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Dürfen Impfgegner "bestraft" werden?

© imago images/Gottfried Czepluch

Spahns Pläne zu Einschränkungen für Ungeimpfte: Mit Gerechtigkeit ist Corona schwer zu bekämpfen

Auch wenn es sich falsch anfühlt: Die Rechte Ungeimpfter dürfen nicht eingeschränkt werden - auch weil es um den freiheitlichen Staat geht. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Thomas Trappe

Als vergangenes Jahr der erste Lockdown begann, war klar, worum es ging: Eingeschränkte Grundrechte, um insbesondere Ältere und Vulnerable zu schützen. Jetzt, da diese weitgehend durchgeimpft sind oder die Möglichkeit dazu hatten, ist dieses Narrativ überholt.

Nun steht die Frage im Raum: Sind wir bereit, uns einzuschränken zum Wohle jener, die offenbar selbst nicht bereit sind, dafür Anstrengungen auf sich zu nehmen oder eigene Ängste hintan zu stellen?

Natürlich sind die meisten Geimpften nicht zu weiteren Einschränkungen bereit. Die sich derzeit in Bund und Ländern abzeichnende Linie, nach der vorrangig Ungeimpfte weiterhin mit Einschränkungen ihrer Grundrechte rechnen müssen, bedient damit ein diffuses Gerechtigkeitsgefühl der Mehrheitsgesellschaft.

Doch leider ist Gerechtigkeit eine schwammige Kategorie in einer Pandemie. Denn aus der kommen wir nur gesund heraus, wenn die Spaltung der Gesellschaft durch die Benachteiligung der Unvernünftigen nicht auf die Spitze getrieben wird. Und die Gefahr besteht gerade.

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Die Wut auf Ungeimpfte ist verständlich, aber ein schlechter Ratgeber

Denn fast im gleichen Tempo, wie sich auf Seiten der Impfgegner, -skeptiker und -desinteressierten derzeit die Argumente nach oben schaukeln, so ist dies auch auf der anderen Seite zu beobachten. Vorschläge etwa, Ungeimpfte die Kosten für eine Corona-Erkrankung selbst tragen zu lassen oder sie mehr in die Gesetzliche Krankenversicherung einzahlen zu lassen, sind die jüngsten Beispiele dafür.

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Die Wut, aus der solche Drohungen entstehen, ist nachvollziehbar, führt aber fast zwangsläufig in eine Entsolidarisierungs-Spirale. In der gesetzlichen Krankenversicherung etwa gehen nach einer Faustformel rund 80 Prozent der Einnahmen für 20 Prozent der Versicherten drauf, für die besonders Vulnerablen und Kranken. Wenn man das System von einer Seite in Frage stellt, kann man es auch gleich aufgeben. Und damit einen tragenden Pfeiler unseres Sozialstaates.

Den Impfdruck zu erhöhen, bevor man es ernsthaft mit positiven Ansätzen versucht hat, war ein Fehler, der nicht rückgängig zu machen ist. Ein paar Impfunwillige werden sich durch die zu erwartenden Nachteile, man könnte auch sagen: Sanktionen, sicher noch umentscheiden – doch viele werden erst recht denken, dass der Staat sie mit unlauteren Mitteln zum Impfen nötigen will. Mehr als ein Provisorium können die Nachteile für Ungeimpfte deswegen nicht sein.

Schon bald muss eine andere Debatte beginnen, die dann wieder alle einschließt. Wollen wir Corona-Beschränkungen für alle? Oder für niemanden? Wahrscheinlich verletzt dies das Gerechtigkeitsempfinden vieler. Aber im Sinne der Zukunft unseres freiheitlichen Staates ist diese schwierige Diskussion unumgänglich.

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