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Gerald Knaus

© dpa/Francesco Scarpa/European Stability Initiative

Migrationspolitik: Gerald Knaus hätte die Lösung

Der Erfinder des EU-Türkei-Deals macht einen klugen Vorschlag für die europäische Flüchtlingspolitik. Leider ist die Idee wohl zu einleuchtend, um Chancen zu haben. Ein Porträt.

Seine Arbeit beschrieb Gerald Knaus dem Tagesspiegel einmal bescheiden mit „Reisen und Reden“. Seine Ideen entstünden beim „Umhergehen“. Und weil das in und für Knaus’ „European Stability Initiative“ (ESI) auch etliche andere tun, entstehen die Ideen der kleinen Denkfabrik in Berlin-Kreuzberg meist auf dem Boden solider Information und verbreiten sich rasch. Das war so, als der gebürtige Österreicher Knaus 2016 die Vorlage zum späteren EU-Türkei-Deal lieferte, und das könnte mit seiner jüngsten Idee ähnlich werden: In einem Interview in der „Welt“ hat er kürzlich vorgeschlagen, dass die von Fluchtmigration besonders betroffenen EU-Staaten gemeinsame Asylzentren einrichten sollten.

Die könnten die Verfahren rasch abwickeln, unabhängige Anwälte deren Fairness sicherstellen. Danach würden anerkannte Schutzbedürftige von den beteiligten Ländern aufgenommen, nicht anerkannte müssten zurück. Die Herkunftsländer, so Knaus, würden dabei mitziehen, wenn man ihnen etwas dafür böte – nicht Euro-Millionen, sondern „Kontingente für legale Migration in Form von Arbeitsvisa“.

Knaus’ Vorschlag beseitigt gleich mehrere Schwächen der dysfunktionalen EU-Asylpolitik: Der Streit über Verteilungsschlüssel wäre durch eine Koalition der Freiwilligen (Aufnahmeländer) neutralisiert, einzelne Staaten würden nicht mehr mit einer großen Zahl von Flüchtlingen alleingelassen. Zugleich würden internationale Abkommen wie die Genfer Flüchtlingskonvention so eingehalten, wie man das von Rechtsstaaten erwarten darf, und das Sterben im Meer reduziert oder beendet.

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Doch Knaus’ Vorschlag ist vermutlich zu klug und einleuchtend, um Chancen zu haben. Er setzt nämlich, altmodisch ausgedrückt, ehrliche Kaufleute voraus. Europa aber ist in der Migrationspolitik eine ziemlich miese Geschäftspartnerin. Schnelle Verfahren, Abschiebungen, das nimmt man gern. Wenn es darum geht, den eigenen Teil der Vertrags einzuhalten – Menschen legal aufzunehmen, Visa zu gewähren –, stockt der Deal rasch. Für Deutschland ist das abzulesen an den entsprechenden Visa-Statistiken, die die Linksfraktion im Bundestag mit lobenswerter Regelmäßigkeit im Auswärtigen Amt abfragt. Sogar die vielen Möglichkeiten zum Arbeiten, die Nicht-EU-Ausländer per Gesetz haben, verbaut ihnen immer wieder die Behördenpraxis. Das wissen auch die Partnerländer in Afrika. Knaus’ Idee droht daher eine Idee zu bleiben.

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