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Das von der Nationalgarde gesicherte Kapitol in Washington

© Reuters/Joshua Roberts

Auftakt im Impeachment-Verfahren: Donald Trumps Verteidigung schwächelt

Am ersten Impeachment-Tag verwirren Trumps Anwälte. Die Anklage weckt derweil Emotionen. Eine Verurteilung bleibt dennoch unwahrscheinlich.

Wenn die US-Senatoren im zweiten Impeachment-Verfahren gegen Donald Trump wirklich eine unabhängige Jury darstellten, so müsste der Ex-Präsident sich nach diesem Auftakt ernste Sorgen machen. Die Präsentation vor allem des ersten seiner am Dienstagnachmittag (Ortszeit) vortragenden Anwälte war so katastrophal, dass er daheim in Florida vor Wut gebrüllt haben soll. So zumindest berichtet es CNN.

Wer den ersten Prozesstag im hermetisch abgesicherten Senat verfolgt hat, glaubt dieses Detail der Berichterstattung sofort. Bruce Castor, der das neue Verteidigungsteam, das nach dem Ausscheiden von fünf Anwälten kurzfristig neu aufgestellt werden musste, zusammen mit David Schoen leitet, legte einen derart desaströsen Auftritt hin, dass sich so mancher Social-Media-Nutzer eine vorübergehende Twitter-Rückkehr Trumps wünschte - nur um mitzukriegen, wie der diesen noch während des Vortrags feuert.

So brauchte Castor bei seinem Vortrag nicht nur extrem lange, um überhaupt auf den Punkt zu kommen. Sondern er erklärte auch, dass die Amerikaner Joe Biden zum Präsidenten gewählt hätten. Das passiere, wenn das Volk genug von einem Präsidenten habe. Trump allerdings hat seine Wahlniederlage bis heute nicht eingestanden.

Strategie der Republikaner: Möglichst wenig über den 6. Januar sprechen

Trumps Star-Verteidiger beim letzten Impeachment-Prozess, Alan Dershowitz, kommentierte im Sender Newsmax, er habe keine Ahnung, was Castor da treibe. Trump hätte Dershowitz auch dieses Mal gerne zum Leiter seines Teams gemacht, der hatte aber abgelehnt, da er die von dem Ex-Präsidenten gewünschte Strategie für falsch hält.

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Die Strategie sieht folgendermaßen aus: Die Verteidigung versucht, so wenig wie möglich auf die Argumente der Anklage hinsichtlich Trumps Verantwortung für den Sturm auf das Kapitol am 6. Januar einzugehen. Stattdessen sollten die Anwälte zunächst darauf beharren, dass der Kongress einen ehemaligen Präsidenten gar nicht mehr des Amtes entheben könne, der Prozess also verfassungswidrig sei. Das tat David Schoen am Dienstag, als er nach Castor sprach.

Bei der anschließenden Abstimmung stimmten allerdings 56 Senatoren, darunter sechs Republikaner, dafür, dass der Prozess fortgesetzt wird. Damit können Anklagevertreter und Verteidiger ab Mittwoch ihre Argumente in der Sache vortragen.

Schuldig oder nicht? Die Amerikaner schauen gebannt auf das Impeachment-Verfahren im Kongress.
Schuldig oder nicht? Die Amerikaner schauen gebannt auf das Impeachment-Verfahren im Kongress.

© Erin Scott/REUTERS

Trump will seine Behauptung vom Wahlbetrug thematisieren lassen

Im nächsten Schritt will Trump, dass der von ihm ohne jeden Beweis vorgebrachte Vorwurf des massiven Wahlbetrugs thematisiert wird. Diese Strategie klingt aber für viele abenteuerlich, weil sie die These der Demokraten letztlich belegen könnte, dass Trump seine Wahlniederlage mit allen Mitteln ungeschehen machen wollte.

Konkret werfen die Demokraten dem Republikaner vor, dass er seine Anhänger bei einer Rede unmittelbar vor dem Sturm aufgeputscht und aufgefordert habe, zum Kapitol zu marschieren, wo der Kongress den Wahlsieg von Joe Biden bestätigen sollte. Das sei „Anstiftung zum Aufruhr“ gewesen, weswegen das Repräsentantenhaus nur eine Woche später Anklage erhoben hat. Bei den Krawallen kamen fünf Menschen ums Leben, darunter ein Polizist.

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Die Strategie der Demokraten ist es, in dem wohl keine zwei Wochen dauernden Verfahren noch einmal die ganze Brutalität des 6. Januars aufzuzeigen. Dazu führten sie am Dienstag die erste von mehreren dramatischen Videosequenzen vor, die veranschaulichen sollen, wie gefährlich die Ausschreitungen waren und welche Verantwortung Trump dafür trägt.

13 Minuten Schweigen im Senat

13 Minuten lang schauten die Senatoren schweigend zu, wie ein Mitglied der Kapitol-Polizei vor Schmerzen schrie, wie andere Polizisten beschimpft und attackiert wurden und wie nach „Verrätern“ wie Vizepräsident Mike Pence gesucht wurde, der Trumps Drängen widerstanden hatte, ihm doch noch irgendwie den Wahlsieg zuzuschlagen. Die Senatoren hörten auch, wie Trump seine Anhänger bei der vorangegangenen Rallye aufgestachelt hatte.

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Über solche Videos und Berichte sollen auch in den kommenden Tagen Emotionen erzeugt oder wiedererweckt werden, die vielleicht den einen oder anderen Republikaner doch noch umstimmen - für eine Verurteilung, für die eine Zweidrittelmehrheit im Senat erforderlich ist, müssen die Demokraten mindestens 17 Republikaner überzeugen. Nur mit einem Schuldspruch könnte auch verhindert werden, dass Trump bei der nächsten Präsidentschaftswahl 2024 noch einmal antreten kann.

Wahrscheinlich ist das derzeit nicht, da die republikanischen Wähler weiter an Trump festhalten und es als Verrat empfinden würden, wenn seine Partei in Washington ihn im Stich ließe. Ganz ausgeschlossen ist es aber eben auch nicht. Viele Politiker und Kongressmitarbeiter sind noch immer geschockt über den gewalttätigen Mob, vor dem sie sich in Sicherheit bringen mussten. Einige nehmen psychologische Hilfe in Anspruch.

Emotionaler Auftritt des Demokraten Raskin

Besonders emotional war am Dienstag der Vortrag des obersten Anklagevertreters der Demokraten, Jamie Raskin. Der Abgeordnete betonte, dass Demokratie etwas Persönliches sei, und dass auch der Angriff auf sie für ihn persönlich gewesen sei.

Raskin hatte am 6. Januar seine 24-jährige Tochter und seinen Schwiegersohn mitgebracht, damit sie diesem „historischen Anlass - der friedlichen Machtübergabe in Amerika“ - beiwohnen konnten. Am Tag zuvor hatte Raskin seinen Sohn begraben müssen.

Während der Unruhen sei er von seiner Tochter und ihrem Mann getrennt worden. Später habe er sich dann entschuldigt, sie ins Kapitol und damit in Gefahr gebracht zu haben. So etwas werde nicht mehr passieren, habe er versprochen, erzählte Raskin. Mit den Tränen kämpfend fügte er hinzu, seine Tochter habe ihm geantwortet: „Papa, ich möchte nicht mehr ins Kapitol zurückkehren.“

Jamie Raskin, Leiter des Amtsenthebungsverfahrens im US-Repräsentantenhaus, spricht im US-Senat.
Jamie Raskin, Leiter des Amtsenthebungsverfahrens im US-Repräsentantenhaus, spricht im US-Senat.

© dpa/AP/Uncredited/Senate Television

Eingehend auf das Argument der Verteidigung, dass der Prozess verfassungswidrig sei und die Demokraten das Verfahren nur eingeleitet hätten, um Trump für immer „von der politischen Bühne zu entfernen“, erklärte Raskin, ein Präsident müsse sich bis zum letzten Tag im Amt für seine Taten verantworten. Alles andere sei brandgefährlich.

Wären alle Senatoren so offen, sich von solchen Argumenten und Momenten berühren zu lassen, bestünde die Aussicht, dass Trump doch noch verurteilt werden könnte. Aber danach sieht es derzeit nicht aus, egal, wie schlecht die Verteidigung sich aufführt. Am Mittwoch geht der Prozess weiter.

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