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Links die Hollywood-Schauspielerin Jennifer Lawrence, rechts die Popsängerin Rihanna

© AFP

Nacktheit in den Medien: Das Prinzip "Sex sells" hat ausgedient

"Sex sells" stimmt nicht mehr. Ob Nacktfotos von Jennifer Lawrence unfreiwillig die Netzgemeinde aufmischen oder Jennifer Lopez ihre Musik mit ihrem Hintern bewirbt - wir sind eigentlich übersättigt. Ein Kommentar.

Ein Kommentar von Matthias Kalle

Wir müssen uns an dieser Stelle einmal über Nacktheit unterhalten – nicht, weil das ein dringender Wunsch von mir wäre, sondern weil Nacktheit irgendwie gerade ein Thema ist. Wie es dazu kommen konnte, im September 2014? Das ist eine schwierige Frage.

Nackte Hollywood-Stars mischen das Netz auf

Am vergangenen Wochenende wurden die iCloud-Speicher von einigen Prominenten gehackt, darauf befanden sich private Fotos, die kurz danach natürlich im Internet auftauchten. Jetzt ist es nicht so, dass es bis dahin im Internet überhaupt keine Nacktfotos gegeben hätte. Was man so hört, sollen ja Teile des Internets geradezu voll von Nacktfotos sein. Aber es scheint einen Unterschied zu machen, ob man jemanden, der bereits einen Oscar gewonnen hat, nackt sieht oder jemanden, der niemals einen Oscar gewinnen wird, weil man ihn andauernd nackt sieht.

Jedenfalls waren die Schmuddelseiten, auf denen die Nacktbilder gepostet wurden, Anfang der Woche heillos überlastet: so viele Menschen wollten sich mal anschauen, wie Oscar-Preisträgerin Jennifer Lawrence ohne was an aussieht. Es gab vor allem Aufregung um Jennifer Lawrence – die Meldung, dass es auch private Nacktaufnahmen von der Popsängerin Rihanna gab, löste vor allem Schulterzucken aus. Rihanna? Nackt? Pfff...

Nacktsein als Zeichen des Feminismus?

Rihanna gehört, ähnlich wie Miley Cyrus, zu einer Riege Popsängerinnen, die mit dem Ausziehen sehr offensiv umgehen. Manch einer behauptet gar, dass im Prinzip jedes Musikvideo der beiden gar kein Musikvideo sei, sondern "geleaktes" Material aus deren Privatbesitz. Vor zwei Wochen erschien ein Musikvideo zu dem Lied "Anaconda" der – sagt man Rapperin? – Rapperin Nicki Minaj. Es soll sich dabei um das "heißeste" Musikvideo aller Zeiten handeln. Ich habe es mir aus Recherchezwecken angeschaut und bezweifle das. Vier Minuten lang sieht man halbnackte Frauen, die mit dem Hintern wackeln – und Nicki Minaj, die Rapperin, behauptete, dass das Video eine Anklage gegen den Magerwahn unserer Tage sei. Darauf muss man tatsächlich erst mal kommen, denn nach dieser Logik, wären zum Beispiel die "Rambo"-Filme lupenreine Anti-Kriegs-Propaganda.

Übrigens scheint die Sache mit den wackelnden Hintern als Statement für eine neue Art des Feminismus weiterzugehen: Im Moment wird ein kommendes Musikvideo groß angekündigt, zu dem Vier-Minuten-Dings gibt es einen 30-Sekunden-Trailer. Es geht um das Lied "Booty", also Arsch, von den beiden Sängerinnen Jennifer Lopez und Iggy Azalea. Und in dem Trailer sind man dann auch vor allem die, nun ja, Hintern, der beiden.

Nackt ist nicht gleich nackt - oder doch?

Dabei glaube ich eigentlich, dass Nacktheit im Prinzip niemanden mehr hinter dem Ofen hervorlockt. Am Donnerstag schrieb ich im "Tagesspiegel" einen Text über das Privatfernsehen, darin kam auch die RTL-Sendung "Adam sucht Eva – Gestrandet im Paradies" vor und zwar als Verweis darauf, dass dem Privatfernsehen überhaupt nichts mehr einfällt. Denn es gilt schon längst nicht mehr, was noch vor einigen Jahren als sicher galt: "Sex sells". Diese Zeiten scheinen vorbei zu sein.

Im Falle der gestohlenen Privatfotos der Prominenten war es zum Beispiel genau andersrum. Als einige der Opfer über Twitter darum baten, die Fotos nicht im Internet zu suchen geschweige denn sie sich anzusehen, schlug ihnen eine Welle der Solidarität entgegen. Und das ist gut und richtig, denn die Scham und die Wut, die Prominente wie Jennifer Lawrence empfinden angesichts dieser Verletzung ihrer Privatsphäre, werden offenbar von sehr vielen geteilt. Und vielleicht ist es doch richtig, dass wir nackt alle gleich sind.

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