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© dpa pool

PORTRÄT ELWY ALI OKAZ BIOLOGE, WITWER, VATER:: „Kein gutes Gefühl mehr, hier zu sein“

Eine der beklemmendsten Szenen im Dresdner Prozess um den Tod von Marwa el Sherbini ereignete sich am zweiten Verhandlungstag. Die Gerichtsmedizinerin, eine robuste und gewandte Frau, stockt plötzlich, als sie die 16 Stichverletzungen am Körper der jungen Frau schildern soll.

Eine der beklemmendsten Szenen im Dresdner Prozess um den Tod von Marwa el Sherbini ereignete sich am zweiten Verhandlungstag. Die Gerichtsmedizinerin, eine robuste und gewandte Frau, stockt plötzlich, als sie die 16 Stichverletzungen am Körper der jungen Frau schildern soll. Geht das, in Anwesenheit des Witwers? Der nickt nur knapp. „Herr Okaz will bleiben“, sagt die Richterin.

Seit nunmehr zwei Wochen mutet sich Elwy Ali Okaz, 32, in Dresden promovierter Mikrobiologe und Vater eines dreijährigen Jungen, an jedem Verhandlungstag wieder Zeugenaussagen, Gutachten, Protokolle zu, die alle dasselbe erzählen: den Tod seiner 31-jährigen schwangeren Ehefrau, jene knapp drei Minuten, die er selbst nur zu genau kennt. Als sich der 28-jährige Alex W. im Dresdner Gerichtssaal auf Marwa el Sherbini stürzte, die ihn wegen Beleidigung angezeigt hatte, und wie besessen immer wieder auf sie einstach, war ihr Mann als Einziger sofort an ihrer Seite und konnte sie mit seinem verzweifelten Einsatz, der ihm ebenso viele Stiche eintrug wie ihr, doch nicht retten.

Jetzt sitzt er still im Saal, dem tief vermummten Bündel Mensch direkt gegenüber, das seine Frau getötet hat. Vier Monate seither haben ihn schmal werden lassen. Mit seinem deutschen und dem ägyptischen Anwalt kommuniziert er in kurzen Sätzen und knappen Gesten, aufmerksam, scheinbar reglos. Ganz selten, dass sich die Anspannung in einer Geste oder einem tiefen Atemzug entlädt. Er geht an Krücken, meidet alle Journalisten und hat auch die Kollegen vom Dresdner Max-Planck-Institut für molekulare Zellbiologie und Genetik um Schweigen gebeten, was ihn betrifft.

Das war früher anders. „Wir haben viel miteinander gelacht“, sagt Abdel-Kader el Bagoury, ein Freund aus Bremen, wohin das Paar 2004 aus Ägypten zog und wo 2006 der Sohn Mustafa geboren wurde. „Elwy war das Zentrum unseres Freundeskreises.“ Witzig, amüsant, aber auch ein brillanter Wissenschaftler und ungemein fleißig sei er gewesen. Die Kollegen sprächen bis heute von ihm.

Elwy Okaz und seine Frau, beide aus Alexandria stammend, wollten bleiben: „Unser Plan war, dass ich in Deutschland oder Europa eine Postdoc-Stelle bekomme“, sagte er vor Gericht, Marwa wollte als Apothekerin arbeiten. Doch wenn am kommenden Mittwoch das Urteil fällt, wird er wohl gehen: „Nach dem, was geschehen ist, habe ich kein gutes Gefühl mehr, in Dresden zu sein.“ Andrea Dernbach

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