zum Hauptinhalt
Polizeiautos brennen am Freitag am Rande einer rechtsextremen Kundgebung in Örebro.

© Kicki Nilsson/Imago/TT

Update

Gewalt bei Demos gegen Rechte: Polizei in Schweden sieht nach Krawallen Verbindungen zu Bandenkriminalität

Die Rechtspartei Stram Kurs zieht durch Schwedens Städte, will je einen Koran verbrennen. Gegendemos eskalieren – die Polizei vermutet auch andere Hintergründe.

Von Osterruhe in Schweden keine Spur: Brennende Polizeiautos, verletzte Zivilisten und Beamte – in mehreren Städten des skandinavischen Landes ist es am Sonntag den dritten Tag in Folge zu Krawallen und Ausschreitungen gekommen. Insgesamt wurden bisher 44 Verdächtige festgenommen.

In der Stadt Norrköpping im Süden des Landes feuerte die Polizei nach eigenen Angaben aus Notwehr Warnschüsse ab. Dabei wurden drei Demonstranten verletzt. Es gab demnach 14 weitere verletzte Zivilisten. Nach Angaben der Polizei kamen insgesamt 26 Beamte zu Schaden, 20 Dienstfahrzeuge wurden beschädigt oder zerstört.

[Wenn Sie alle aktuellen Nachrichten live auf Ihr Handy haben wollen, empfehlen wir Ihnen unsere runderneuerte App, die Sie hier für Apple- und Android-Geräte herunterladen können.]

Auslöser der gewaltsamen Proteste waren Versammlungen der ultrarechten Partei Stram Kurs (Strammer Kurs). Deren Parteichef, der Rechtsanwalt Rasmus Paludan, zieht derzeit durch verschiedene schwedische Städte und hält dort Versammlungen ab, bei denen immer jeweils ein Koran verbrannt werden soll. Bei von der Polizei genehmigten Auftritten in Jonköping und der Hauptstadt Stockholm war dies auch geschehen, was heftige Proteste auslöste. Einige weitere geplante Koran-Verbrennungen fanden letztlich doch nicht statt oder wurden verlegt.

Bereitschaftspolizisten in Malmö (Schweden) beobachten einen brennenden Stadtbus.
Bereitschaftspolizisten in Malmö (Schweden) beobachten einen brennenden Stadtbus.

© Johan Nilsson/TT NEWS AGENCY/AP/dpa

Der 40-Jährige Paludan hat die dänische und die schwedische Staatsbürgerschaft und plant mit einem schwedischen Ableger seiner Partei bei den Parlamentswahlen am 11. September anzutreten. In Dänemark fordert Stram Kurs ein Verbot des Islam und die Ausweisung von Menschen, die keine ethnischen Dänen sind.

Auf einer Pressekonferenz am Montagmorgen in Stockholm teilten die Sicherheitsbehörden ihre Einschätzung der Lage mit. Reichspolizeichef Anders Thornberg verurteilte die Ausschreitungen und sagte: „Wir vermuten, dass die Beteiligten Verbindungen zu kriminellen Netzwerken haben“, zitiert ihn der schwedische Sender SVT.

Polizei verdächtigt kriminelle Banden als Trittbrettfahrer

Es bestehe der dringende Verdacht, dass kriminelle Banden, die auch mit schwerer Waffengewalt in Verbindung gebracht werden, hinter den Krawallen und der Gewalt gegen die Polizei an diesem Wochenende stehen. „Hier geht es nicht darum, dass Menschen demonstrieren, weil sie ihrer Meinung Gehör verschaffen wollen“, sagte er.

„Das hat nichts mit Protesten zu tun, sondern ist ein unhaltbarer Angriff auf unseren Rechtsstaat und unsere Demokratie.“ Die Polizei sage schon seit langem, dass die Kriminalitätslage im Lande äußerst ernst sei. „Was wir in den vergangenen Tagen gesehen haben, sind ernste Symptome eines größeren Problems in Schweden.“

Der schwedische Reichspolizeichef: Anders Thornberg – hier im März 2020.
Der schwedische Reichspolizeichef: Anders Thornberg – hier im März 2020.

© Imago Images/Bildbyran

Jonas Hysing, Kommandochef der Polizei, sagte: „Sehr viel deutet darauf hin, dass die Polizei die Zielscheibe war“, zitiert in die Zeitung „Dagens Nyheter“. Dies sei ein neues Phänomen. Weiter sagte er: „Wir wissen, dass es Informationen über die Aufstachelung zur Gewalt gegen die Polizei in den sozialen Medien gibt, die im Ausland inszeniert werden.“

„Die Beweislage ist gut, auch durch die Körperkameras“

Nach Ansicht Thornbergs handelt es sich um sehr schwere Fälle von Kriminalität. Unter anderem würden gewalttätige Ausschreitungen, Sabotage, Brandstiftung und Mordversuche untersucht, die sich gegen Polizeibeamte richten. An den gleichzeitigen Angriffen auf die Polizei sollen je bis zu 200 Personen beteiligt gewesen sein. „Die Beweislage ist gut, auch durch die Körperkameras der Polizisten“, sagte Hysing.

Zu Krawallen war es auch in Linköping gekommen, dort gab es insgesamt mehr als 25 Festnahmen. Auch dort gab die Polizei an, selbst angegriffen worden zu sein. Zehn Menschen wurden mit leichten Verletzungen ins Krankenhaus eingeliefert, wie die Nachrichtenagentur TT unter Berufung auf die Gesundheitsbehörden berichtete.

Chef der Partei Strammer Kurs: Rasmus Paludan – hier im September 2021.
Chef der Partei Strammer Kurs: Rasmus Paludan – hier im September 2021.

© Nils Petter Nilsson/TT/dpa

In Malmö stand in der Nacht zum Ostersonntag ein Bus in Flammen, nachdem Unbekannte ein brennendes Objekt auf das Fahrzeug geworfen hatten. Die Fahrgäste konnten den Bus noch rechtzeitig verlassen. Auch weitere Fahrzeuge und mehrere Mülltonnen brannten in der südschwedischen Stadt.

Die Proteste in Malmö entstanden, nachdem die ursprünglich in der Stadt Landskrona geplante Veranstaltung wegen Krawallen nach Malmö verlegt worden war. In Landskrona hatten laut Polizei zunächst etwa 100 meist junge Leute mit Steinen geworfen und Autos, Mülltonnen und Reifen entzündet.

Malaysia protestiert gegen Koran-Verbrennungen

Nach der Verlegung nach Malmö eskalierten auch dort die Proteste. Parteichef Paludan sei dabei mit einem Stein beworfen und getroffen worden, hieß es. Malmös Polizeichefin Petra Stenkula sagte, es sei traurig, dass Meinungsfreiheit zum „Freifahrtschein“ für solche Krawalle geworden sei. Glücklicherweise habe es in der Nacht nur einige Leichtverletzte gegeben. Ein 16-Jähriger sei festgenommen worden.

In der Stadt Örebro waren bereits am Karfreitag mehrere Polizeiautos angezündet worden. Etwa ein Dutzend Polizisten erlitten Verletzungen. Auch in der Hauptstadt Stockholm kam es zu Ausschreitungen mit Steinwürfen.

Paludans Koran-Verbrennung sorgte auch für eine offizielle Reaktion Malaysias. Der Außenminister des mehrheitlich muslimischen Inselstaats erklärte, die Aktion gehe über „die moralischen Grenzen und Normen des Rechts auf freie Meinungsäußerung hinaus“. Sie schüre Hass, „der von allen zurückgewiesen werden muss, die Frieden suchen und ein friedliches Zusammenleben fördern“, hieß es weiter. Das Außenministerium des Irak warnte: „Diese Angelegenheit hat schwerwiegende Auswirkungen auf die Beziehungen zwischen Schweden und Muslimen.“ Das gelte für arabische Staaten und europäische Länder mit muslimischen Gesellschaften gleichermaßen. Der Irak forderte die Regierung in Stockholm dazu auf, Handlungen zu unterlassen, die die Gesellschaft spalten oder religiöse Gefühle verletzen könnten. (mit dpa, AFP)

Zur Startseite

showPaywall:
false
isSubscriber:
false
isPaid:
showPaywallPiano:
false