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Darya Dugina wurde in Moskau bei einem Anschlag getötet.

© Tsargrad.tv/Handout via REUTERS

Update

Putin-Propagandistin in Moskau getötet: Kreml macht Ukraine für Mord an Dugina verantwortlich

Darja Dugina galt als glühende Verfechterin des Krieges in der Ukraine. Russland sieht ukrainische Geheimdienste hinter dem Anschlag.

Russlands Präsident Wladimir Putin hat nach dem Mord an der russischen Kriegsbefürworterin Darja Dugina der Familie der 29-Jährigen sein Beileid ausgesprochen. In einem Telegramm an den rechten Nationalisten Alexander Dugin schrieb Putin am Montag: „Ein hässliches, brutales Verbrechen hat das Leben von Darja Dugina zerstört, eines glänzenden, talentierten Menschen mit einem echten russischen Herz, gut, liebevoll, hilfsbereit und offen.“

Er schrieb weiter:„Journalistin, Gelehrte, Philosophin, Kriegskorrespondentin, sie hat den Menschen, dem Vaterland ehrlich gedient und durch Taten gezeigt, was es bedeutet, eine Patriotin Russlands zu sein.“ Moskaus Inlandsgeheimdienst FSB gab der Ukraine die Schuld an dem Auftragsmord.

„Das Verbrechen wurde von ukrainischen Geheimdiensten vorbereitet und begangen“, teilte der FSB am Montag laut der Agentur Interfax mit. Kiew hatte allerdings zuvor schon zurückgewiesen, etwas mit Duginas Ermordung am Samstagabend zu tun zu haben.

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Als Täterin nannte der FSB eine 1979 geborene Ukrainerin, die Ende Juli gemeinsam mit ihrer Tochter nach Russland eingereist sei. Nach der Tat seien beide ins benachbarte EU- und Nato-Land Estland ausgereist. Dabei soll es sich um eine Frau Namens Natalya Vovk handeln.

Sie soll sich im Gebäude eingemietet haben, wo Dugina wohnte, sie verfolgt und schließlich eine Bombe an ihrem Auto platziert haben. Vovk soll Dugina in einem Mini Cooper gefolgt sein, der abwechselnd mit Nummernschildern aus Kasachstan, der Ukraine und der von Russland anerkannten Volksrepublik Donezk bestückt gewesen sein soll.

Glühende Verfechterin der russischen Invasion in der Ukraine

Experten sehen mehrere Ungereimtheiten bei den russischen Behauptungen, zum Beispiel die ungewöhnlich schnelle Aufklärung des FSB und die Tatsache, dass sich die vermeintliche Attentäterin so schnell ins Ausland abgesetzt haben soll.

Dugina war nach Angaben der russischen Behörden am Samstagabend ums Leben gekommen, als nahe Moskau ein Sprengsatz an ihrem Auto explodierte.

Die 29-Jährige galt als glühende Verfechterin des russischen Angriffskrieges gegen die Ukraine. Sie stand nach Berichten Moskauer Medien auf der Sanktionsliste Großbritanniens wegen der Verbreitung von Propaganda und Falschnachrichten über die von Kremlchef Wladimir Putin am 24. Februar befohlene Invasion.

Am Montag hatte sich auch eine bislang unbekannte Partisanenbewegung zu dem Anschlag bekannt. „Dieser Anschlag schlägt eine neue Seite des russischen Widerstands gegen den Putinismus auf. Eine neue - aber nicht die letzte“, sagte der in der Ukraine lebende Russe Ilja Ponomarjow in einem am Sonntagabend veröffentlichten Youtube-Video. Die Bewegung heiße „Nationale Republikanische Armee“, wie der ehemalige Abgeordnete des russischen Parlaments weiter erklärte.

Dieses Bild der russischen Ermittler soll den Ort der Explosion zeigen.
Dieses Bild der russischen Ermittler soll den Ort der Explosion zeigen.

© Investigative Committee of Russia/REUTERS

Ob es eine solche „Nationale Republikanische Armee“ tatsächlich gibt, war zunächst nicht überprüfbar. Einige Kommentatoren in sozialen Netzwerken bezweifelten, dass eine improvisierte Oppositionsbewegung hinter einem solch ausgeklügelten und aufwendig geplanten Attentat stecken könnte und sehen eher die Handschrift russischer Sicherheitsbehörden.

Laut Ponomarjow sollen die russischen Partisanen in den vergangenen Monaten bereits mehrere Aktionen verübt haben, etwa kleinere Brandanschläge auf Verwaltungsgebäude.

Der 47-Jährige deutete weitere Anschläge in den kommenden Monaten an - etwa gegen Regierungsbeamte und Mitglieder des Sicherheitsapparats, die „Handlanger“ von Kremlchef Putin seien.

Alexander Dugin soll das eigentliche Ziel gewesen sein

In den sozialen Netzwerken machten Videos von dem brennenden Autowrack die Runde - und von einem erschütterten Dugin, der am Samstag zum Tatort eilte und, wie auf Fotos zu sehen ist, die Hände über den Kopf zusammenschlug. Offen ist, ob der Mordanschlag dem Vater Duginas gegolten haben könnte.

Wie russische Medien unter Berufung auf Familienmitglieder berichteten, war er aber wohl das eigentliche Ziel. Demnach hatte er ihr das Auto, einen Toyota Land Crusier, für die Fahrt ausgeliehen.

Einem Bericht der russischen Nachrichtenagentur Interfax zufolge hatten Dugin und seine Tochter am Samstag gemeinsam das patriotische Festival „Tradition“ besucht, das von einer Stiftung des Präsidenten unterstützt wird. „Es war geplant, dass Vater und Tochter das Festival gemeinsam verlassen, Darja fuhr aber allein in dem Fahrzeug“, so Interfax.

Auch die Regierungszeitung „Rossijskaja Gaseta“ berichtete, Vater und Tochter hätten ein Festival besucht und Dugin habe erst im letzten Moment entschieden, in ein anderes Auto zu steigen.

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Der Vater der Getöteten, der auch mit Rechtsextremen in Europa gut vernetzt ist, wird von Medien und Autoren immer wieder als Einflüsterer oder als „Gehirn“ des russischen Präsidenten Putin bezeichnet.

Dugin vertritt seit langem eine Ideologie, die die Vereinigung russischsprachiger Gebiete in einem neuen russischen Großreich anstrebt. Aus dieser Überzeugung heraus unterstützt er auch den russischen Militäreinsatz in der Ukraine. Schon seit der Annexion der ukrainischen Schwarzmeer-Halbinsel Krim 2014 steht Dugin auf der Sanktionsliste der EU. In der Ukraine sind mehrere seiner Bücher verboten.

Dugin auf der Sanktionsliste der USA

Die USA, die Dugin ebenfalls auf ihrer Sanktionsliste haben, sehen den Ideologen als Ideenstifter des am 24. Februar von Putin befohlenen Einmarschs in die Ukraine. Der 60-Jährige hat, wie Journalisten in Kiew am Sonntag nach der Explosion berichteten, offen zur Tötung von Ukrainern aufgerufen. Und auch von seiner Tochter Darja ist dieser Satz überliefert: „Ukrainer sind Unmenschen!“

Dugin, der viele Bücher geschrieben hat, gilt als antiwestlicher Hassprediger und Kämpfer für die Idee einer slawischen Supermacht.

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Unter russischen Nationalisten und prorussischen Kräften in der Ukraine löste der Anschlag Entsetzen aus. Und obwohl die Ermittlungen wegen des mutmaßlichen Mordanschlags laufen und nichts bewiesen ist, beeilte sich die russische Staatspropaganda „ukrainischen Terroristen“ das Attentat anzulasten.

„Die Terroristen des ukrainischen Regimes haben versucht, Alexander Dugin zu liquidieren und haben seine Tochter in die Luft gesprengt... im Auto“, schrieb der Anführer der Separatistenhochburg Donezk, Denis Puschilin, im Nachrichtenkanal Telegram. Darja bleibe in Erinnerung – als „echtes russisches Mädchen“. Einzelne Kommentatoren in der Ukraine bezweifelten, dass Kräfte des von Russland angegriffenen Landes derzeit in der Lage sind, ein solches Attentat auszuführen.

RT-Chefredakteurin ruft nach Rache

Duginas Kollegin Margarita Simonjan, die Chefredakteurin des staatlichen russischen Fernsehsenders RT, verurteilte den Anschlag auf die „junge, kluge, schöne und unglaublich talentierte Frau“. Und weiter: „Darja hätte einer jener Menschen werden können, die für Russland eine neue Volksideologie bilden.“ Simonjan rief auch nach Rache. „Die Entscheidungszentren!“, schrieb sie gleich dreimal hintereinander im Nachrichtenkanal. Sie erinnerte damit an mehrfache Drohungen Moskaus, die Kommandozentralen in Kiew ins Visier zu nehmen.

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Immer wieder hat Russland nach dem Beschuss auf seine Grenzregionen Kursk, Belgorod und Brjansk - angeblich von ukrainischer Seite aus - mit Gegenschlägen gedroht.

Aber nach fast sechs Monaten Krieg gibt es viele Fragen an die Militärführung Moskaus. Vor allem auch nach den jüngsten Explosionen auf der von Russland 2014 annektierten Schwarzmeer-Halbinsel Krim wundern sich politische Kommentatoren zunehmend, dass der Kreml nicht schärfer reagiert.

Die Explosion einer Autobombe nahe Moskau bringt Russlands Krieg für die Hauptstädter, die das Blutvergießen im Nachbarland weitgehend ausblenden, nun wieder ganz nah. Schon im April soll der wegen seiner Kriegshetze mit Sanktionen belegte Fernsehpropagandist Wladimir Solowjow knapp einem Anschlag entgangen sein.

Kremlchef Putin persönlich äußerte sich dazu. „Uns sind die Kuratoren der westlichen Geheimdienste namentlich bekannt, eine CIA-Gruppe in erster Linie, die mit den Sicherheitsorganen der Ukraine zusammenarbeitet und augenscheinlich solche Ratschläge gibt“, sagte der Präsident.

Klar ist, dass die Explosion nichts ändert an der Lage in Russland. Aber Beobachter meinten am Sonntag, dass die Schockwelle der Autobombe zumindest die bequeme Welt der Propagandisten, die sich bisher in Sicherheit wähnten, erschüttert. Dass eine in der Öffentlichkeit stehende Befürworterin des Kriegs gegen die Ukraine nun auf russischen Gebiet in der Nähe von Moskau demonstrativ getötet wird, gilt als beispiellos.

Fast täglich Festnahmen in Russland

Russlands Inlandsgeheimdienst FSB berichtet fast täglich von Festnahmen mutmaßlicher Terroristen, die im ukrainischen Auftrag Anschläge geplant haben sollen. Immer wieder veröffentlichten die Agenten dazu auch nicht überprüfbare Fotos und Videos von selbst gebauten Sprengsätzen und Geständnissen der Verdächtigen.

Aus der Ukraine gab es zwar auch Drohungen, dass Partisanen Russland auf Jahre Probleme machen könnten mit Anschlägen. Hunderttausende Ukrainer aus dem Kriegsgebiet leben - oft ohne Alternative - inzwischen in Russland. Der Verdacht, dass über die Fluchtwege auch „Saboteure“, wie Moskau sie nennt, einreisen, ist allgegenwärtig.

Erst in der vergangenen Woche nahm der FSB einer Mitteilung zufolge nach der massiven Explosion auf der Krim mehrere „Saboteure“ fest. Doch bestätigt sind die Angriffe von ukrainischer Seite nicht.

In Kiew betonte Präsidentenberater Mychajlo Podoljak derweil, dass die Ukraine mit dem Anschlag nichts zu tun habe. Im Fernsehen meinte er, dass Russland dieser Vorfall auch gelegen kommen könne, um eine Mobilmachung für den Krieg zu rechtfertigen. Außerdem kämpften in Russland inzwischen viele Gruppierungen untereinander um die ideologischen Positionen auf dem innenpolitischem Feld.

Der Experte Ruslan Trad verbreitete bei Twitter die These, dass es sich bei dem Anschlag auch um einen Racheakt des FSB handeln könnte. „Besonders da Dugin, wie Gerüchte flüstern, Putin erzählt, dass der FSB die Schuld trägt an den schlechten Ergebnissen in der Ukraine.“ (dpa, AFP)

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