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Rüstet der Iran atomar auf oder nutzt er Kernenergie nur zu friedlichen Zwecken?

© imago images/Stuart Miles

Atomgespräche in Wien: Was für einen Deal mit dem Iran spricht – und was dagegen

Die Gespräche mit Teheran über das Atomabkommen gestalten sich schwierig. Wer verfolgt welche Ziele – und sind sie durchsetzbar? Eine Analyse.

Die Zeit wird knapp. Das sagt zumindest Irans Außenminister Dschawad Sarif und dringt auf eine rasche Lösung bei den Wiener Gesprächen zur Wiederbelebung des Atomabkommens.

Sarif befürwortet die Vereinbarung mit dem Westen, aber er braucht rasche Erfolge. Denn die Hardliner in Teheran fordern den Abbruch der Verhandlungen. Und bald wird ein neuer Präsident gewählt. Innenpolitische Differenzen auf der iranischen Seite sind nur eines der Probleme bei den Gesprächen, die nach ersten Beratungen nun auf Expertenebene fortgesetzt werden sollen. In der österreichischen Hauptstadt prallen viele unterschiedliche, ja, oft gegenläufige Interessen aufeinander.

Für die Regierenden in Teheran geht es in Wien vor allem darum, dass die USA drei Jahre nach ihrem Ausstieg aus dem Atomabkommen die Sanktionen abschaffen. Die Strafmaßnahmen strangulieren die Wirtschaft des Landes, die Unzufriedenheit der Bevölkerung wächst. Im Gegenzug für einen Sanktionsabbau will der Iran die Regeln des Abkommens wieder einhalten, das den Bau einer Atombombe verhindern soll.

Doch die Islamische Republik sendet widersprüchliche Signale. Nachdem Israel am vorigen Wochenende die Nuklearanlage in Natans mit einer ferngezündeten Bombe angriff, steigerte Teheran die Urananreicherung auf 60 Prozent. Vorher lag das Niveau bei 20 Prozent, der Atomvertrag erlaubt weniger als vier Prozent. Kritiker des Iran befürchten, dass das Land bald die 90 Prozent Anreicherung für waffenfähiges Uran erreicht haben wird.

In der Urananreicherungsanlage Natans gab es vor Kurzem einen Blackout. Teheran spricht von einem israelischen Terrorakt.
In der Urananreicherungsanlage Natans gab es vor Kurzem einen Blackout. Teheran spricht von einem israelischen Terrorakt.

© Maxar Technologies/Reuters

Teherans Unterhändler mussten daher in Wien erklären, warum der Iran das Abkommen weiter verletzt, wenn der Gottesstaat doch eigentlich zu den Vertragsvorschriften zurückkehren will.

Die iranischen Gesandten haben zudem das Problem, dass mächtige Kräfte im eigenen Land die Verhandlungen ablehnen. Die Nachrichtenagentur Tasnim, die der Revolutionsgarde nahesteht, verlangte einen Abbruch der Wiener Gespräche. Im Irak griffen pro-iranische Milizionäre einen von US-Truppen genutzten Stützpunkt an.

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Letztlich entscheidend für die iranische Haltung bei den Wiener Verhandlungen ist Revolutionsführer Ali Chamenei. Der 81-Jährige ist der mächtigste Mann im Iran und Chef der Hardliner. Vorerst lässt er seine Delegation in Wien gewähren. Ob das so bleiben wird, weiß allerdings nur er selbst. Zumindest soll erst mal weiter geredet werden, entschied am Wochenende die Führung in Teheran.

Präsident Joe Biden will mit dem Iran verhandeln.
Präsident Joe Biden will mit dem Iran verhandeln.

© Andrew Harnik/Reuters

US-Präsident Joe Biden hält den Ausstieg aus dem Atomvertrag unter seinem Vorgänger Donald Trump für einen schweren Fehler, der eine iranische Atombombe wahrscheinlicher gemacht hat, statt sie zu verhindern.

Bidens Regierung geht in Wien aber vorsichtig vor, weil das Misstrauen gegenüber der Islamischen Republik groß ist. Außenminister Antony Blinken kritisierte, die neuerliche Erhöhung der Urananreicherung werfe die Frage auf, ob es den Iranern mit den Verhandlungen überhaupt ernst sei.

Auch aus einem anderen Grund will Biden schnelle Zugeständnisse an Teheran vermeiden: Großzügige Angebote an die Islamische Republik würden seiner Regierung in den USA den Vorwurf einbringen, vor den Mullahs zu kuschen.

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Außerdem peilt Washington vor allem langfristige Ziele über eine Wiederbelebung des Atomvertrages hinaus an. Bidens Regierung will den Iran in einen Verhandlungsprozess einbinden, der in Zukunft auch Gespräche über andere Themen wie Teherans Raketenprogramm ermöglichen soll.

Die Europäer: Hoffnung auf ein Ende der Dauerkrise

Wie Joe Biden waren die europäischen Vertragsstaaten des Atomabkommens – Deutschland, Frankreich und Großbritannien – entsetzt über Trumps Ausstieg aus dem Pakt. Ihr Hauptinteresse deckt sich mit dem der neuen amerikanischen Regierung.

Auch Europa will den Iran durch Verhandlungen zu einem berechenbareren Akteur im Nahen Osten machen. Zugleich könnte eine wirtschaftliche Öffnung des Landes nach einem Sanktionsabbau neue Märkte für europäische Unternehmen eröffnen. Denn nach jahrzehntelanger Isolation ist Irans Nachholbedarf enorm. Viele Menschen leiden große Not, immer mehr Iraner verarmen. Der Unmut in der Bevölkerung wird größer.

In Wien fungieren die Europäer deshalb als Vermittler zwischen der Islamischen Republik und den USA, die keine direkten Kontakte miteinander pflegen. Europäische Diplomaten äußerten sich nach der jüngsten Verhandlungsrunde zuversichtlich, dass alle Beteiligten trotz aller Probleme den Willen haben, die Gespräche voranzutreiben.

Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman ist ein erklärter Gegner der Mullahs in Teheran.
Saudi-Arabiens Kronprinz Mohammed bin Salman ist ein erklärter Gegner der Mullahs in Teheran.

© Bandar Aljaloud/Saudi Royal Palace/AP/dpa

Anders als die Europäer unterstützte Saudi-Arabien Trumps harten Kurs. Denn die Golfmonarchie teilte die Einschätzung, dass der Atomdeal der schlechteste aller Zeiten war und Teheran mit „maximalem Druck“ in die Knie gezwungen werden muss. Nach Bidens Kurswechsel will Saudi-Arabien die USA als engen Verbündeten nicht mit einem Konfrontationskurs brüskieren.

Saudi-Arabien und Israel: Ablehnend oder kompromissbereit

Zwar halte Saudi-Arabien an seinem Ziel fest, Teherans Einfluss in der Region zu begrenzen, vor allem im benachbarten Jemen, sagt Experte Sebastian Sons von der Denkfabrik Carpo. Schließlich bedrohten die vom Iran unterstützten Huthi-Rebellen mit ihren Drohnen- und Raketenangriffen die nationale Sicherheit des Wüstenstaats.

„Doch gegen die Verhandlungen in Wien offen Widerstand zu leisten, wagen die Saudis nicht. Sie haben jetzt sogar akzeptiert, dass zunächst allein über die ursprüngliche Vereinbarung mit Teheran verhandelt wird.“ So wolle sich Riad den USA als pragmatischer und konzilianter Partner präsentieren. In einem nächsten Schritt müsse dann aber nach Ansicht Saudi-Arabiens über eine Ausweitung des Abkommens vor allem auf Irans Raketenprogramm gesprochen werden.

Das saudische Königshaus will darauf aber offenbar nicht warten. Die „Financial Times“ berichtet jetzt, es habe in Bagdad am 9. April direkte Gespräche zwischen Riad und Teheran gegeben – die ersten seit Jahren. Das Ziel: Die Beziehungen zwischen den regionalen Rivalen möglichst reparieren. Allerdings bestritt die saudische Regierung, dass es ein derartiges Treffen gegeben habe.

Israels Premier Benjamin Netanjahu will von Verhandlungen mit dem Iran nichts wissen.
Israels Premier Benjamin Netanjahu will von Verhandlungen mit dem Iran nichts wissen.

© imago images/Xinhua

Israel dagegen will von Verhandlungen bisher nichts wissen. Jerusalem setzt auf eine klare Ansage Richtung Teheran. Das schließt militärische Operationen im Rahmen des Schattenkriegs gegen den Erzfeind ein. Der Blackout in der Anlage von Natans gehört ebenso dazu wie Attacken auf verdächtige iranische Schiffe.

Premier Benjamin Netanjahu weiß, dass Washington dieses Vorgehen kritisch sieht. Schließlich setzen die USA aufs Reden, nicht aufs Sabotieren. In Israel herrscht aber weitgehend Konsens, dass die Drohungen der Mullahs gegen das „zionistische Gebilde“ ernst genommen werden müssen. Am Ende, auch darüber ist man sich in Israel einig, wird der jüdische Staat immer selbst entscheiden, was zu tun ist, um die Gefahr abzuwenden.

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