand der Skandal um den sexuellen Missbrauch in Gemeinden und Sozialeinrichtungen, der nicht nur die katholische, sondern auch die evangelische Kirche betrifft. In seinem letzten Bericht vor der EKD-Synode bedauerte der Ratsvorsitzende dann auch, dass die Kirche mit der Aufarbeitung nicht dort stehe, wo man gerne gestanden hätte.

Das Thema Aufarbeitung voranzubringen und zur Chefsache zu machen, wird deswegen auch eine der wesentlichen Aufgaben der nächsten oder des nächsten Ratsvorsitzenden werden. Im Gespräch für dieses Amt sind derzeit die Hamburger Bischöfin Kirsten Fehrs und die westfälische Präses Annette Kurschus. Zumindest Außenseiterchancen hat auch der Berliner Landesbischof Christian Stäblein. Heinrich Bedford-Strohm indes will sich in den verbleibenden Jahren bis zu seiner Pensionierung noch einmal verstärkt seiner bayerischen Landeskirche widmen.

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