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Arbeiter entfernen am 10. Juli 2021 die Statue von General Robert E. Lee in Charlottesville, USA.

© Evelyn Hockstein/Reuters

Königinnen und Generäle: Wie Denkmäler Geschichte beleuchten - und sie unsichtbar machen

Wenn Menschen und Ereignisse offiziell erinnert werden, dann meist einseitig. Warum das problematisch ist und was helfen könnte. Eine Kolumne.

Eine Kolumne von Anna Thewalt

Die Literaturwissenschaftlerin Aleida Assmann verwies einmal auf eine Metapher des englischen Philosophen Francis Bacon: „Wer die Kerze in die Ecke trägt, verdunkelt den Rest des Raumes.“ Denkmäler und Statuen sind wie solche Kerzen: Sie erhellen nur eine bestimmte historische Perspektive, während andere Perspektiven im Verborgenen bleiben.

Die Metapher ist auch deshalb hilfreich, weil sie den aktiven Charakter von Erinnerung mitbedenkt: Die Kerze wird aktiv in eine Ecke getragen, es wird bewusst ein Teil der Geschichte erhellt, ein anderer verdunkelt.

Das zeigt sich auch in Charlottesville, USA. Dort hat ein Deutungsstreit um zwei Statuen am vergangenen Wochenende einen vorläufigen Schlusspunkt gefunden. Vier Jahre nach einem Aufmarsch Hunderter Rechtsextremer, bei dem eine Gegendemonstrantin ums Leben kam, wurden die Statuen der Generäle Robert E. Lee und Thomas Jackson von ihren Sockeln genommen.

Beide hatten im Bürgerkrieg für die Südstaaten gekämpft, die sich gegen die Abschaffung der Sklaverei und gegen mehr Rechte für Schwarze wehrten. Ihre Perspektive wurden mit den Statuen geehrt, während die Menschen, die unter der Sklaverei litten und dagegen kämpften, keine Würdigung erfuhren.

2017 hatte der Stadtrat von Charlottesville dafür gestimmt, die Statuen der Generäle zu entfernen; es folgten jahrelange juristische Streitereien und die Aufmärsche der Rechten. Nun sind die Statuen verschwunden, mithilfe großer Kräne und unter dem Jubel mancher Anwesender.

Neuer Raum für unbeachtete Perspektiven

Während die Generäle in Charlottesville von offizieller Stelle entfernt wurden, haben Anfang des Monats Menschen in Kanada Statuen der britischen Königin Victoria und von Königin Elizabeth II. eigenmächtig gestürzt. Dies geschah, nachdem Gräber indigener Kinder entdeckt worden waren.

Die Königinnen werden als Repräsentantinnen der kolonialen Geschichte Kanadas angesehen, in deren Kontext auch die ehemaligen Umerziehungschulen für indigene Kinder stehen. Während also auch hier ein Teil der Geschichte buchstäblich auf den Sockel gehoben wurde, blieb der andere Teil jahrzehntelang un-erinnert.

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Es ist eine positive Entwicklung, dass einseitige Erinnerungen vielerorts als problematisch erkannt werden. Sowohl Initiativen zur Straßen-Umbenennung in Berlin als auch Denkmalstürze in den USA oder Kanada lassen bislang unbeachtete Perspektiven sichtbar werden.

Zu statisch für lebendige Erinnerung

Auch neue Denkmäler für lang vergessene Ereignisse, quasi weitere Kerzen im Raum der Erinnerung, sollen dazu beitragen. So sind etwa in Paris und Lissabon Denkmäler zur Erinnerung an die Menschen, die unter Sklaverei litten, geplant.

Zwar ist es wichtig, insbesondere lang negierte Erinnerungen öffentlich zu würdigen, auch in Denkmälern, die sichtbare Orte der Anerkennung sind. Dies löst allerdings nicht die Schwierigkeit, dass sowohl mit neuen als auch mit alten Denkmälern steinerne, statische Formen an komplexe Ereignisse erinnern sollen.

Auseinandersetzung kann nur in Gesprächen und einem sich stetig weiterentwickelten Prozess geschehen. Museen, Veranstaltungen, Vorträge und Führungen rund um Denkmäler und Statuen können dazu beitragen. Sie können das Licht der Kerze in der Ecke multiplizieren.

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