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Tino Chrupalla und Alice Weidel zeigen sich nach ihrer Wahl erleichtert.

© Reuters

AfD-Erkenntnisse aus Riesa: Die neue Parteispitze startet angeschlagen

Tino Chrupalla wird nur knapp wiedergewählt, Alice Weidel bekommt beim AfD-Parteitag ein mäßiges Ergebnis – der radikale Flügel triumphiert.

Dass schauspielerisches Können besitzen muss, wer politisch erfolgreich sein will, ist keine neue Erkenntnis. Die Vorstellung, die der alte und neue AfD-Bundessprecher Tino Chrupalla kurz nach seiner Wiederwahl an die Spitze der Partei aufführte, lieferte dafür den besten Beweis. „Heute beginnt der Aufbruch der AfD“, erklärte Chrupalla in Begleitung seines engeren Führungsteams vor versammelter Presse und bemühte sich sichtlich um Überzeugungskraft. „Die Ära Meuthen ist mit dem heutigen Tag beendet“, sagte Chrupalla noch – ganz so, als wolle er von sich selbst ablenken.

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Dabei war es allen voran Chrupalla, der am Samstag persönlich nur knapp am glatten Gegenteil eines Aufbruchs vorbeischrammte. Zwar wurde der in rund 120 Kilometern Luftlinie zum sächsischen Riesa, wo der Bundesparteitag bereits zum zweiten Mal stattfand, aufgewachsene Bundestagsabgeordnete im Amt des Bundessprechers bestätigt. Chrupalla erzielte jedoch lediglich 53,45 Prozent der Stimmen und damit eine knappe Mehrheit.

Sein Kontrahent, der aus Bayern stammende Norbert Kleinwächter, kam auf 36,3 Prozent der Stimmen und holte damit ein deutlich besseres Ergebnis, als viele ihm im Vorfeld zugetraut hatten. Zu plump sei dessen unter anderem mit der inzwischen ehemaligen stellvertretenden AfD-Chefin Joana Cotar gerittene Attacke auf den Parteichef gewesen, hatte es im Vorfeld des Parteitags übereinstimmend geheißen.

Kleinwächter jedoch, der in der Bundestagsfraktion Stellvertreter Chrupallas ist, hielt eine kämpferische und von einzelnen Delegierten stehend beklatschte Rede. Dass etwas mehr als zehn Prozent der Delegierten keinen der beiden als Parteichef sehen wollten, muss ebenfalls eher Chrupalla als Kleinwächter zu denken geben. Er nehme das zur Kenntnis, erklärte Chrupalla auf Nachfrage schmallippig.

Alice Weidel erhielt 67,3 Prozent der Stimmen

An seiner Seite stand in diesem Moment mit Alice Weidel seine Amtskollegin, die nun sowohl in der Fraktion als auch in der Bundespartei auf Augenhöhe mit Chrupalla agiert.

Weidel, die im alten Bundesvorstand Co-Sprecherin der Partei gewesen war, erhielt 67,3 Prozent der Stimmen. Sie setzte sich damit deutlich gegen den jüngst nach Kroatien umgezogenen, ehemalig in Berlin beheimateten Europaabgeordneten Nicolaus Fest durch, der nach einer schwachen Rede nur auf 20,75 Prozent der Stimmen kam. Die drei Stellvertreter von Chrupalla und Weidel heißen Stephan Brandner, Peter Boehringer und Mariana Harder-Kühnel.

Zur im Vorfeld des Parteitages heftig debattierten Frage, welches der beiden sich zuletzt unversöhnlich gegenüberstehenden Lager aus betont radikalen und vermeintlich gemäßigten Vertretern der Partei sich am Ende durchsetzen würde, gab es nach der Wahl des Spitzenduos und der Stellvertreter keine zwei Meinungen.

Bis auf die hessische Bundestagsabgeordnete Harder-Kühnel, die nicht eindeutig einem der beiden Lager zuzuordnen ist, hatten sich die radikaleren Kräfte ausnahmslos durchgesetzt.Von einem „Durchmarsch“ des offiziell aufgelösten Flügel war die Rede.

Björn Höcke gratulierte Tino Chrupalla beim AfD-Parteitag in Riesa zu dessen Wahl.
Björn Höcke gratulierte Tino Chrupalla beim AfD-Parteitag in Riesa zu dessen Wahl.

© IMAGO/Revierfoto

Dafür spricht, dass die zuvor geübte Praxis, beide Lager mit je einem Sprecherposten zu versorgen, faktisch aufgegeben wurde. Sowohl Chrupalla als auch Weidel haben sich zuletzt dem Machtanspruch des Flügels nicht entschieden entgegengestellt und werden das auch in Zukunft nicht tun. Dafür ist die zweite Reihe, allen voran der als enger Vertrauter des AfD-Rechtsaußens Björn Höcke geltende Brandner, zu klar verortet.

Hinter vorgehaltener Hand räumten Vertreter des sich selbst als gemäßigt verstehenden Parteiflügels ein, es fehle der eigenen Strömung derzeit schlicht und ergreifend an konkurrenzfähigen Personalvorschlägen. Der Blick gehe auf die Vorstandswahl in zwei Jahren, hieß es weiter. Der trotz seiner Wiederwahl beschädigte Chrupalla dürfte dann wohl eher wenig Aussicht auf einen Erfolg haben.

Über der Versammlung schwebte, wie eigentlich immer bei Parteitagen der Bundes-AfD, der Schatten des thüringischen Landeschefs und Rechtsaußen der Partei, Björn Höcke. Nachdem dieser bereits am Freitag einen ersten Punktsieg erzielt hatte, indem er per erfolgreicher Satzungsänderung dafür sorgte, dass die Partei künftig auch von einer Einzelspitze geführt werden kann, gab er sich am Samstag konziliant.

Die Herausforderung ist es nun, die zuletzt gespaltene Partei zu einen

„Jetzt ist es noch zu früh“, erklärte Höcke und warb unmittelbar danach für die erneute Wahl einer Doppelspitze. Die Entscheidung für die Wahl eines Duos erfolgte unmittelbar dann auch mit klarer Mehrheit. Der große Showdown, über den in Partei und Öffentlichkeit beinahe schon traditionell vor Parteitagen heftig spekuliert wird, fiel auch diesmal aus.

Die Herausforderung für die ab sofort sowohl in Fraktion als auch Partei als Doppelspitze agierenden Chrupalla und Weidel heißt nun, die zuletzt gespaltene Partei zu einen. Die erste Sitzung des neuen Bundesvorstands der Partei soll Anfang der Woche stattfinden, erklärte Chrupalla.

Vom ersten Tag an gelte das Prinzip von Geschlossenheit und Zusammenarbeit, dem gegenüber sich alle Mitglieder des Gremiums verpflichtet haben, sagte er weiter. Er muss hoffen, dass diese Ankündigungen ernst gemeint und nicht nur gekonntes Schauspiel waren.

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